Offroadfans bejubelten im vergangenen Jahr den Produktionsstart des robusten Geländewagens von Ineos im früheren Smart-Werk in Hambach. Die Elektrogemeinde hingegen bezeichnete die junge britische Marke als Dinosaurier vergangener Zeiten. Denn statt emissionsfreier Elektromotoren, wie man es in Zeiten wie diesen eigentlich erwarten sollte, werkeln Sechszylinder-Benziner und Dieselmotoren unter der Haube des kantigen Grenadiers.
Jetzt zeigt die britische Automarke, dass sie auch anders kann. Nach zehn Monaten Entwicklungszeit präsentiert sie beim Festival of Speed in Goodwood einen Prototyp des Offroaders mit Brennstoffzellenantrieb. Die Vorgabe lautete: Gleiche Reichweite, Nutzlast und Raumangebot wie die Verbrenner-Version, keine faulen Kompromisse auch im Geländebetrieb. Die habe der „Demonstrator“-Wagen auf anspruchsvollen Gebirgspfaden der österreichischen Alpen und auf dem Schöckl, dem berühmt-berüchtigten Hausberg von Entwicklungspartner Magna Steyr, auch schon bewiesen.
Drei E-Motoren, 550 Kilometer Reichweite
Der elektrische Grenadier unterscheidet sich optisch nicht vom wenigstens 71.140 Euro teuren Verbrenner. Erst ein Blick unters kantige Blech offenbart die Unterschiede. Zwei Elektromotoren im Heck und einer vorne liefern satte 550 PS an die vier Räder, doppelt so viel wie die Verbrenner. Ein mögliches Serienfahrzeug soll sogar vier Motoren bekommen. Eine Tankfüllung des mit 700 bar gespeicherten Wasserstoff soll den Geländewagen gut 550 Kilometer weit bringen.
Die Plattform des Geländewagens sei so flexibel, dass ihr Team den emissionsfreien Antriebsstrang ohne Probleme integrieren konnte, erklärt Pamela Amann, die für den Wasserstoff-Grenadier verantwortliche Ingenieurin. Leiterrahmen und Hinterachse wurden einfach modifiziert, um die Motoren unterzubringen. Lediglich im Heck klaut der vergleichsweise große Akku (der Puffern des in der Brennstoffzelle erzeugten Fahrstroms benötigt wird) noch etwas Stauraum. „Wir wussten nicht, wie das System im harten Geländeeinsatz funktioniert und wieviel Energie wir benötigen. In einem Serienfahrzeug wird die Batterie viel kleiner“, sagt Amann.
Hinten kommt nur sauberes Wasser raus
Batterie, Wasserstoff, Brenstoffzelle? Wir erinnern uns an den Chemieunterricht: In der Brennstoffzelle wird Wasserstoff zur negativen Elektrode geleitet und dort auf einem Katalysator aktiviert, wobei Elektronen freigesetzt werden. Diese wandern von der negativen zur positiven Elektrode – ein elektrischer Strom entsteht. An der negativen Elektrode reagieren Sauerstoff, Wasserstoff und Elektronen chemisch zur einzigen Emission: Wasser.
Auf ihrem Weg zwischen den Elektroden nehmen die Elektronen einen gewaltigen Umweg. Zunächst landen sie in einer Pufferbatterie, treiben dann den Elektromotor im Fahrzeug an und erreichen schließlich nach getaner Arbeit den Sauerstoff. Zu kompliziert? Dann merken Sie sich nur eines: Obwohl ein Brennstoffzellenauto Wasserstoff kalt „verbrennt“, fährt es immer elektrisch.
Das System stammt von BMW und wurde nicht deshalb verwendet, weil die Bayern auch schon die Verbrenner liefert. „Wir haben uns etliche Brennstoffzellen angeschaut. Das BMW-System liefert die beste Performance für den harten Geländeeinsatz“, sagt Amann.
Batterieantrieb wäre zu schwer
Aber warum überhaupt ein Elektromotor? „Grundsätzlich ist ein E-Antrieb im Offroader eine super Sache“, sagt Amann. „Der Motor liefert sein extremes Drehmoment praktisch aus dem Stand hinweg. Das erleichtert das Fahren im Gelände ungemein“, erklärt Amann. „Der Motor muss nicht erst wie ein Diesel oder Benziner auf Touren kommen. So lässt sich die Kraft viel feinfühliger dosieren. Und dank der direkten Drehmomentverteilung an die Antriebsräder hat der Wagen immer Grip.“
Und warum dann keine batterieelektrische Lösung? „Für einen schweren Geländewagen passt die kompakte, leichte Brennstoffzelle besser als ein System mit schweren Akkus“, erklärt die Ingenieurin. „Außerdem tankt man den Wagen in rund drei Minuten auf.“
Es sei auch nicht darum gegangen, einfach einen Brennstoffzellenantrieb in den Grenadier zu verpflanzen. „Wir wollten herausfinden, welchen Zusatznutzen der Antrieb bietet“, sagt Amann. Wasserstoff biete mehr Einsatzmöglichkeiten als die Batterietechnik. So könnte man beispielsweise im Katastrophengebiet über die Brennstoffenzelle Strom für ein Feldlazarett produzieren. Oder das im Betrieb entstehende Wasser sammeln, es für Trinkwasser aufbereiten oder zum Duschen verwenden.
Tankstellennetz wächst nur langsam
Da stellt sich natürlich die Frage, woher der Wasserstoff zum Beispiel im afrikanischen Busch kommen soll, wenn es noch nicht mal in Europa ein flächendeckendes Tankstellennetz gibt. In Deutschland, Österreich, der Schweiz und auch in den skandinavischen Ländern müssen Fahrer eines Brennstoffzellenautos zwar keine Angst haben, mit leerem Tank liegenzubleiben. Auch China und der Mittlere Osten ist bereit für wasserstoffbetriebene Fahrzeuge. Japan und Korea als Heimatmärkte von Toyota und Hyundai sowieso. Beide Marken treiben den Brennstoffzellenantrieb massiv voran, Hyundai vor allem mit Brennstoffzellen-Lkw. Doch Resteuropa hinkt in der H2-Technik noch hinterher. Und in Großbritannien, dem Heimatmarkt von Ineos, scheint man gerade andere Sorgen zu haben als der Aufbau einer Wasserstoffinfrastruktur. Was der britischen Marke auf dem Heimatmarkt nicht eben hilft.
Bei Ineos lässt man sich dadurch jedoch nicht entmutigen. „Jetzt müssen wir Druck auf die Regierungen machen, um die Technik zu pushen“, sagt Amann. „Wir wollen und können das Auto in Serie bauen. Das Interesse unserer Kunden ist riesig. Aber was bringt das, wenn sie nirgends Wasserstoff tanken können? Möglicherweise muss die E-Gemeinde doch noch bis 2026 auf ein Elektroauto von Ineos warten. Dann will die Automobilsparte des Chemiekonzerns auch einen batterieelektrischen Offroader auf den Markt bringen. Der wird allerdings deutlich kleiner werden als der Grenadier: Bei der aktuellen Batterietechnologie sind mit einem schweren Allradler keine großen Sprünge zu machen.