Wenn Stellantis die Marke Lancia eingestellt hätte, wäre der Aufschrei in der Automobilwelt wohl sehr überschaubar geblieben. Doch das Führungsdoppel aus Carlos Tavares als Konzern- und Luca Napolitano als Marken-CEO belebte die Traditionsmarke neu, die mittlerweile nur noch in Italien mit einem betagten Einzelstück im Markt vertreten ist. Und dieser Ypsilon kriegt nicht nur ein neues Gewand, sondern auch gleich einen Elektroantrieb, wie man ihn schon von den Stellantis-Schwestermodellen Opel Corsa Electric, Citroen e-C3 oder Peugeot e-208 kennt. Damit wagt der Autobianchi-Nachfahre dann auch wieder den Sprung über die Landesgrenzen – um den Weg zu bereiten für einen Neustart der Marke in ganz Europa.
Optisch ist der neue Lancia Y auf jeden Fall ein Hingucker. Er ist zwar nicht mehr so klein, nicht mehr so niedlich wie seine Vorgänger. Doch wer einen Lancia Y fährt, fällt auch zukünftig im Straßenverkehr auf. Der italo-geneigte Kunde hat die Wahl zwischen einem reinen Elektroantrieb und einem kleinen Benziner mit Elektrounterstützung, der insbesondere den Heimatmarkt beruhigen soll. Im vergangenen Jahr belegte der ausgelaufene Y mit mehr als 45.000 Einheiten immerhin noch Platz drei in der italienischen Zulassungsstatistik.
Da darf beim Nachfolgemodell nichts anbrennen und eine reine Elektroversion hätte nicht nur wegen seines hohen Preises die italienischen Bestandskunden verprellt. Denn statt rund 17.000 Euro wie das aktuelle Modell kostet der Neue in der Elektroversion exakt das Doppelte: Bei 34.000 Euro geht in Italien der Spaß los. Das ist Immer noch ein stattliches Aufgeld von rund 10.000 Euro gegenüber dem mildhybriden Verbrenner. Da die Ladeinfrastruktur in Italien südlich von Turin immer noch stattliche Lücken aufweist, dürften sich auf dem Heimatmarkt die allermeisten Lancia-Kunden für die Hybridversion entscheiden, die nach Abzug von lokalen Zuschüssen 20.900 Euro kosten soll.
Antriebe kennt man schon von Opel und Peugeot
Europaweit sieht das anders aus, denn hier will Lancia bis 2028 zur reinen Elektromarke werden. Die größeren Modelle Delta und Gamma sind bereits in der Entwicklung, der elektrische Ypsilon ist nur die Vorhut. Mit dem 115 kW oder 156 PS starken Elektromotor an der Vorderachse ist der 4,08 Meter lange Kleinwagen flott unterwegs und somit perfekt für Touren durch Mailand, Turin oder Rom: Mehr Leistung braucht ein Cityflitzer kaum zu bieten.
Das gilt auch für die Reichweite von 400 Kilometern und eine Höchstgeschwindigkeit von 150 km/h. Selbst das lahme Ladetempo von maximal 100 kW fällt im urbanen Umfeld kaum ins Gewicht, da hier meist zuhause an der Wallbox geladen wird. Und lange Autobahnfahrten, bei denen die 100 kW DC-Ladung nerven würden, die sind wohl eher selten mit dem 54-kWh-Akkupaket zwischen den Achsen.
Originell ist nur das Design
Dabei ist der Reisekomfort des Y-Modells mehr als in Ordnung. Solide Sitze mit Heizung sowie Massage, ordentliche Displays und eine einfache Bedienung – hier kann der in Spanien produzierte Italiener allemal glänzen. Die Abstimmung von Federn und Dämpfern ist dabei ungeahnt stramm, wobei die Lenkung sehr leichtgängig ist. Der niedrige Schwerpunkt ist klasse und wer es flott angehen lässt, kann dem Lancia Y auch auf der Landstraße einiges abverlangen.
Der Ypsilon punktet mit seinem italienischen Design, dem Premiumanspruch der Marke wird er allerdings nur ansatzweise gerecht. Viele Oberfläche im Innenraum wirken eher billig, jedenfalls nicht besser als die im Peugeot 208 oder Opel Corsa. Und besondere technische Finessen – mit denen die Marke in den 1950er und 1960er-Jahren glänzte – sucht man im Ypsilon vergebens. Praktisch und nett anzuschauen ist die kreisrunde Ablage in der Mitte der Armaturentafel, die hinten das Smartphone lädt und vorne Ablageplatz für Schüssel oder Kleingeld bietet.
Deutschland ist erst 2025 dran
In der Etage darüber liefern die beiden 10,25-Zoll-Bildschirm Informationen über alles Wichtige. Der Kofferraum bietet mit einem Volumen von 340 Litern Platz für Einkäufe oder das Wochenendgepäck – mehr erwartet man von einem Auto dieser Größenordnung nicht. Abwarten, wie sich der Neuling schlägt und ob der Neustart der Marke gelingt.
Nach Deutschland kommt der Lancia Y übrigens erst im Frühjahr kommenden Jahres. Da bleibt noch viel Zeit, die Verkaufspreise und Leasingraten zu kalkulieren – und den Markt für die Rückkehr von Lancia vorzubereiten.