Für viele Autoliebhaber wird es wie ein Frevel an automobilhistorischem Kulturgut vorkommen. Für andere ist es eine Möglichkeit, ihren Oldtimer in die Neuzeit hinüberzuretten und möglichen Fahrverboten vorzubeugen: Die Umrüstung auf einen Elektroantrieb. Jaguar Classic hatte vor drei Jahren schon einmal sein ikonisches E-Type Cabriolet in einen Stromer namens „Zero“ verwandelt, mit dem Prinz Harry und Maghan später in die Flitterwochen entschwanden. Inzwischen hat sich die Umrüstung automobiler Klassiker auf Elektroantriebe weltweit zu einem Trend entwickelt. Immer mehr Unternehmen bieten entsprechende Umbau-Kits an, vor allem in Großbritannien und den USA, aber auch in Deutschland. Hier hat sich unter anderem Voltimer aus dem Alb-Donau-Kreis in Baden-Württemberg auf die Elektrifizierung von Old- und Youngtimern spezialisiert. Auch die Bielefelder Auto-Leasing-Firma „electrify“ von Robert Tönnies hat sich auf den Umbau alter Volkswagen spezialisiert, gemeinsam mit dem Inhaber der Firma „Murschel Electric Cars“. Deren Stückzahlen sind allerdings – noch – überschaubar.

Zwei Elektromotoren und ein Akku für 400 Kilometer Reichweite

In ganz andere Dimensionen – was Stückzahlen und Verkaufspreise anbetrifft – will allerdings die britische Lunaz-Gruppe. Das Unternehmen hat mit Hilfe institutioneller Investoren im Technologiepark von Silverstone eine regelrechte Fabrik hochgezogen, in der 100 Beschäftigte für Kunden aus aller Welt allerfeinste Oldtimer mit größtem Aufwand in elektromobile Pretiosen „upgezycelt“ werden. Technischer Direktor ist Jon Hilton, der in jungen Jahren für das Formel-1-Team von Renault am Hybridantrieb KERS arbeitete und später Spezialfahrzeuge für James-Bond-Filme baute.

Neue Zeit im alten Gewand
Lunaz hat sich auf die Elektrifizierung britischer Klassiker spezialisiert. Oldtimer von Bentley und Rolls-Royce wurden bei Lunaz in Silverstone in den vergangenen Jahren bereits aufwändig „upgecycelt“ und fit gemacht für neue Einsätze. Fotos: Lunaz

Letzeres erklärt vielleicht auch, warum sich Lunaz nun auch den Aston Martin DB6 vorgenommen hat, das Nachfolgemodell des legendären „James Bond“-Aston Martin DB 5 aus den 1960er Jahren, der gerade wieder in den Kinos zu bewundern ist. In Silverstone wird der Reihensechszylinder-Benziner des Sportwagens mit 210 bis 242 kW (285-329 PS) gegen zwei Elektromotoren mit etwa 257 kW (350 PS) Leistung ausgetauscht. Dazu gibt es einen Lithium-Ionen-Akku mit einer Speicherkapazität zwischen 80 und 120 Kilowattstunden (kWh), mit dem der Sportwagen bis zu 255 Meilen oder 400 Kilometer weit rollen soll. Über einen CCS-Anschluss soll der Akku unterwegs mit einer Ladeleistung von 150 kW schnell wieder aufgeladen werden können.

Umbau und Restauration für eine Million Dollar

Und mit dem Austausch des kompletten Antriebsstrangs belassen es die Briten nicht. Der Aston Martin DB 6 erhält bei der Gelegenheit eine umfassende Frame-off-Restaurierung. Und auch die übrige Technik wird an die neue Zeit angepasst: Das Fahrzeug kriegt neue Bremsen, ein neues Fahrwerk und eine Servolenkung, eine Klimaanlage sowie ein neues Infotainment-System für volle Internet-Konnektivität. Ohne das ist ja heute kein Auto mehr vollständig.

Der Aufwand hat natürlich seinen Preis: Wenigstens eine Million US-Dollar, umgerechnet 836.000 Euro, sollten Interessenten mitbringen. Etwas günstiger wird es, wenn man bereits über einen DB6 verfügt und diesen als „Restaurations“-Basis benutzt. Das gilt auch für Besitzer eines Aston Martin DB5 oder DB4 – auch diese Modelle werden auf Wunsch bei Lunaz upgezycelt. Auch ein wenig Geduld sollte der Kaufinteressent mitbringen: Die ersten Fahrzeuge werden erst im dritten Quartal 2023 ausgeliefert.

Zeitmaschine in Silverstone
Bei Lunaz werden bereits seit drei Jahren Oldtimer restauriert und mit einem Elektroantrieb fit gemacht für die neue Zeit.

Lunaz will mit dem Umbau-Programm allerdings nicht nur Oldtimer-Besitzer ansprechen. Das Unternehmen hofft eine Klientel anzusprechen, die sich für die Ästhetik alter Autos begeistert, aber deren technische Unzulänglichkeiten sie bislang von einem Kauf abschreckte. Mit dem Ansatz bietet die Lunaz Group auch Umrüstungen anderer britischer Autoikonen an: Seit 2018 wurden in Silverstone bereits historische Sportwagen von Bentley und Rolls-Royce, Range Rover und Jaguar auf Elektroantriebe umgebaut.

Die Wurzeln des Unternehmens, das nach der Tochter Luna von Firmengründer David Lorenz benannt ist, liegen übrigens in der Umrüstung von Müllwagen von britischen Entsorgungsunternehmen auf den emissionsfreien Antrieb.

Artikel teilen

1 Kommentar

  1. Jürgen Baumann

    Lieber einen lautlosen Nachtfalken als eine heulende Hyäne. Über Geschmack muss man manchmal auch streiten.

    Antworten

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert