Kolben und Kolbenringe, Ventile und Ventilsitzringe, Zylinderlaufbuchsen, auch Kraftstoffpumpen – all diese Komponenten fallen Autofahrern beim Stichwort Mahle ein. Doch „Kolben Mahle“ (Jahresumsatz 2022: 12,4 Milliarden Euro) kann längst mehr als Bauteile für Verbrennungskraftmaschinen. Seit der Übernahme der Behr GmbH, des Spezialisten für Fahrzeugklimatisierung und Motorkühlung vor zehn Jahren, hat das Unternehmen aus Bad Canstatt bei Stuttgart auch Systeme für das Thermomanagement von Batterien und den gesamten elektrischen Antriebsstrang im Lieferprogramm. Ebenso wie elektrische Antriebssysteme für Zweiräder, Pkws, Nutzfahrzeuge, mobile Arbeitsmaschinen oder Flurförderzeuge.

„Wir interessieren uns für alles, was Räder hat“, sagt Arnd Franz, Vorsitzender der Mahle Konzern-Geschäftsführung und CEO. Er beschwört auch gleich das Motto der Stuttgarter: „Efficiency in Motion“. Bei der Mobilität setzt der Zulieferer, der weltweit 152 Produktionsstandorte und knapp 72.000 Mitarbeiter unterhält, auf das „ausgeprägte Systemverständnis“ und die Elektromobilität. Beim „TechDay“ war damit auch ausdrücklich Wasserstoff gemeint.

Auf dem Prüfstand 
Mahle hat von Deutz einen ersten Auftrag für die Serienfertigung von Komponenten von Wasserstoffmotoren erhalten - Verbrennungskraftmaschinen, die klimafreundlich mit Wasserstoff betrieben werden. Fotos: Mahle
Auf dem Prüfstand
Mahle hat von Deutz einen ersten Auftrag für die Serienfertigung von Komponenten von Wasserstoffmotoren erhalten – Verbrennungskraftmaschinen, die klimafreundlich mit Wasserstoff betrieben werden. Fotos: Mahle

Gerade weil Mahle ein globales Unternehmen ist, gibt es sich betont technologieoffen. So sieht Franz den Trend, dass sich die Verbrennungsmotoren in die Schwellenländer verlagern. „Der Verbrennungsmotor bleibt uns für eine sehr lange Zeit erhalten, insbesondere im globalen Süden.“ Ganz klar sieht er auch Wasserstoff und alternative Kraftstoffe – als Ergänzung.

Bedeutung von Wasserstoff wächst

Im Jahr 2035 erwartet der Konzern hierzulande einen Anteil von rein batterieelektrischen Fahrzeugen und Fahrzeugen (Pkw und Lkw) mit Brennstoffzellenantrieb bei rund 50 Prozent. Immerhin rund 35 Prozent der Fahrzeuge werden nach der Prognose weiterhin von konventionellken Verbrennungsmotoren angetrieben, etwa ein Fünftel aller Fahrzeuge über einen Hybridantrieb verfügen.

Im Nutzfahrzeugsektor sieht der Mahle-Chef eine wachsende Bedeutung des Energieträgers Wasserstoff – sowohl beim Einsatz in der Brennstoffzelle wie auch bei direkter Verbrennung in einem Wasserstoffmotor: der könnte schneller in die Serie gebracht werden. Wichtig für die Dekarbonisierung des Straßenverkehrs seien neben Wasserstoff als nachhaltigem Kraftstoff aber auch synthetische Kraftstoffe – die sogenannten E-Fuels.

An mehreren Themeninseln gaben die Entwicklungsingenieure im Vorgriff auf die diesjährige IAA Mobility in München Einblicke in Neu- oder Weiterentwicklungen des Hauses.

Fortschreitende Elektrifizierung

Mahle elektrifiziert alles, was Räder hat, so der Anspruch. Vom E-Bike bis zur Land- und Baumaschine. Das Ziel sind kontakt- und verschleißfreie Elektromotoren, die zudem ohne seltene Erden auskommen. Einen Teil dazu leistet der MCT E-Motor (Magnet-Free Contactless Transmitter). Hinzu kommt ein weiterer Motor mit dem Motto: Power auf Dauer, oder im technischen Jargon die Superior Continuous Torque E-Engine. Dieser Motor, den Franz und Kollegen als Ausdauer-Champion bezeichnenn, wird erstmal mit dem MCT-Motor kombiniert.

Baukasten-Lösung
Der kleine und leichte Elektromotor von Mahle kann dank eines neuen Kühlkonzepts unbegrenzt lange mit hoher Leistung arbeiten. Auf Kundenwunsch kann er auch ohne den Einsatz Seltener Erden gebaut werden. Grafik: Mahle
Baukasten-Lösung
Der kleine und leichte Elektromotor von Mahle kann dank eines neuen Kühlkonzepts unbegrenzt lange mit hoher Leistung arbeiten. Auf Kundenwunsch kann er auch ohne den Einsatz Seltener Erden gebaut werden. Grafik: Mahle

„Mit diesem einzigartigen Baukasten für E-Motoren können wir unseren Kunden maßgeschneiderte Lösungen anbieten“, so Franz. Das Endergebnis seien Motoren mit mehr als 95 Prozent Effizienz. „70 Prozent unserer Mahle Patente des vergangenen Jahres fallen in den Bereich Elektrifizierung“, so der CEO. Für das Unternehmen sei die Elektrifzierung ein wichtiger Wachstumstreiber.

Thermomanagement mit bionischer Batteriekühlplatte

Ein neues integriertes Thermomanagement-Modul soll der Elektromobilität weiter auf die Sprünge helfen. Dieses reduziere die Systemkomplexität und könne bis zu 20 Prozent mehr Reichweite erzielen. Entwicklungsleiter Uli Christian Blessing sieht hier noch große Potenziale – auch um die Effizienz von Elektromotoren und die Lebensdauer von Elektromotoren zu erhöhen. Daneben arbeitet Mahle an einem innovativen Kühlkonzept für die Akkus von Elektroautos.

Wichtiges Element dabei eine neu konzipierte Batteriekühlplatte. Sie ist das größte Bauteil einer Batterie und ist für den Leistungskreislauf zuständig. Es handelt sich hierbei um eine hoch performante Immersionskühlung, die sich also in der Batterie befindet, nicht unter- oder oberhalb der Batterie wie üblicherweise. Das Konzept hilft unter anderem den Platzbedarf des Stromspeichers zu reduzieren, aber auch die Wärmeleistung um über zehn Prozent zu steigern. Die Anregung zu der bionischen Kühlplatte lieferte die Natur: Vorbilder sind die Struktur von Korallen und natürliche Flussverläufe.

Verbrennungsmotoren weiter optimieren

Trotz der Elektrifizierung sieht sich Mahle allerdings auch weiterhin als wichtiger Lieferant von Komponenten für konventionelle Antriebe. „Der Verbrennungsmotor und dessen Komponenten bleibt wichtig für die Dekarbonisierung der Welt“, ist CEO Franz überzeugt. Das Problem sei nicht der Motor, sondern der Kraftstoff. Große Hoffnung setzt er deshalb auf den Einsatz von Wasserstoff, vor allem im Nutzfahrzeugsektor. Land- und Baumaschinen, Mähdrescher und Bagger, könnten beispielsweise künftig klimaverträglich mit Wasserstoffmotoren betrieben werden. So hat Mahle kürzlich vom Motorenhersteller Deutz aus Köln einen Serienauftrag für die Entwicklung und Lieferung von Komponenten für Wasserstoffmotoren erhalten. Die so genannten Power Cell Units – Einheiten aus Kolben, Kolbenringpaket und Kolbenbolzen – sollen bereits im kommenden Jahr in stationären Wasserstoffmotoren zum Einsatz kommen. „Das Projekt zeigt“, so Franz, „dass es neben der Elektrifizierung weitere technologische Hebel gibt, Klimaneutralität zu erreichen.“ Und dass es auch in Zukunft einen Bedarf für Kolben gibt.

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