Was mussten Bäckermeister Roland Schüren und seine Kollegen vor drei Jahren nicht alles anstellen, um an Transporter zu kommen, mit denen sie ihre Waren klimafreundlich und emssionsfrei ausliefern konnten. In vielen deutschen Großstädten drohten damals wegen erhöhter Stickoxid-Werte Fahrverbote für Dieselfahrzeuge. Doch weder Mercedes, noch Volkswagen oder andere Großserienhersteller konnte einen Stromer liefern, der den Ansprüchen und Bedürfnissen der mittelständischen Familienunternehmer entsprach. Geschweige denn, der bezahlbar war.

Schüren gründete daraufhin zusammen mit 29 anderen Handwerkskollegen die Selbsthilfegruppe „Bakery Vehicle One“ – und beauftragte schließlich die damalige Posttochter Streetscooter mit dem Bau eines elektrischen Kastenwagens.

Streetscooter ist inzwischen Historie, die Gefahr von Dieselfahrverboten zumindest in Deutschland vorerst gesunken. Aber die Autoindustrie ist inzwischen aufgewacht: Praktisch im Wochenrhythmus werden neue Elektro-Transporter vorgestellt. Von Mercedes gibt es in der so genannten Sprinter-Klasse (bis 3,5 Tonnen Gesamtgewicht, Nutzlast 1 Tonne) den eSprinter (ab 53.900 Euro), von Volkswagen und MAN den e-Crafter bzw. eTGE (zum gleichen Preis). Renault hat den Master Z.E. (ab 59.900 Euro) im Angebot und Iveco den Daily Electrik. Mit einer Batterieladung kommen sie alle bis zu 170 Kilometer weit.

Plattform-Strategie
Die Transporter aus dem PSA-Konzern sind mit zwei unterschiedlich großen Batterien erhältlich. Der Motor an der Vorderachse ist immer gleich stark. Foto: PSA

Und auch in der Klasse darunter, bei den schnellen Kompakttransportern, herrscht längst keinen Mangel mehr: Es gibt hier inzwischen voll- oder teilelektrische Kastenwagen mit unterschiedlichsten Radständen und Aufbauten für den Transport von Gütern, mit Nutzlasten von bis zu 1275 Kilogramm. Vom ABT e-Caddy aus dem Volkswagen-Konzern (ab 29.900 Euro) und den Mercedes e-Vito (ab 44.990 Euo) bis hin zum Ford Transit Custom PHEV, der zumindest Teilstrecken von rund 50 Kilometer elektrisch fährt.

Transporter von PSA bis 2025 emissionsfrei

Vor allem aber der französische PSA-Konzern (mit der deutschen Tochter Opel) hat sich in dem Marktsegment viel vorgenommen, wie Xavier Peugeot, der Chef der Sparte Light Commercial Vehicles, dieser Tage in einer Pressekonferenz ankündigte: Bis Ende kommenden Jahres will er die komplette Fahrzeugpalette elektrifiziert haben. Und bis Ende 2025 soll sie komplett emissionsfrei sein. Peugeot geht davon aus, dass der politische Druck in den kommenden Jahren europaweit zunehmen wird und Lieferwagen mit Verbrennungskraftmaschine aus einer wachsenden Zahl von Städten verbannt werden. Die Stadtverwaltung von Paris etwa hat bereits angekündigt, ab den Olympischen Sommerspielen 2024 keine Dieselautos mehr in die Stadt zu lassen. Ohne Ausnahme.

Große Klappe
Im Laderaum des E-Jumpy von Citroën können bis zu 1275 Kilogramm Nutzlast verstaut werden. Angeboten wird das Fahrzeug in verschiedenen Längen. Foto: Citroën

Eine Plattform- und Gleichteilestrategie EMP2 macht es den Franzosen leicht, noch in diesem Jahr eine Modelloffensive zu starten. Die Autos heißen Peugeot e-Expert, Citroen Ë-Jumpy und Opel Vivaro-e und werden allesamt im französischen Valenciennes produziert. Die Kühlermasken und andere Details der Fahrzeuge sind markenspezifisch gestaltet. Aber technisch sind sie Zwillinge. Kabinenboden sitzen Lithium-Ionen-Akkus mit Speicherkapazitäten von 50 oder 75 Kilowattstunden (kWh), für den Vortrieb sorgen Elektromotoren mit 100 Kilowatt (kW) Leistung. Die Zahlen kommen Ihnen bekannt vor? Richtig: Die gleiche Technik nutzen auch Opel Corsa-e, Peugeot e-208 und e-2008 oder der neue DS 3 Crossback e-tense. Und im Rahmen einer Kooperation auch Toyota: Der Transporter Proace wird ebenfalls noch in diesem Jahr mit Hilfe der PSA-Plattform das Stromern lernen.

1275 Kilogramm Nutzlast

Die Kastenwagen gibt in drei Längen zwischen 4,60 und 5,30 Metern und vorerst mit einheitlicher Höhe von 1,90 Metern – damit die Fahrzeuge auch in eine Tiefgarage passen. Was aber für die Kunden noch wichtiger sein dürfte: Die maximale Nutzlast ist mit 1275 Kilo fast genauso groß wie die der heute noch erhältlichen Varianten mit Dieselmotor, die bis 1,4 Tonnen laden können.

Große Klasse
Volkswagen Nutzfahrzeuge hat seit 2018 den e-Crafter im Lieferprogramm. Im Boden ist die Batterie des E-Golf verbaut. Bis zu 1,7 Tonnen kann der 2,5 Tonner zuladen.

Apropos Laden: Die Ladegeschwindigkeit beträgt an der AC (Wechselstrom)-Ladesäule serienmäßig 11 kW, zumindest für Fahrzeuge, die nach Deutschland geliefert werden. Und damit sich die Fahrzeuge auch auf längeren Fahrten begeben können, gibt es auch einen CCS-Anschluss, über den unterwegs Gleichstrom mit bis zu 100 kW aufgenommen werden kann. Mit dem kleinen Akku sollen die E-Transport bis zu 230 Kilometer weit kommen, mit dem großen etwa 100 Kilometer weiter. Vorsichtshalber wurde die Höchstgeschwindigkeit auf 130 km/h begrenzt. „Die Autos werden die gleiche Performance bieten wie die mit Verbrennungsmotor – und den gleichen Komfort“, versprach Peugeot in der Pressekonferenz.

7500 Euro Umweltbonus auch für Transporter

Offen sind nur noch die Preise. Die sollen in den kommenden Tagen nachgereicht werden, wenn die Bestellbücher geöffnet werden. Der staatliche Umweltbonus von 7.500 Euro ist den Stromern in Deutschland gewiss.

Peugeot erwartet, dass die Elektrovarianten dieses Jahr noch auf einen Verkaufsanteil von wenigstens fünf Prozent kommen und von 15 Prozent im kommenden Jahr: Bei Bäckermeister und andere Handwerker sollten die neuen „Elektro-Werkzeuge“ (Peugeot) auf reges Interesse stoßen.

Artikel teilen

4 Kommentare

  1. Philipp H.

    Was ich bei all diesen Transportern vermisse: Eine Bereitstellung von 230V-Strom während des Ladevorgangs bzw. auch während der Fahrt. Immer mehr Elektrowerkzeuge verfügen über einen Akku, der gut über Nacht mit geladen werden könnte. Aber so muss immer alles aus dem Fahrzeug raus. Und auf Baustellen ohne Stromanschluss sollte man zumindest eine Flex oder Hilti betreiben können. Das zieht über den ganzen Tag nur 3-5 kWh aus dem Auto-Akku und ist daher praktisch nicht reichweitenrelevant.

    Antworten
  2. FreemanT

    Welchem Fachgenie fällt es eigentlich immer ein den Ladeanschluß an der Fahrerseite zu installieren?? So ein Schwachsinn!!
    Wenn man am Straßenrand parkt, ist die Ladesäule selten auf der Fahrerseite, aber wenn jemand nicht aufpasst ist nicht nur der Außenspiegel futsch!

    Antworten
    • Franz W. Rother

      Die Frage ging mir auch durch den Kopf. Bei Linksverkehr vorteilhaft, bei Rechtsverkehr problematisch.

      Antworten
    • Philipp H.

      Das ist nur für Garagenparker gut. Man kann rechts nah an die Wand. Da finde ich aber Nasenlader noch besser. Und die kommen an fast jede Ladesäule ran. Natürlich auch hier ärgerlich, wenn man bei einem kleinen Auffahrunfall einen hohen Schaden hat.

      Antworten

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert