Designer sprechen von Portaltüren, manche nennen sie „Freestyle“-Türen. Im Volksmund waren die hinten angeschlagenen, sich nach vorne öffnenden Türen früher – als es noch keine Sicherheitsgurte und solide Schlösser gab – als „Selbstmördertüren« verschrieen. Der Grund: Bei einem heftigen Bremsmanöver konnten die Insassen schon einmal durch die Türöffnungen hinauskatapultiert werden und zu Tode kommen. Lang, lang ist’s her.
Das Türkonzept, inzwischen natürlich super sicher, erlebt seit einiger Zeit in drei- oder viertüriger Ausführung eine nette Renaissance. Zum Einsatz kommt es beim elektrischen BMW i3, beim Stromer Mazda MX-30 – und nun, unter dem Namen „3+1“, auch beim neuen vollelektrischen Fiat 500. Aus ganz praktischen Gründen: Durch die Kombination von zwei sich gegenläufig öffnenden Türen und den Verzicht auf den Mittelpfosten, die so genannte B-Säule, ergeben sich große Öffnungen in der Karosserieseite. Das erleichtert Passagieren den Einstieg in den Fond, macht es beispielsweise auch einfacher, ein Kleinkind samt Kindersitz ohne Verrenkungen auf der Rücksitzbank festzuschnallen.
Benziner bleiben vorerst – im alten Kleid
„Die Anforderungen der Kunden ändern sich, ebenso wie ihre Gewohnheiten. Auf dem Weg zur Arbeit setzen Vater oder Mutter ihre Kinder oft noch schnell vor dem Kindergarten oder der Schule ab. Unser Kunde ist zu einer Familie geworden, die eine bessere Zugänglichkeit der Innenräume benötigt“, erklärte Fiat-Präsident Olivier Francois das Türkonzept bei der Vorstellung des neuen Fiat 500 3+1 am Firmensitz in Turin. Aus Sicherheitsgründen findet sich die dritte Tür hier auch nur auf der Beifahrerseite – also rechts bei Autos für den Rechtsverkehr. Und um die Karosserie nicht strecken zu müssen, wurde die Beifahrertür – ähnlich wie bei BMW und Mazda – deutlich kleiner dimensioniert. Francois: „So bleibt es ein Fiat 500.“
Angeboten werden soll die dritte Generation des Cinquecento ausschließlich mit einem elektrischen Antrieb. Für all diejenigen, die weiterhin einen, nun ja, umweltschädlichen Verbrennungsmotor zu benötigen meinen, gibt es weiterhin das in Polen gefertigte Modell der zweiten Generation als Mild-Hybrid und als reinen Benziner – auch als wilden Abarth-Sportler 595. Allerdings muss man dann sowohl auf die dritte Tür sowie das verfeinerte Interieur verzichten als auch auf manches andere ungewöhnliche Feature, das mit der ausschließlich in Italien produzierten dritten Generation in den Kleinwagen Einzug hält. Beispielsweise auf das automatisierte Fahren auf Level 2, inklusive Spurhalter, automatischem Notbremser und Einparkhilfen mit schöner 360-Grad-Rundumsicht (HD-Rückfahrkamera). Vom emissionsfreien Antrieb mal ganz abgesehen. Dazu gleich mehr.
Zwei Antriebsvarianten, zwei Reichweiten
Den Vollstromer bietet Fiat nämlich in zwei Versionen an. In der 23.560 Euro teuren Basisversion der zweitürigen Limousine namens „Action“ arbeitet ein 70 kW (95 PS) starker Elektromotor an der Vorderachse mit einem Lithium-Ionen-Akku zusammen, der sich platzsparend im Unterboden zwischen Vorder- und Hinterachse versteckt und so einen ordentlichen Laderaum sichert — 185 bis 550 Liter (bei umgeklappter Rückbank). Er speichert brutto 23,7 Kilowattstunden (kWh) Strom, für den Fahrbetrieb nutzbar sind davon 21,3 kWh. Damit soll der Elektro-Zwerg bis zu 180 Kilometer weit kommen. Und wenn man noch fix die Förderung von 9000 Euro vom Preis abzieht, ist dieser Fiat ohnehin ein lukratives Angebot.
In den feineren Versionen „Passion“ (ab 27.560 Euro) und „Icon“ (ab 29.560 Euro) ist der Motor 87 kW (118 PS) stark. Und der Akku fasst dann nominell 42 kWh – 37 davon dienen dem Vortrieb. Im reinen Stadtverkehr und im sparsamen „Sherpa“-Modus soll dies, schwören sie bei Fiat, für rund 460 Kilometer Reichweite langen. Da schaltet der Kleine nämlich auf den auch von anderen Stromern bekannte Ein-Pedal-Funktion um, bei der Beschleunigen und Bremsen allein übers Fahrpedal laufen. Beim Loslassen rekuperiert er bis zum Maximum, schafft also die Verzögerung bis zum völligen Stillstand. Spart Energie, schont dramatisch die Bremsen.
Im Alltagsverkehr und im Drittel-Mix nach der WLTP-Norm sollen immerhin noch 320 Kilometer drin sein. Die dritte Tür gibt es allerdings nur in den gehobenen Versionen – zu einem Aufpreis von 2000 Euro und einem Mehrgewicht von 30 Kilo. Gegen einen Aufpreis von 3000 Euro kommt die zweitürige Limousine auch als Cabriolet CC. Und wer beim neuen Stromer sofort zuschlägt, bekommt das üppig ausgestattete Start-Topmodell »La Prima« für 34.900 Euro, das fast alle Extras inklusive hat.
Schnell laden mit bis zu 85 kW
Und was kann der kleine Stromer sonst noch? Schnellladen beispielsweise mit bis zu 85 kW (in der Action-Version sind 50 kW). Für die Tempo-Version verspricht Fiat rund 50 Kilometer in fünf Minuten. Anhalten, Kabel einstöpseln, Kaffeekanne raus, einschenken und austrinken. Zack, und weiter geht’s. Die maximale Ladeleistung an der mit Wechselstrom betriebenen Wallbox beträgt 11 kW – das ist Klassenstandard. Die Fahrleistungen sind für einen Kleinwagen mit einem Leergewicht von rund 1,4 Tonnen und einem maximalen Drehmoment von 220 Newtonmeter respektabel: Tempo 50 ist nach drei Sekunden, Tempo 100 bei der stärkeren Version in 9 Sekunden erreicht. Da ist selbst ein Abarth 595 (0-100 km/h in 6,7 Sekunden) nur unwesentlich sprintstärker. Wesentlich schneller ist der mit einer Spitzengeschwindigkeit von 225 km/h nur auf der Autobahn, denn beim 500 Elektro greift der Begrenzer schon bei Tempo 150 ein (Action maximal 135 km/h). Aber dafür könnte die benzingetriebene Rennsemmel vielerorts bald Probleme bei der Fahrt in die Stadt bekommen: Der Fiat 500 e ist auf jeden Fall die zukunftsträchtigere Lösung. Seine modulare Plattform wäre beispielsweise auch für einen Nachfolger des Lancia Y geeignet.
Zumal die 3,63 Meter lange, frontgetriebene Knutschkugel, die für die Italiener ein Stück heiliger Kultur ist, drinnen auch die volle Vernetzung offeriert, laut Fiat mehr als jeder andere in der Zwergen-Klasse. Das signalisieren schon der mittige, bis zu 10,25 Zoll große Infotainment-Screen, das Smartphone-Ladepad, der hier mögliche Wi-Fi-Hotspot und die hochentwickelte Sprachsteuerung («Hey Fiat«), die easy freihändig aktiviert wird. Auch hübsch: Per »Dynamic Range Mapping« sieht man unterwegs, berechnet auf den aktuellen Fahrstil, genau die Bereiche, die man rundum erreichen kann. Inklusive aller Ladestationen. Und generell soll das digitale System des Autos unentwegt weiterentwickelt und ohne Händlerbesuch »Over the Air« aktualisiert werden.
„Statement italienischen Geistes“
Klar, stilistisch macht das Auto nun auch schwer was her. Puristische Linien und viel Harmonie im Cockpit. Textilien mit Nadelstreifen- und Melange-Effekten. »Ein Statement italienischen Geistes«, nennt das überschwänglich Francois, der ja auch Chef des weltweiten Marketings der Fiat-Gruppe ist. Es gibt hier sogar Sitzbezüge aus veganem Leder und Seaqual, einer Faser aus im Meer gesammelten Recycling-Kunststoff. Und die neuen irisierenden Farben sind auch ziemlich spannend. Zum Beispiel dieses Rose Gold mit dem fast flüssigem Metallic-Effekt. Hey, die Frauen (Achtung, Klischee) lieben diese Farbe auf ihren Smartphone-Verkleidungen und ihren Handtaschen. Und für die Jungs? Vielleicht dieses Donner-Grau oder das leicht brutale Onyx-Schwarz.
Noch mehr Individualisierung? Geht mit den (schon länger bekannten) MOPAR-Ausstattungen, die hier zur Höchstform auflaufen. Feine Logos, exklusive 17-Zoll-Aluräder oder fürs Auto maßgefertigte Reisetaschen. Alles da. Der Hammer ist der schwarze Fahrzeugschlüssel in Form eines handschmeichelnden Kieselsteins, der als automatischer Türöffner (bei Annäherung ans Auto) völlig ohne Druckknöpfe auskommt. Logisch, auch der Kiesel ist voll öko, er besteht aus biobasierten Polycarbonat.
Bestellt werden kann der Italiener in Deutschland ab sofort. Die ersten Exemplare sollen noch vor dem Jahreswechsel ausgeliefert werden. Und Fiat geht davon aus, dass von den mindestens 80.000 Exemplaren, die 2021 im Turins Mirafiori-Werk gebaut werden sollen, auch genügend zu uns kommen können. Wobei man den Kurzen nicht unbedingt kaufen muss, ein günstiges Leasing, dessen Konditionen in den nächsten Tagen verraten werden, und Carsharing (inklusive Bringeservice) sind fest im Programm. Und wer den Fiat erst mal digital testen will, der kann das mit der kostenlosen App namens Fiat GOe Live. Der Clou neben vielen Infos und so: Die App erklärt unterwegs beispielhaft, was man denn so finanziell und ökologisch gewonnen hätte, wenn man statt des eigenen Verbrenner-Autos den italienischen Stromer gefahren wäre.
Bei Schleichfahrt ertönt Filmmusik
Noch zwei spezielle Feinheiten zum Schluss. Wenn dieser prinzipiell flüsterleise Fiat in der City mit weniger als 20 km/h anrauscht, hören unaufmerksame Fußgänger keine billigen oder oberelektronischen Warntöne (wie leider oft bei der Konkurrenz), sondern die von Nino Rota für den Fellini-Wahnsinnsfilm »Amacord« komponierte wundervolle Dur-Melodie. Genau, da haben wir sie wieder, die italienische Kultur. Und was reizvolles für Augen und Ohren ist natürlich auch der softe Werbespot des neuen elektrischen 500er mit Hollywoodstar Leonardo DiCaprio. Der ja bekanntlich einen italienischen Vater hat und sich vorbildlich für die Umwelt engagiert.