So richtig rund läuft es noch nicht in Douai, dem Automobilwerk von Renault in Nordfrankreich. Zehn Millionen Automobile sind hier seit 1970 produziert worden, darunter der legendäre R5, der Renault 14 und der Renault 21. Douai ist auch die Heimat des Scenic: Seit 1997 wird der Kompaktvan in Flandern montiert, in den Hochzeiten liefen hier im Dreischichtbetrieb bis zu 2100 Fahrzeuge vom Band.
Der Renault Scenic wird in Douai immer noch gebaut, zusammen mit dem Großraum-Van Espace und der Mittelklasse-Limousine Talisman. Für Letzteren ist diese Woche (25. März) Schichtende, den beiden anderen Modelle bleiben noch zwei Jahre, bis sie aussortiert werden, wie Werkleiter Pierre-Emmanuel Andrieu verrät. Denn seit vergangenem Jahr ist das Werk Douai Teil des neuen Produktionsverbundes „ElectriCity“ – Verbrenner haben hier nichts mehr verloren. Statt dessen wird hier das neue Elektroauto Renault Mégane E-Tech gebaut. Später soll noch der Renault 5 EV, die vollelektrische Neuinterpretation des Kleinwagen-Klassikers aus den 1970er Jahren, hinzukommen. Und auch der neue Nissan Micra-e soll in Douai eine neue Heimat finden – die neue, gemeinsam entwickelte Plattform CMF-BEV macht’s möglich.
Aber zunächst einmal muss der neue Renault Mégane E-Tech Fahrt aufnehmen. Im Mai kommt der neue Mittelklasse-Stromer in Frankreich in den Handel, im Juni in Deutschland. Da gilt es nun, die Ausstellungsfahrzeuge und Vorführwagen in ausreichender Stückzahl zu produzieren – und die Produktion in Douai langsam wieder hochzufahren.
„Renaulution“ brachte neues Sozialmodell
Im vergangenen Jahr waren die Kapazitäten des Werks (300.000 Autos im Jahr) nur zu etwa zehn Prozent ausgelastet. Weil die Nachfrage nach Scenic, Espace und Talisman stark eingebrochen war. Aber auch, weil das Werk und seine Beschäftigten auf das neue Kapitel in der Firmengeschichte vorbereitet werden mussten. So gingen der Gründung von ElecitrCity intensive Gespräche mit den Gewerkschaften voraus: Um die drei Werke Douai, Maubeuge und Ruitz zum wettbewerbs- und leistungsfähigsten Standort für Elektroautos in Europa zu machen, mussten die Löhne und Konditionen neu verhandelt werden. Die „Renaulution“ brachte den rund 5000 Beschäftigten der drei Werke (davon 2800 in Douai) zwar die 35-Stunden-Woche, aber auch eine Absenkung des Lohnniveaus: Was tut man nicht alles, um die Zukunft zu sichern. Die Gespräche mit den Gewerkschaften sollen entsprechend kurz gewesen sein.
Um wie viel günstiger die Fahrzeugproduktion in Douai durch das neue „Sozialmodell“ nun ist, mag Luciano Biondo. der Direktor von ElectriCity nicht sagen. Er verweist lieber darauf, dass für die Batterie-Werkstatt im Obergeschoss des Automobilwerks neue Kräfte eingestellt wurden. Und noch mehr sollen kommen, wenn die Produktion in den kommenden Wochen wieder auf einen Zweischicht-Betrieb umgestellt wird. Derzeit werden auch wegen des Mangels an Computerchips und Kabelbäumen im Einschichtbetrieb nur etwa 30 Autos pro Stunde gebaut – das nächste Ziel ist eine Tagesproduktion von 420 Fahrzeugen.
Renault baut neue Batteriefabrik mit Envision
Zugute kommen soll die Produktionssteigerung natürlich vor allem dem Mégane E-Tech. Für den neuen Hoffnungsträger und den Umbau des Werks auf eine hochautomatisierte Fertigung nach den Standards der Allianz mit Nissan und Mitsubishi hat Renault 550 Millionen Euro in die Hand genommen. Neben dem Mégane E-Tech, dem R5 Electric sowie dem Nissan e-Micra könnten also in Douai noch weitere Elektroautos produziert werden. Angepeilt wird immerhin eine Jahresproduktion von 400.000 Elektroautos im Jahr 2025.
Dazu wird in unmittelbarer Nachbarschaft des Werks im kommenden Jahr eine komplett neue Batteriefabrik entstehen – die Grundsteinlegung für das Gemeinschaftswerk mit Envision AESC soll noch in diesem Sommer erfolgen. Ein weiteres Batteriewerk ist in Dünkirchen geplant: Zusammen mit dem französischen Start-up Verkor sollen dort Hochleistungszellen eines neuen Typs produziert werden. Derzeit fährt der Mégane E-Tech noch mit Lithium-Ionen-Zellen, die der südkoreanische Hersteller LG Chem im polnischen Koberwitz bei Breslau fertigt.
Klimaneutrale Produktion dank Atomstrom
Parallel dazu arbeitet Renault intensiv daran, unter anderem mit Hilfe von Photovoltaik-Anlagen über den Parkplatz-Flächen den CO2-Fußabdruck der Fahrzeugproduktion zu senken. Windräder stehen im Umland inzwischen zwar reichlich. 99 Prozent des benötigten Stroms aber bezieht das Werk aber noch „aus dem Netz“ – und der wird, wie Werkleiter Andrieu einräumt, zu „99 Prozent“ mithilfe der Kernkraft erzeugt.