Dass die erste, seit 2012 produzierte Generation des Kleintransporters Citan ein Erfolg war, wird auch bei Mercedes-Benz kaum mehr jemand sagen wollen. Die eher schwachen und rauen Motoren und Getriebe kamen von Renault, die Verarbeitsqualität des im französischen Maubeuge produzierten Schwestermodells des Renault Kangoo war alles andere als Premium. Zudem attestierte der ADAC dem Auto nach einem Crashtest „große Schwächen und Sicherheitsmängel“. In seiner jetzigen Form sei der Kastenwagen „grauenhaft“ und „nicht markenstärkend“, ätzte vor ein paar Jahren selbst ein Daimler-Veteran: „Das ist kein Mercedes“.
Nur der Preis des Kastenwagens, der in einer Variante ohne blanke Bleche, dafür großen Glasflächen, Schiebetüren und Klimaanlageauch als Familienkutsche angeboten wurde, war Mercedes-typisch: Wenigstens 17.445 Euro kostete die Nutzfahrzeugversion „Worker“, die Preise für den Familien-Tourer begannen bei 22.598 Euro. Die vergleichbaren Varianten des Renault Kangoo gab es etwa 3000 Euro günstiger.
Doch in der zweiten Generation soll der „City-Titan“ deutlich besser, deutlich wertiger, in jeder Beziehung „typisch Mercedes“ werden. Nicht nur preislich´ (die Rede ist von einem Basispreis um die 24.000 Euro), sondern auch optisch, qualitativ und sicherheitstechnisch. Ab Mitte September ist der neue Citan bestellbar, zum Jahresende wird er beim Mercedes-Händler stehen – deutlich später als der Renault Kangoo, der bereits ausgeliefert wird. Und erstmals wird der Kastenwagen als e-Citan ab Spätherbst (4. Quartal) kommenden Jahres auch mit einem vollelektrischen Antrieb verfügbar sein. Eine aus acht Modulen bestehende Lithium-Ionen-Batterie mit einer Speicherkapazität von 44 Kilowattstunden (kWh) soll für Reichweiten um die 285 Kilometer sorgen.
Der eCitan kommt mit gleichem Akku weiter als der Kangoo
Der elektrische Kangoo E-Tech verfügt zwar über den gleichen 75 kW (102PS) starken Elektromotor und das identische Akkupaket, kommt aber damit nur 265 Kilometer weit. „Wir fahren andere Kennlinien“, verrät Baureihenleiter Dirk Hipp bei der Vorab-Präsentation des Autos in der Nähe von Frankfurt. Die Kooperation mit Renault sei bei der Entwicklung des eCitan gleichwohl sehr hilfreich gewesen: „Wir konnten von deren Erfahrungen sehr viel lernen.“ Stimmt: Die Franzosen bieten den Kangoo schon seit zehn Jahren mit Elektroantrieb an. 60.000 Exemplare allein dieser wurden in den zurückliegenden zehn Jahren verkauft, eines davon unter anderem an den Papst in Rom. Die aktuelle Version des Renault Kangoo E-Tech kommt auf eine elektrische Reichweite von bis zu 230 Kilometern. Und die Preise beginnen bei 29.720 Euro.
Was der eCitan von Mercedes kosten wird, steht noch nicht fest – zu rechnen ist mit einem Aufpreis um die 9000 Euro, der aber durch die Umweltprämie wettgemacht werden sollte. Dafür sind aber eine ganze Reihe anderer Dinge schon bekannt. Geladen wird der Akku über einen Anschluss, der in der Frontmaske unter dem Mercedes-Stern sitzt, in der Basisversion mit 11 kW, gegen Aufpreis und (dann einer flüssigkeits- statt luftgekühlten Batterie) mit 22 kW an einer Wallbox. Auch eine Schnelllademöglichkeit ist vorgesehen:
CCS-Schnellladeanschluss nur gegen Aufpreis
Gegen einen noch nicht bezifferten Aufpreis kann an Schnellladesäulen der Akku über einen CCS-Anschluss mit einer Ladeleistung von bis zu 75 kW befüllt werden. Ob Handwerker und Kurierfahrer den Service brauchen, bleibt abzuwarten: Bei Mercedes gehen die Ingenieure davon aus, dass der maximal 130 km/h schnelle Stromer überwiegend im Regionalverkehr eingesetzt werden wird. Für längere Strecken sind vorerst noch verbrauchsoptimierte Diesel- und Benzinaggregate mit bis zu 96 kW (131 PS) im Angebot, die für Höchstgeschwindigkeit von bis zu 183 km/h ausgelegt sind.
Sehen lassen kann sich aber auch das Platzangebot – für die Fahrer und Passagiere, aber auch für die zu transportierenden Güter im Gepäckabteil. Beides ist gegenüber dem Vorgängermodell deutlich gewachsen, auch in der Version mit kurzem Radstand (2,71 Meter), die zunächst angeboten wird. Beim Kastenwagen ist der Laderaum über drei Meter lang – zwei Paletten mit 2,9 Kubikmeter Volumen sollen sich hier leicht vertauen lassen. Bis zu 752 Kilogramm Gewicht lassen sich hier einladen. Das kann sich sehen lassen. Später sollen Varianten mit langem Radstand sowie eine Mixto-Version nachgereicht werden, aber auch ein kompakter Camper mit Kochmodul und Schlafmöglichkeit für zwei Personen – zu sehen auf der Caravan-Messe in Düsseldorf.
Sicherheit wird diesmal groß geschrieben
Deutlich aufgewertet wurde auch der Arbeitsplatz des Fahrers. Auf Wunsch – und Aufpreis, versteht sich – gibt es das MBUX genannnte Infotainmentsystem mit Sprachassistenten und Touchscreen, superbequeme Sitze, jede Menge Ablagen und Oberflächen mit feinerer Haptik, gerne auch ein wenig Chrom. Wichtiger aber sind sicherlich die zahlreichen Sicherheitssysteme, über die der neue Citan verfügt. Der Tourer bekommt serienmäßig einen Mittenairbag zum Schutz bei Seitenkollissionen, beim Kastenwagen sind immerhin serienmäßig sechs Airbags an Bord. Ab Werk gibt es ohne Aufpreis zudem eine Berganfahr-Hilfe, einen Müdikteitswarner und einen Seitenwind -Aisstenten. Gegen Aufpreis sind aber auch Brems- und Spurhalte-Assistenten verfügbar, ein radargestützter Tempomat sowie ein aktiver Lenkassistent – das ganze Portfolio an Helferlein, wie man sie auch von den Pkw von Mercedes-Benz kennt.
Keine Frage: Der Neue ist diesmal deutlich mehr Mercedes als Renault.