Der Aufbau des deutschen Lkw-Schnellladenetzes steht schon vor der offiziellen Ausschreibung vor Problemen. Insbesondere die zeitliche Sicherstellung der benötigten Netzanschlusskapazitäten sorgt für große Herausforderungen, wie Johannes Pallasch, Leiter Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur, bei einem Pressegespräch klarstellte. „Wie wir den Netzanschluss beschleunigt bekommen, ist unser zentrales Problem“, sagte Pallasch.

Das Problem: Durch den Ausbau der erneuerbaren Energien erreichen die Verteilnetzbetreiber bereits heute das Maximum ihrer Netzkapazitäten und investieren Millionen in den Ausbau der Netze. Für das E-Lkw-Schnellladenetz werden jedoch weitere Netzanschlüsse in „Kleinstadtgröße“ pro Ladestelle benötigt, wie Pallasch erklärte. Der Realisierungszeitraum beim Aufbau des Schnellladenetzes hängt somit von den Netzbetreibern und deren Netzkapazitäten ab. „Erst wenn wir alle Angebote auf dem Tisch liegen haben, wissen wir eigentlich, wie schnell wir das Ladenetz auf die Straße kriegen“, so Pallasch weiter.

Zeitrahmen ungewiss

Aufgrund dieser Problematik wollte sich Pallasch auch nicht auf einen zeitlichen Rahmen festlegen lassen. Die Ausschreibungen auf unbewirtschafteten Autobahnrastanlagen würden im September beginnen – bis dahin werden das Verkehrsministerium, die Autobahn GmbH und die Leitstelle noch den Markt konsultieren, sagte er. Mit dem Bau erster Infrastrukturen könne seiner Meinung nach frühestens 2026 begonnen werden. Die Netzanschlussproblematik sei dann jedoch nicht aus der Welt geschafft.

Strom für alle
Am „eTruck Charging Park“ von Mercedes-Benz Trucks in Wörth, der im Sommer 2022 eröffnet wurde, war der Stromanschluss kein Problem. Beim Aufbau des deutschlandweiten Ladenetzes für Lkw mit Batterieantrieb wird das aber die größte Herausforderung. Foto: EnBW
Strom für alle
Am „eTruck Charging Park“ von Mercedes-Benz Trucks in Wörth, der im Sommer 2022 eröffnet wurde, war der Stromanschluss kein Problem. Beim Aufbau des deutschlandweiten Ladenetzes für Lkw mit Batterieantrieb wird das aber die größte Herausforderung. Foto: EnBW

 „Wir werden an vielen Standorten mit den Verfahren längst durch sein, aber dort wird kein Strom liegen“, warnte Pallasch. Deshalb sei es auch wichtig, bereits jetzt mit der Herstellung der Netzanschlüsse zu beginnen. Es brauche „kreative Lösungen“, um die Netzanschlussproblematik in den Griff zu bekommen. „Wenn wir die Netzanschlüsse gemäß dem heutigen Verfahren planen, dann wird der Prozess zu lange dauern“, so der Leiter der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur. Speicherlösungen, der Übergang auf die Hochspannung an manchen Standorten sowie Bürokratieabbau seien seiner Meinung nach mögliche Lösungen.

Im Juni gab der Bund bekannt, an bundesweit 350 Standorten ein initiales Ladenetz für batterieelektrische Lkw aufbauen zu wollen. 130 Standorte sind dabei an unbewirtschafteten Autobahnrastanlagen vorgesehen, die Ausschreibungsbedingungen für 220 bewirtschaftete Rastanlagen sollen dem Modell der unbewirtschafteten Anlagen folgen. Insgesamt sollen etwa 1.800 Ladepunkte für das Megawatt-Laden per MCS und 2.400 Ladepunkte für das CCS-Laden mit bis zu 400 Kilowatt entstehen. Das würde einer bundesweiten Ladebedarfsdeckung des LKW- Fernverkehrs von rund zwei Dritteln entsprechen.

Ausschreibungsprämisse: Wettbewerb

Die Ausschreibung folgt dabei mehren Prämissen: Oberste Prämisse ist die Schaffung von Wettbewerb, um Monopole und damit hohe Preise zu vermeiden. Auch das Ausfallrisiko müsse minimiert werden. Um die Versorgung bundesweit sicherzustellen, ist eine ausgewogene räumliche Verteilung von Nöten. Daher ist geplant, das bundesdeutsche Gebiet in fünf sogenannte Lose zu unterteilen. Je Los müsse eine ausgewogene Anzahl an Standorten und Ladepunkten sichergestellt sein, erklärte Pallasch. Zudem werde der Bund Synergieschöpfung fördern, etwa durch gegenüberliegende Standorte im gleichen Los. Aufgrund dieser Prämissen sei es nötig, dass der Bund den Hochlauf des elektrischen Schwerlastverkehrs unterstütze.

In Kooperation mit dem Branchendienst energate.

Der wettbewerbliche Aufbau und Betrieb von Ladeinfrastruktur wie im Falle von Eon und MAN sei generell zu begrüßen. Weniger attraktive Standorte würden über die private Finanzierung jedoch das Nachsehen haben.

Die Vergabe der unbewirtschafteten Rastanlagen soll im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb geschehen. Das Wettbewerbsmodell um den Markt beinhaltet dabei die Kosten für die Errichtung und den Betrieb der Ladeinfrastruktur. Die Bieter auf die Flächen müssen demnach ein Angebot über ihre Zielvergütung für den Aufbau und den Betrieb der Ladeinfrastruktur abgeben, die Bieter mit dem günstigsten Modell erhalten je Los den Zuschlag. Die bezuschlagten Bieter erhalten anschließend ein Errichtungs- und Betriebsentgelt über den Bund.

Durchleitungsmodell wird Pflicht

Das Wettbewerbsmodell im Markt beinhaltet eine kleine Revolution: Erstmals werden Durchleitungsmodelle zur Pflicht. Das heißt, Nutzer der Ladeinfrastruktur können beim Ladevorgang den Stromanbieter ihrer Wahl auswählen und sind nicht mehr an die Preise des Ladepunktbetreibers (CPO) gebunden. Die Betreiber wiederum gehen auch nicht leer aus, sondern erhalten das Betriebs- und Wartungsentgelt durch den Bund. Der Clou an der Sache ist jedoch, dass der Bund sich über das sogenannte Infrastrukturentgelt refinanziert. Dieses zahlt der Endkunde – der Infrastrukturbetreiber gibt leitet die Einnahmen an den Bund weiter.

Der Ökostromanbieter Lichtblick wirbt seit längerem für ein solches Modell. Dementsprechend zeigte sich Markus Adam, der Chefjurist von Lichtblick, über die Regelung erfreut: „Mit diesem Ausschreibungsverfahren wird Historisches geschaffen. Die Angebotsvielfalt sorgt für mehr Akzeptanz und transparente Preise beim Laden von großen Strommengen unterwegs. Das wird sich als wahrer Booster für den klimafreundlichen Güterverkehr erweisen.“

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