Die meisten angesagten chinesischen Autohersteller spucken weltweit große Töne, aber auf dem deutschen Markt sind selbst Elektroautos von BYD noch in der Minderheit. Besser sieht es für MG Motor aus. Das Unternehmen meldete bei uns für 2024 fast 21.000 Neuzulassungen und konnte im ersten Quartal dieses Jahres trotz eines relativ grusligen Marktumfelds sowie Strafsteuern der EU mit einem Plus von 23,8 Prozent noch einmal kräftig zulegen. Europaweit gab es sogar einen Zuwachs von über 50 Prozent bei den Neuzulassungen.

Kein Wunder, dass dieser chinesische Laden so richtig brummt. Denn aktuell arbeitet MG hierzulande schon mit über 160 Händlern zusammen. Und das bringt natürlich eine hübsche Präsenz. In Berlin zum Beispiel durch die Koch-Gruppe, die immer einen guten Riecher für lukrative Geschäftsideen hat. Noch in diesem Jahr wollen die Chinesen auf 180 bis 200, langfristig sogar auf 300 Vertriebspartner in Deutschland kommen. Ganz abgesehen davon, dass MG Motor schlauerweise das volle Antriebsprogramm offeriert – vom reinen Stromer über diverse Hybride bis hin zum sparsamen Benziner. Technologieoffenheit ist ein Trumpf der Chinesen.

Auf 100 in acht Sekunden
Der MGS5 ist erst einmal ausschließlich mit Heckantrieb zu haben. Immerhin in zwei Leistungsstufen, mit 125 kW oder 170 kW.
Auf 100 in acht Sekunden
Der MGS5 ist erst einmal ausschließlich mit Heckantrieb zu haben. Immerhin in zwei Leistungsstufen, mit 125 kW oder 170 kW.

Natürlich profitieren sie bei MG auch von ihrer urbritischen Vergangenheit. Denn ursprünglich hatte MG („Morris Garages“) speziell mit den Roadstern (TC, TF, MGA, MGB und so) doch ziemlich heiße Eisen im Feuer. So gesehen klingt das Kürzel MG deshalb immer noch reizvoll, obwohl die Marke schon seit Jahren zum chinesischen Autoriesen SAIC (Shanghai Automotive Industry Corporation) gehört und manch einer sich puterrot echauffiert, wenn er das klassische MG-Logo an einem chinesischen Auto sieht.

Viel Platz auf 4,47 Metern Länge

Genug der notwendigen Vorrede. Jedenfalls kommt der neue MGS5 EV, den wir im warmen Südfrankreich über rund 150 Kilometer gefahren haben, jetzt gerade richtig. Er ist quasi der legitime Nachfolger des MG ZS EV und soll Ende Mai bei den deutschen Händlern zu haben sein. Die offiziellen Bilder sind raus, aber in natura sieht dieser 4,47 Meter lange, 1,84 Meter breite und 1,62 Meter hohe SUV erst recht ziemlich schneidig aus. Mit seiner leicht bösen Haifischnase und den sehr scharf geschnittenen Scheinwerfern (LED-Technik, automatisch abblendend) an der Front und dem Bumerang-Leuchtenfinale am Heck.

Im Frühtau zu Berge
Dank des geringen Gewichts um die 1800 Kilogramm geht der bis zu 190 km/h schnelle Stromer recht entspannt um die Ecken.
Im Frühtau zu Berge
Dank des geringen Gewichts um die 1800 Kilogramm geht der bis zu 190 km/h schnelle Stromer recht entspannt um die Ecken.

Der lange Radstand von 2,73 Metern soll für spürbar mehr Platz im Innenraum sorgen, der Kofferraum fasst im Normalzustand 453 Liter, bei umgelegten Rückbanklehnen (teilbar im einfachen Verhältnis 60:40) wächst das Volumen auf ordentliche 1441 Liter. Praktisch ist das zusätzliche Fach unterhalb des Ladebodens, das sich in zwei Positionen arretieren lässt. In dem sich dann Ladekabel oder diverse Kleinteile verschwinden können. Viele Stauräume und -kästen gibt es auch, aber einen „Frunk“, diese bei vielen Rivalen praktische Stauhöhle unter der Fronthaube, findet sich hier leider nicht. Obwohl es da vorn doch ziemlich luftig aussieht.

Verarbeitung auf Audi-Niveau

Los geht’s. Unser erster positiver Punkt: Der Einstieg ist überall bequem, denn sämtliche Türen öffnen sich fast im rechten Winkel. Und tatsächlich gibt es dann drinnen auf allen Plätzen viel Bewegungsfreiheit. Hinten können selbst drei groß geratene Erwachsene entspannt nebeneinander sitzen, auch wenn der Boden für unsere Füße – typisch Elektroauto wegen der Batterie da unten – etwas unbequem hoch liegt. Vorn gibt es großzügige, ernsthaft langstreckentaugliche Sitze mit angenehm weichen Kunstleder-Bezügen.

Alles im Blick 
Das Cockpit ist minimalistisch gestaltet, die Bedienung gibt dem Fahrer aber keine Rätsel auf. Die Logik des Infotainment-Systems sollte jeder schnell kapieren: Alles Digitale stimmt, nichts müsste unbedingt anders sein.
Alles im Blick
Das Cockpit ist minimalistisch gestaltet, die Bedienung gibt dem Fahrer aber keine Rätsel auf. Die Logik des Infotainment-Systems sollte jeder schnell kapieren: Alles Digitale stimmt, nichts müsste unbedingt anders sein.

Auffällig ist: Die Verarbeitung rund um das minimalistische Cockpit ist exzellent, was uns an die Audi-Modelle früherer Zeiten erinnert. Softe Flächen, feine Passungen und draußen solide Türgriffe. Alles Lichtjahre entfernt von dem englischen Kram der frühen und mittleren MG-Jahre. Allein dieser extrem schlanke, obercoole Fingerschmeichler für die Regelung von Temperatur, Lüftung und Lautstärke. Feine physische Tasten und zart klickende Drehregler. Dazu auf der Mittelkonsole dieser große griffige Drehregler für die Gangwahl.

iSMART statt Ambientebeleuchtung

Vor uns das coole Fahrerdisplay (10,25 Zoll) mit den Anzeigen von Speed, Stromverbrauch und so. Und mittig das 12,8 Zoll große, reaktionsschnelle Infotainment-HD-Display, dessen Logik wir ziemlich schnell kapieren. Keine Hilferufe, keine Klagen, keine Stolperstellen. Alles Digitale stimmt, nichts müsste unbedingt anders sein. Es gibt in diesem Auto zwar keine schummrige Ambientebeleuchtung, aber wir haben sie auch nicht vermisst.

Ganz luftig 
Drinnen gibt es auf allen Plätzen viel Bewegungsfreiheit. Hinten können selbst drei groß geratene Erwachsene entspannt nebeneinander sitzen, auch wenn der Boden für unsere Füße - wegen der Batterie darunter - etwas unbequem hoch liegt.
Ganz luftig
Drinnen gibt es auf allen Plätzen viel Bewegungsfreiheit. Hinten können selbst drei groß geratene Erwachsene entspannt nebeneinander sitzen, auch wenn der Boden für unsere Füße – wegen der Batterie darunter – etwas unbequem hoch liegt.

Viel wichtiger ist da wohl iSMART, das eine schnelle, intelligente und bequeme Interaktion zwischen Fahrer und Fahrzeug mit unserem Smartphone ermöglicht. Es offeriert die Möglichkeit, den MGS5 EV aus der Ferne zu ver- und entriegeln, zu lokalisieren, die Klimaanlage vor der Fahrt zu programmieren, eine exakte Ladeplanung zu erstellen und nebenbei wichtige Informationen wie die Reichweite, den Ladezustand der Batterie und den Reifendruck zu checken.

Akkus mit 47,1 und 62,1 kWh Kapazität

Und die elektrische Grundstruktur des MGS5 EV? Basiert auf der aktuellen MSP-Architektur (Modular Scalable Platform) von MG, die auch schon in der MG4-Limousine und im rasanten Cyberster im Einsatz ist. Wobei unser Modell erst einmal ausschließlich mit Heckantrieb zu haben ist. Immerhin gibt es zwei Leistungsstufen: Die Standard-Range-Version Comfort offeriert 125 kW (also rund 170 PS) Antriebsleistung sowie 250 Newtonmeter Drehmoment. Null bis Tempo 100? Geht hier in glatt acht Sekunden. Das Ganze im Bunde mit einer Lithium-Eisenphosphat-Batterie mit der Kapazität von 49 kWh (netto 47,1 kWh), die im Idealfall für eine Reichweite von 340 Kilometer taugen soll. Laden an der DC-Schnellladesäule soll, so das Versprechen, von 10 bis 80 Prozent mit maximal 120 kW in 24 Minuten erledigt sein. An der Wallbox mit 7 kW dauert eine Vollladung dann allerdings rund achteinhalb Stunden.

Glatte Sache 
Der Kofferraum des MGS5 reicht völlig für das Reisegepäck einer fünfköpfigen Familie. Nur die Zuladung ist mit maximal 370 Kilogramm nicht so doll. Zumindest nicht für europäische Verhältnisse. Da hatten die Entwickler wohl kleine und schlanke Chinesen vor Augen.
Glatte Sache
Der Kofferraum des MGS5 reicht völlig für das Reisegepäck einer fünfköpfigen Familie. Nur die Zuladung ist mit maximal 370 Kilogramm nicht so doll. Zumindest nicht für europäische Verhältnisse. Da hatten die Entwickler wohl kleine und schlanke Chinesen vor Augen.

Die größere Lithium-Batterie des MGS5 EV, die auf eine Nickel-Kobalt-Mangan (NMC)-Chemie setzt, kommt mit 64 kWh (62,1 kWh netto). Gibt es jedoch nur für die beiden Long-Range-Versionen. Sie soll im günstigsten Fall eine elektrische Reichweite von 480 Kilometern ermöglichen. Nicht übel in dieser Klasse. Sie lädt allerdings lediglich mit 139 kW. Doch von zehn auf 80 Prozent in schlanken 28 Minuten. Das spricht in beiden Fällen für eine ideale Ladekurve, auch wenn der maximale Ladespeed von diversen Rivalen deutlich übertroffen wird. Generell ist die größere Batterie auch mit einem stärkeren Motor (Permanentmagnet-Synchronmaschine) kombiniert, der in diesem Fall 170 kW (231 PS) leistet und auf satte 350 Newtonmeter Drehmoment setzt.

Reaktionsschneller Antrieb

Wirklich schade jedoch, dass es hier für die beiden einfacheren Modelle keine Wärmepumpe gibt. Ergo dürfte sich bei denen die Reichweite der Stromer im frostigen Winter, wenn die Batterie viel mehr Energie fürs profane Heizen des Autos verballern muss, deutlich reduzieren. Nur die Luxury-Topversion hat die Wärmepumpe inklusive.

Ab zum Thema Fahrverhalten. Prinzipiell reagiert dieser neue China-MG betont komfortabel, bei Bedarf sogar relativ sportlich. Straff abgestimmt, aber selbst auf fiesen Pisten kein Poltergeist. Dabei ist dieser extrem leise Stromer, wir fahren die stärkere Version, nun wirklich nicht übertrieben motorisiert, aber seine Spitzenleistung von 170 kW reicht locker für zügiges Vorankommen. Die Sprintzeit auf Tempo Hundert ist mit 6,3 Sekunden absolut okay.

Kein Grund zur Klage 
Auf unseren Tester Wolfgang Eschment macht der neue Kompakt-SUV von MG schon einen sehr reifen Eindruck.
Kein Grund zur Klage
Auf unseren Tester Wolfgang Eschment macht der neue Kompakt-SUV von MG schon einen sehr reifen Eindruck.

Das volle Drehmoment, so beteuern die Techniker der Chinesen, soll hier in weniger als 50 Millisekunden anliegen, was „eine beeindruckende Beschleunigung“ ermöglichen soll. Tatsächlich macht dieser stromernde MG im Sportmodus bestens Betrieb, hängt da beim Ampelstart locker jeden Verbrenner ab. Klar, in den Modi Normal und Comfort geht es spürbar relaxter zu. Und erfreulicherweise reicht die Rekuperation hier bei Bedarf bis zum One-Pedal-Modus, der auf dem großen Touch-Display schnell und unkompliziert wählbar ist. Elektrische Energierückgewinnung bis zum Stillstand des MGS5.

Maximale Zuladung von 370 Kilogramm

Und für ein chinesisches Auto, das mit seinem Maximalgewicht je nach Ausstattung nur zwischen 1710 und 1800 Kilo wiegen soll, geht dieser bis zu 190 km/h schnelle Stromer (Basismodell: 170 km/h) recht entspannt um die Ecken. Klar, da macht sich auch diese handliche Gewichtsverteilung zwischen Vorder- und Hinterachse, 47 zu 53 Prozent, positiv bemerkbar. Und für einen Fernostler arbeitet auch die Lenkung dieses Hochsitzers mit jederzeit spürbarer Rückmeldung bemerkenswert präzise. Bei dieser Gelegenheit sollten wir noch unbedingt den mit 10,53 Metern erfreulich kleinen Wendekreis des SUV erwähnen. Nur die Zuladung ist mit maximal 370 Kilogramm nicht so doll, da hatten sie bei der Entwicklung wohl mehr die Körpergewichte der eher kleinen und leichten Chinesen im Hinterkopf.

Scharfes Ende 
Der 4,47 Meter lange SUV sieht recht schneidig aus. Mit seiner leicht bösen Haifischnase und den sehr scharf geschnittenen Scheinwerfern an der Front und dem Bumerang-Leuchtenfinale am Heck. Bei uns wird er ausschließlich mit Batterieantrieb angeboten.
Scharfes Ende
Der 4,47 Meter lange SUV sieht recht schneidig aus. Mit seiner leicht bösen Haifischnase und den sehr scharf geschnittenen Scheinwerfern an der Front und dem Bumerang-Leuchtenfinale am Heck. Bei uns wird er ausschließlich mit Batterieantrieb angeboten.

Gern genutzt haben wir am MGS5 EV die Option „MG Pilot Custom“, die es ermöglicht, bevorzugte Funktionen easy anzupassen oder zu speichern. Oder einfach abzuwählen. Generell sind Fahrer-Assistenzsysteme hier ungewöhnlich üppig vertreten. Egal ob Notbremsautomatik, Spurhalter, Tote-Winkel-Erkennung, Querverkehrswarner, Verkehrszeichenerkenner, Stauassi oder adaptiver Tempomat – alles inklusive. Kostet woanders schon mal heftig Aufpreis. Und klar, Apples CarPlay und Android Auto werden jederzeit kabellos ruck, zuck bedient. Für die speziell bei unseren Kids so beliebten Apps von YouTube, Spotify oder TikTok.

Effizienzstrategie für hohe Reichweite

Und der Stromverbrauch? Offiziell sind hier schon mal günstige Werte zwischen 15,5 und 16 kWh angesagt. Für den MGS5 EV, so heißt es in den technischen Unterlagen, wurde „eine besondere Effizienzstrategie zur Optimierung der Reichweite entwickelt“. Allein die neuen Lager sollen den Rollwiderstand um 25 Prozent gegenüber den Vorgängermodellen reduziert haben. Und tatsächlich kommen wir mit einem Schnitt von rund 16 kWh über die Runden. Allerdings, das muss ehrlicherweise erwähnt werden, bei batteriefreundlichen 20 Grad Celsius und einem eher gemütlichen Verkehr auf leeren Landstraßen. Nur in den hier eingeplanten Gebirgspisten kratzten wir mal an der Marke von 26 kWh.

Ein Hauch von Audi 
Softe Flächen, feine Passungen - nichts erinnert im Innenraum des MGS5 an die zum Teil lausige Qualität, die von der Marke einst unter britischer Regie geboten wurde. Fotos: MG Motor
Ein Hauch von Audi
Softe Flächen, feine Passungen – nichts erinnert im Innenraum des MGS5 an die zum Teil lausige Qualität, die von der Marke einst unter britischer Regie geboten wurde. Fotos: MG Motor

So, jetzt müssen wir übers Geld reden. Die Comfort-Version mit der kleineren Batterie steigt bei 37.990 Euro ein. Die stärkere, ausdauernde Long-Range-Variante verlangt nach 42.990 Euro. Und fürs Luxury-Topmodell mit beheizbaren Vordersitzen, beheizbarem Lenkrad, 360-Grad-Kamera, 18-Zoll-Leichtmetallrädern (normal 17 Zoll) und weiteren feinen Details sind 44.990 Euro fällig.

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Allradversion kommt später

Auch beim Finanziellen liegt dieser vorzeigbare MGS5 also gut im Rennen, da können Sie sich zum Vergleich gern mal die Preislisten der deutschen Konkurrenz anschauen. Wobei außerdem mit besonders günstigen Leasing-Angeboten zu rechnen sein dürfte, haben wir gehört. Ganz wichtig, denn bislang werden die MG-Modelle zu gut 90 Prozent übers Leasing vertickt. Losgehen soll’s bei diesem Stromer bei monatlichen 259 Euro (4 Jahre, jeweils nur 5000 Kilometer).

Und falls bei ihnen jetzt noch die Frage nach einem Allradantrieb auftaucht: Da muss MG Motor erst einmal enttäuschen. Aber ein Jahr später, so hören wir, könnte (MG-Stichwort „XPower“) mit einem zweiten Motor im luftigen Vorderwagen (wir haben es erwähnt) und einer Gesamtleistung von gut über 400 PS zu rechnen sein.

Wir sind auch gespannt auf die nächsten Modelle, nachdem es sich herumgesprochen hat, dass Jozef Kabań, 51, neuer MG-Chefdesigner ist. Wir haben ihn noch als Designer von Audi, Skoda, BMW, Rolls Royce und Volkswagen in bester Erinnerung. Arbeit hat er genug: In den nächsten drei Jahren sollen bei MG Motor gleich 17 neue Modelle marktreif sein. Darunter auch die Serienversion der auf dem MG-Roadster Cyberster basierenden Coupé-Studie Cyber GTS. Sie soll noch in diesem Jahr in Produktion gehen. Und definitiv auch zu uns nach Deutschland kommen.

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