Unsere Städte ertrinken in einem Meer aus SUVs. Denn immer mehr übergewichtige Möchtegern-Geländewagen verstopfen die Straßen und stellen in den Parkhäusern die Plätze zu. Opel ist daran nicht ganz unbeteiligt – der Grandland X ist mit einem Absatz von rund 300.000 Exemplaren eines der erfolgreichsten Modelle in dem Marktsegment und ein echter Renditebringer. Dennoch leitet das Traditionsunternehmer, das seit 2017 zur französischen PSA-Gruppe, jetzt möglicherweise eine Trendwende ein und wagt mit seinem ersten SUM den Neuanfang im Stadtverkehr.

SUM? Das Kürzel steht für „Smart Urban Mobility“ und umreißt eine neue Art von Cityflitzern, gegen die selbst der Smart Fortwo noch ein Riese ist. Gerade mal 2,41 Meter lang, soll dieser Opel „Rocks“ zum Jahresende die Lücke zwischen Mofa und Kleinwagen schließen – und zumindest den einen oder anderen SUV überflüssig machen. Und weil der nachhaltige Stadtverkehr natürlich elektrisch ist, trägt der Rocks auch noch ein „e“ im Namen.

Ladesäule? Eine Steckdose reicht
Der vollelektrische Opel Rocks-e verfügt über eine Batterie mit einer Kapazität von nur 5,5 kWh. Geladen wird sich an einer normalen Haushaltssteckdose in maximal drei Stunden. Das reicht dann für 75 Kilometer Reichweite. Foto: Opel

Auch beim Preis will Opel Neuland betreten. Zwar bleiben die Hessen die genauen Konditionen vorerst noch schuldig. Sie versprechen aber einen Verkauf für deutlich weniger Geld als für einen Kleinwagen und eine Leasingrate noch unter dem Preis einer Monatskarte im Stadtbus. Zur Orientierung: Eine solche Monatskarte kostet zum Beispiel im Netz des Verkehrsverbundes Rhein-Main aktuell 93,10 Euro. Der Rocks-e dürfte aber deutlich günstiger kommen.

Schon 15-Jährige dürfen das Mopedauto fahren

Dafür ist die Zielgruppe um so größer. Denn als Leichtkraftwagen konzipiert, darf der Opel Rocks-e mit einem Führerschein der Klasse AM bereits ab 15 Jahren gefahren werden. Und nach oben hin gibt es praktisch keine Altersgrenze.

Für Deutschland-Chef Andreas Marx ist der Auto-Zwerg ein weiterer Schritt zu einem neuen Selbstbewusstsein: „Unser neuer Opel Rocks-e ist in jeder Hinsicht kompromisslos: Sein Design ist klar und mutig, seine Abmessungen sind extrem kompakt, sein Antrieb ist rein elektrisch und sein Preis unschlagbar. Unser SUM ermöglicht smarte und funktionale Elektromobilität für jedermann – und wird mit seinem Styling für Aufsehen sorgen“, frohlockt der Manager und sieht in dem Winzling den Beleg für den Wandel der Marke: „Opel ist nahbar, einfach menschlich und cool zugleich – das unterstreicht der neue Rocks‑e einmal mehr.“

Schwestermodell des Citroën Ami aus Marokko

Allerdings hat Opel mit dem Rocks-e vergleichsweise wenig zu schaffen. Denn weder ist die Idee neu, noch ist es das Auto. Schließlich ist der weitgehend aus Kunststoff gefertigte und in kostengünstig in Marokko montierte Rocks-e nichts anderes als ein Citroën Ami mit einem halbherzig auf Opel geschminkten Gesicht. Der wird in Frankreich bereits angeboten, zum Preis von 6000 Euro und im Leasing für 20 Euro im Monat.

Mit Moped-Führerschein: Frankreichs neuer Elektrozwerg, der unsere großstädtische Mobilität entspannen soll. Er ist ein wenig gewöhnungsbedürftig. Aber so was von cool. Elektroauto

Dabei hat der Plastikbürzel unter der Scheibe so gar nichts von jenem „Vizor“ genannten Schild, das sie bei Corsa, Mokka & Co mittlerweile zum Erkennungszeichen gemacht haben. Und auch im plastifizierten und komplett abwaschbaren Innenraum mit dem Charme eines Stadtbusses zeugen nur die neuen Farben sowie der Blitz im Airbag-freien Lenkrad von der Adoption des französischen Ami.

Jung und cool

Jung und cool

Opel hofft mit dem Rocket-e wie einst Smart mit dem City-Coupé eine junge Zielgruppe zu erreichen. Tatsächlich aber könnten hinter dem Steuer des Leichtmobils überwiegend ältere Semester sitzen. Foto: Opel

Mit Opel "Vizor"

Mit Opel „Vizor“

Das neue Markengesicht von Opel soll auch der Rocks-e tragen – zur besseren Unterscheidung vom Schwestermodell aus Frankreich. Foto: Opel

Komplett auswaschbar

Komplett auswaschbar

Robustes Hartplastik sorgt im Innenraum des Opel Rocks-e für den Charme eines Stadtbusses. Foto: Opel

Auch beim Antrieb bewahren die Hessen – wie die Franzosen – Bodenhaftung und beschränken sich auf das wirklich Nötige: Weil die Führerscheinkategorie AM nicht mehr hergibt und ein Gewicht von weniger als 500 Kilo nicht mehr braucht, hat der E-Motor des Rocks gerade einmal 6 kW (8 PS). Damit schafft das Mopedauto höchstens eine Geschwindigkeit von 45 km/h.

Dafür allerdings reicht ihm dann auch ein Akku von lächerlichen 5,5 kWh für bis zu 75 Kilometer Reichweite im Stadtverkehr. Geladen wird die Batterie an einer gewöhnlichen Haushaltssteckdose mit 2,3 kW Ladeleistung. Da genügen dann etwas mehr als drei Stunden zum Vollladen.

Zwar schmückt sich Opel beim Rocks-e mit fremden Federn und macht sich einmal mehr die Familienbande der Stellantis-Gruppe zunutze. Doch im Grunde kennen ich die Hessen mit dem Großstadtverkehr unterhalb des Autos besser aus als die meisten selbsternannten Mobilitätsrevolutionäre: Bevor sie in Rüsselsheim 1898 ihr erstes Auto bauten, war das damals noch familiengeführte Unternehmen Opel der größte Fahrradhersteller der Welt.

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3 Kommentare

  1. Johannes Haas

    Der Bundesverband E-Mobilität (BEM) fordert schon seit langem die Anhebung der Höchstgeschwindigkeit für AM-Fahrzeuge auf 59km/h – aber unseren (noch) Verkehrsminister interessiert‘s nicht … Dabei würde gerade diese Klasse – egal ob mit 2 oder 4 Rädern – für eine echte Entlastung der Innenstädte sorgen können!

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  2. Jürgen Koberstein

    Es ist mir unerklärlich, wie man Fahrzeuge auf 45 km/ h begrenzen kann. Das mag zwar juristisch so sein, stellt aber ein enormes Sicherheitsrisiko dar, solange in den Städten 50 km/ h gefahren wird.

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    • Franz W. Rother

      Solange noch.. Und ja, sie sind heute noch ein Problem.

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