Mit Kind und Kegel in den Urlaub, mit Freunden und allem Gepäck etwa im Shuttle zum Flughafen oder mit der kompletten Sportausrüstung an die See: Großraum-Vans sind eigentlich die perfekten Multi Purpose Vehicle (MPV), Autos für jeden Zweck. Allerdings haben ihnen große „Sport Utility Vehicle“ (SUV) in den vergangenen Jahren ein wenig den Rang abgelaufen – die hockhackigen Kombis versprühten einfach mehr Abenteuergeist.
Was nicht heißt, dass MPVs oder Vans von gestern wären. Im Gegenteil: In den USA und vor allem in China erleben sie gerade ein großes Comeback. Und auch in Europa wächst das Interesse an der Fahrzeugkategorie wieder – und das nicht nur in der Taxi- und Mietwagenbranche. Volvo will noch dieses Jahr mit dem sechssitzigen EM90 Geschäftsreisenden und Familien – je nach Bedarf – ein rollendes Büro oder ein stromerndes Zuhause von 5,20 Metern Länge bieten. Zeekr – die chinesische Schwester im Geely Konzern – nutzt die gleiche Elektro-Plattform bereits für eine luxuriöse Großraumlimousine 009, in der sich VIPs in vollklimatisierten „Kapitäns-Sesseln“ zum Konzert in der Nachbarstadt oder zur Vorstandssitzung shutteln lassen können.
Dem Treiben kann Mercedes-Benz natürlich nicht tatenlos zusehen. Immerhin haben die Stuttgarter mit der V-Klasse schon vor zehn Jahren einen MPV auf die Räder gestellt, der sich schon ab Werk leicht zu einem VIP-Shuttle hochrüsten lässt und in dessen Fond sich dann auch Oligarchen oder Filmstars wohlfühlen dürften. Auf zwei klimatisierten Ledersitzen mit Fußstütze und Massagefunktion, unter einem riesigen Sonnendach, auch dank Luftfahrwerk und einer abgedunkelten Akkustikverglasung – und seit 2020 auch dank eines leise summenden Elektroantriebs. Auf Luxus verstehen sie sich bei Mercedes bestens – und die „fokussierte Luxusstrategie“ will der Autobauer nun auch auf seine Vans ausdehnen.
Mercedes-Stern wieder auf der Haube
Zu dem Zweck haben die Experten der Transporter-Sparte Mercedes-Benz die konventionell angetriebene V-Klasse und die vollelektrische Variante namens EQV noch einmal kräftig aufgemöbelt. So kräftig, dass bei der Produktaufwertung eigentlich ein neues Fahrzeug herausgekommen ist. Optisch, qualitativ und auch technisch. „Alle Qualitäten wurden nochmals geschärft“, hieß es bei der Produktpräsentation in mondänen Cannes – da, wo die Schönen und Reichen ihren Sommer verbringen.
Laut Exterieur-Designer Denis di Pardo durften er und seine Kollegen bei der Überarbeitung der V-Klasse aus dem Vollen schöpfen, um den Premiumcharakter des Midsize-Vans auf ein neues Niveau zu heben. Dazu haben sie unter anderem den Mercedes-Stern für die Motorhaube „aus der Schublade“ geholt – in der Topausführung „Exklusive“ schwebt er nun wieder „statusprägend“ dem Fahrer voraus. Allerdings nur, wenn dieser einen konventionellen Antrieb wählt. Den EQV gibt es aus unerfindlichen Gründen maximal in der „Avantgarde“-Version. Und da prangt der Stern nur „leicht erhaben“ in der (neugestalteten) Frontmaske, ist er in der aufrecht stehenden Version weder für Geld noch gute Worte zu bekommen. Schade.
Akkukapazitäten bleiben unverändert
Entschädigt werden die Käufer des EQV dafür unter anderem durch das neugestaltete Cockpit, das vom Möbel-Design inspiriert ist: Über der scheinbar schwebenden Mittelkonsole hängen zwei 12,3 Zoll große Displays in Widescreen-Optik wie daheim der LED-Fernseher an der Wand. Bei so viel Heimeligkeit möchte man am liebsten gleich die Füße hochlegen. Das geht tatsächlich – allerdings nur auf den (knapp 5000 Euro teuren) üppig gepolsterten, klimatisierten und fein belederten Luxussitzen in der zweiten Reihe. Dazu ein Glas Champagner, das durch eine Magnetisierung auch dann nicht überschwappt, wenn es auf der Mittelkonsole abgestellt wird – dann kann die Fahrt aus Sicht des Passagiers gerne ewig dauern.
Die Ewigkeit hat im EQV allerdings Grenzen. Denn der elektrische, 150 kW oder Midsize-Van ist zwar weiterhin in zwei Radständen und mit zwei Akkukapazitäten von netto 60 und 90 kWh erhältlich. Doch mehr als 365 Kilometer ohne Ladepause sind damit beim besten Willen nicht drin. Eher noch weniger. Denn der Norm-Verbrauch der knapp 2,9 Tonnen schweren Topversion von 27 kWh/100 km ist im Alltagsverkehr nur schwer zu erreichen: Unser Durchschnittsverbrauch auf der Teststrecke entlang der Küste betrug 28,7 kWh/100 km, bei einem Abstecher ins Hinterland zeitweise über 30 kWh – 300 Kilometer Reichweite scheinen da realistischer.
110 kW Ladeleistung müssen genügen
Und die Ladepause könnte sich durchaus länger hinziehen. Denn der EQV zieht den Strom an der Schnellladesäule weiterhin nur mit maximal 110 kW. Immerhin soll die Ladeleistung durch ein verbessertes Thermomanagement nun schneller und länger anliegen, so dass ein Akku mit einem Ladestand von 10 Prozent jetzt schon nach 40 Minuten wieder zu 80 Prozent gefüllt sein soll – zuvor dauerte es fünf Minuten länger. Auch gibt es nun ein aktives Lademanagement, das die Vorkonditionierung des Akkus auf der Fahrt zur nächsten Ladestation einschließt. Allerdings muss die Wahl des Ladepunktes dem Navi überlassen werden – eine direkte Ansteuerung des Thermomanagements durch den Fahrer ist nicht möglich.
Da merkt man schon, dass der EQV eine Plattform nutzt, die schon einige Jahre auf dem Buckel hat und nicht ausschließlich für einen Elektroantrieb konzipiert ist. Aus dem Grund findet in der Fronthaube auch kein „Frunk“ mehr Platz, in dem sich das Ladekabel verstauen ließe – in einer Tasche verpackt fliegt es hinten durch den Kofferraum. Und auch für ein Head-up-Display fand sich beim Facelift im Cockpit partout kein Platz.
Aber schließlich ist der „neue“ EQV ja auch nur eine „Brücke in die Zukunft“ und ein „Etappenziel“: Schon in zwei Jahren wird mit der neuen, modularen und skalierbaren „Van Electric Architecture“ (VAN.EA) eine komplett neue Plattform verfügbar sein, die konsequent für Elektroantriebe entwickelt wurde. Um Kosten zu senken, aber auch größere Reichweiten von bis zu 500 Kilometer darstellen zu können – für Vans (VAN.EA-P) und Transporter (VAN.EA.C) verschiedenster Längen und Ausprägungen bis hin zum Camper.
Privatkunden kriegen EQV deutlich günstiger
Bis dahin muss die Produktaufwertung erst einmal genügen. Und die schlägt sich natürlich auch in der Preisliste nieder. Der Listenpreis für die Langversion des EQV mit 90 kWh Akku beträgt 75.281 Euro, angeboten wird der derzeit für 62.010 Euro. Für die Version mit kurzem Radstand und kleinem Akku werden derzeit 58.488 Euro aufgerufen – im vergangenen Jahr kostete der EQV 250 mit 60 kWh-Akku noch 67.818 Euro. Und viele der damals aufpreispflichtigen Extras sind nun Teil der Serienausstattung.
Aber damals war noch der (teilstaatliche) Umweltbonus von 7.500 Euro eingepreist, den Mercedes nun mehr oder minder komplett aus eigener Tasche bezahlt. Und einige Extras kommen natürlich nach wie vor obendrauf. Und zwar reichlich: Unser topausgestatteter Testwagen in Kalahari-Gold Metallic würde uns über 86.000 Euro kosten. Für Besitzer einer Superyacht dürfte das allerdings ein Klacks sein: Wer sich einen Liegeplatz in der Marina Port Vauban an der Küste Antibes kaufen möchte, zahlt leicht bis zu einer halben Million Euro. Und der Preis für das Boot kommt dann auch noch obendrauf.