Die deutsche Sprache ist ein wunderbares Werkzeug. Denn selbst unangenehme Umstände kann man mit ihr noch in wohlige Worte kleiden. Wenn die Stadt Heidelberg jetzt vom „digitalen, fairen und sicheren Parkraummanagement“ schwärmt, geht das deshalb runter wie Öl. Doch wenn man dann den neuen Cityscanner sieht, der unter dieser Headline in der Altstadt und dem neuen Quartier Bahnstadt künftig mit Kameraaugen – zunächst allerdings nur im Probebetrieb und ohne juristische Konsequenzen – Parksünder ausmachen will, hat das schon einen etwas schaleren Beigeschmack. Schließlich fühlen sich angesichts des weißen Kleinwagens mit dem auffälligen Scanner-Aufbau viele an George Orwell’s 1984 erinnert oder schlimmer noch an die Stasi aus DDR-Zeiten.

In Heidelberg rollt seit kurzem ein mit Kameras bestückter Toyota Yaris durch die Straßen, um Falsch- und Schwarzparker zu identifizieren. Die Stadt hofft so auf eine deutliche Steigerung der Einnahmen – und eine Hebung der Verkehrsmoral.
Natürlich ist das hoffnungslos übertrieben, aber irgendwie auch Teil des Programms. Denn Staatssekretärin Elke Zimmer aus dem Verkehrsministerium in Stuttgart setzt durchaus auf Abschreckung und hofft, dass allein die Präsenz des deutlich gekennzeichneten und hinreichend angekündigten Cityscanners die Verkehrsmoral erhöhen wird. Auch deshalb haben sie solche Lösungen im Frühjahr im Landesmobilitätsgesetz verankert und damit als erstes Bundesland überhaupt erst die Möglichkeiten für diese Form des „digitalen, fairen und sicheren Parkraummanagements“ geschaffen, das bei unseren Nachbarn in Frankreich, den Niederlanden oder Polen längst Gang und Gäbe ist. Vom kameragespickten Verkehrsraum in China ganz zu schweigen.
25 Bilder pro Sekunde in der Vorbeifahrt
Und überhaupt muss sich niemand Sorgen um den Schutz seiner Daten oder gar seiner Persönlichkeit machen, denn der ist tief im Gesetz verankert und in der Software berücksichtig, sagt Andreas Fleischmann. Der Ingenieur ist Chef der Regensburger DCX Innovations, die den Cityscannner entwickelt hat, und beruhigt die Kritiker: „Unsere Kameras sehen weniger als jede Politesse“ und bittet zum Beweis zur ersten Mitfahrt in seinem Toyota Yaris. Der hat auf dem Dach für den Einsatz bei Tageslicht zwei Farb- und für die Nachtstunden zwei Schwarz-Weiß-Kameras mit Infrarot-Strahlern sowie zur Positionsbestimmung Lidar-Sensoren, wie man sie vom autonomen Fahren kennt.

Für den Einsatz bei Tageslicht hat der Toyota zwei Farb- und für die Nachtstunden zwei Schwarz-Weiß-Kameras auf dem Dach. Dazu Infrarot-Strahler sowie zur Positionsbestimmung Lidar-Sensoren. Bilder: Thomas Geiger
Damit rollt Fleischmann lässig und je nach Gegebenheit mit bis zu 70 km/h im fließenden Verkehr mit, während die Kameras 25 Bilder pro Sekunde aufnehmen und die Software dabei Kennzeichen der geparkten Autos ermittelt. In Echtzeit checkt sie währen der Fahrt, ob dafür ein Anwohnerparkausweis vorliegt, ob am Automaten mit Kennzeicheneingabe ein digitaler Parkschein gelöst wurde oder ob das Ticket bei einer App wie EasyPark oder Parkster gelöst wurde. Ist alles in Ordnung, werden die Daten gar nicht erst gespeichert. Wird ein Parksünder erkennt, schlägt die Software Alarm.
Jede Menge Hinweise auf Schwarz- und Falschparker
Aber der Cityscanner sieht nicht nur die so genannten Schwarzparker, die keine Parkschein gelöst oder ihre Parkzeit überzogen haben. Sondern auf der vorher eigens angelernten Karte kann das System auch erkennen, wer einen Rettungs-, Rad- oder Schulweg blockiert oder eine Kreuzung behindert, erläutert Fleischmann. Die Stadtvorderen erhoffen sich insbesondere davon einen deutlichen Sicherheitsgewinn. Und die Anwohner sehen darin einen wichtigen Gegenwert dafür, dass sie sich jetzt quasi unter ständiger Beobachtung fühlen.
Was die Software dagegen höflich ignoriert, das sind alle anderen Informationen, die dem Scanner ins Netz gehen: Gesichter auf den Bildern sind deshalb grundsätzlich unscharf, die Beschriftungen anderer Fahrzeuge auch und für die HU- oder AU-Siegel am Kennzeichen oder die Umweltplakette an der Scheibe hat der Scanner anders als die Politesse und der Hilfssheriff keinen Blick.

Mit dem Cityscanner fährt das Auto zweimal seine Route ab. Steht das Auto des Parksünders dann immer noch am Platz, wird die Position festgehalten – und eine Politesse losgeschickt, um die Lage und mögliche Sondergenehmigungen zu checken.
Auf Fleischmanns Kontrollbildschirm im Auto kann man dem Prozess zwar folgen, sieht aber trotzdem nichts. Denn auf den Fotos sind die Nummernschilder ausgegraut und auf den Listen daneben in vermeintlich Willkürliche Codes verschlüsselt. „Einzig die Kollegen im Amt bekommen die Informationen klar angezeigt“, sagt Fleischmann.
„Duracell-Häschen im Gemeindevollzugsdienst“
Und auch die sehen die Sünder nicht sofort. Weil Parken ohne Ticket zwar verboten, Halten aber schließlich erlaubt ist, fährt Fleischmann jede Runde zweimal und lässt dazwischen ein paar Minuten Pause. Erst wer seinem Scanner dann nochmal unter die Augen kommt, ist als potentieller Parksünder vermerkt – bekommt aber noch immer kein automatisches Knöllchen. Schließlich könnte ja ein Behindertenausweis auf dem Armaturenbrett liegen oder eine Sondergenehmigung für einen Handwerker, schränkt der Entwickler ein. Deshalb müssen am Ende doch nochmal eine Politesse oder ein Hilfssheriff los und kurz ins Auto gucken, bevor dann tatsächlich ein Strafzettel auf den Weg gebracht wird.

1000 bis 1500 parkende Autos am Straßenrand können mit dem rollenden Cityscanner kontrolliert werden. Eine Politesse schafft oft nur 50 bis 80 Fahrzeuge in der gleichen Zeit. Entsprechend höher ist die Effizienz, entsprechend höher potenzielle Einnahmen.
Aber lohnt sich das dann überhaupt? Und wie, sagt Fleischmann. Weil die Mitarbeiter im „Gemeindevollzugsdienst“ – was übrigens ein weiterer Beweis für die Schönfärberei der deutschen Sprache ist – bei ihren Kontrollgängen längst nicht mehr nur nach Parkscheinen schauen, sondern dank Apps wie EasyPark oder Parkster jedes Kennzeichen digital abfragen müssen, schaffen die pro Stunde oft nur 50 bis 80 Autos, erläutert der Entwickler. Der Cityscanner dagegen ist laut Fleischmann wie das „Duracell-Häschen im Gemeindevollzugsdienst“ und schafft 1000 bis 1500 Autos. Beim ersten, kleinen Probelauf auf den Parkplätzen der Universität Hohenstein hätten sie bereits die sechsfache Effizienz erzielt, sagt Staatssekretärin Zimmer. Erfahrungen etwa aus Amsterdam ließen im urbanen Umfeld sogar auf bis zu 20-mal mehr Effizienz hoffen.
Wenn in Heidelberg aktuell 30 Mitarbeiter im Gemeindevollzugsdienst pro Jahr Knöllchen für rund 80.000 Euro schreiben, kommt da also einiges zusammen. Da lohnen sich dann auch die 130.000 Euro, die pro Scannerset fällig werden, bevor das binnen vier Stunden auf fast jedem Dienstwagen der Stadt montiert werden kann. Auch der ähnlich hohe Betrag für die Software und die nötigen Lizenzen in der Behörde sollte sich so schnell amortisieren. Von den weniger blockierten Rettungs-, Rad- oder Schulwegen ganz zu schweigen.