Schon mal versucht, im Internet ein Tesla Model S zu konfigurieren? Geht ganz einfach. In vier Schritten wählt man den Antrieb, Außenlackierung und Felgendesign und dann noch die Farbgebung des Innenraums. Dann heißt es: Kontodaten eingeben und eine Anzahlung von 100 Euro zahlen. Seinen knapp 120.000 Euro teuren Traumwagen sieht man da noch mal kurz in einem kleinen Schema-Bildchen in geringer Auflösung – das war’s dann aber schon. Es gibt weder die Möglichkeit, das Auto virtuell zu Umrunden, geschweige denn die Möglichkeit, den Innenraum des Fahrzeugs zu erkunden oder es in virtueller Umgebung fahren zu lassen.

Man muss schon ein Tesla-Enthusiast sein, damit sich an diesem Punkt so etwas wie Vorfreude auf das angeblich beste Elektroauto der Welt einstellt. Dazu muss man schon vom Schreibtisch aufstehen und einen Tesla-Store in einer Großstadt aufsuchen.

Ganz anders wird in Kürze der Bestellprozess für den elektrischen Supersportwagen Evija von Lotus inszeniert. Interessenten wird das Auto hier in hochauflösenden, fotorealistischen Bildern und Animationen in allen Details präsentiert. Glitzernd, schimmernd, zum Anfassen schön. In unterschiedlicher Beleuchtung, auf Knopfdruck auf den schönsten Straßen der Welt. Die Türen lassen sich öffnen, viele Details einfügen und nach persönlichem Geschmack gestalten, in den verrücktesten Farben und mit den tollsten Materialien. Und wenn man sein Traumwagen endlich fertig konfiguriert hat – nach Stunden, so steht zu vermuten – lässt sich das Auto in einen Film integrieren, so dass es man es in voller Fahrt betrachten kann, vom Straßenrand aus oder aus der Vogelperspektive. So entsteht Vorfreude, so wird der digitale Autokauf zum Erlebnis.

Ok, das neue Elektroauto von Lotus ist fast 20mal so teuer wie ein Model S von Tesla und wird mit einem Kaufpreis von umgerechnet 1,88 Millionen Euro und einer Limitierung der Produktion auf 130 Exemplare für die meisten Normalsterblichen ein Traumwagen aus Bits und Bytes im virtuellen Raum bleiben. Aber allein schon die Verkaufstechnik setzt Maßstäbe – und stellt alles in den Schatten, was selbst größere Autohersteller als Tesla derzeit an Car-Konfiguratoren aufbieten. Billige Allerweltsware mit pixeligen Bildern, ruckeligen 360-Grad-Perspektiv-Ansichten, gespickt mit Fallen und nicht-Vereinbarkeiten. Es vermag dem Autoverkäufer Arbeit abnehmen – ersetzen können solche Tools bei weitem nicht.

Lotus machte einst in der Formel 1 Furore. Nun versucht die britische Sportwagenmarke mit einem elektrisch angetriebenen Hypercar und unter chinesischer Flagge an alten Ruhm anzuknüpfen. Elektroauto

Lotus bietet für seinen Konfigurator nicht nur eine Armada von VR-Spezialisten auf. Im Hintergrund arbeiten auch ultraschnelle Grafik-Prozessoren, die auch Computerspielen Beine machen. So wird es möglich, Kaufinteressenten das Auto auf dem Computerbildschirm in allen Blickwinkeln und allen denkbaren Lichtverhältnissen zu präsentieren, auch Geräusche einzuspielen, welche die ungeheure Dynamik des immerhin 2000 PS starken Fahrzeugs vermitteln. Von 0 auf 300 in neun Sekunden, von 100 auf 200 in weniger als vier Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit wird übrigens 340 km/h betragen.

Bis das nach Angeaben des Herstellers stärkste Elektroauto der Welt auf der Straße zu sehen sein wird, könnte es allerdings noch eine Weile dauern. Geplant war, die ersten Exemplare noch in diesem Sommer in Kundenhand zu geben. Aber wegen der Corona-Seuche ruht im neuen Lotus-Werk in Hethel, Norfolk, seit 24. März die Produktion.

Es gibt also noch ausreichend Gelegenheit, sich das Traumauto am Rechner zusammenzubauen. Voraussetzung ist allerdings, dass man dem Verkaufsteam von Lotus glaubhaft machen kann, dass man ein ernsthaftes Interesse am Fahrzeug hat und auch die nötige Finanzkraft besitzt. Denn der Zugang zu dem wunderbaren Car-Configurator im Internet ist nicht öffentlich, muss von einem Lotus-Mitarbeiter erst freigeschaltet werden. Und wenn dann noch Fragen offen sein sollten, kommt er – sobald die Corona-Krise überwunden ist – sogar eingeflogen, um die Details mit dem Kunden durchzusprechen. Was will man mehr?

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