Da legen wir uns mal fest. Dieser schneidig gestylte Hochsitzer mit dem zackigen Namen 01 dürfte auch bei uns genügend Freunde finden. Im Spätsommer ist Verkaufsstart für den chinesischen SUV, der als Hybrid und Plug-in-Hybrid anrollt. Lynk & Co? Nie gehört? Okay, die betont jugendlich angesetzte Automarke gehört wie Volvo zum ziemlich erfolgreichen Geely-Konzern, und dieser 01 ist technisch ein enger Verwandter des kompakten Volvo XC40, dessen CMA-Plattform er nutzen darf. Praktischerweise befindet sich das Design- und Entwicklungszentrum der Chinesen auch gleich in der Volvo-Stadt Göteborg.

Optisch hat dieser 4,54 Meter lange Fronttriebler 01 mit seinem Volvo-Bruder nicht viel gemein. Das beginnt bei seinem ungewöhnlichen, extrem breiten Frontgrill, der optisch geschickt die LED-Scheinwerfer integriert. Und endet mit den senkrechten Rückleuchten-Stäbchen, die uns an die Skyline großer Cities erinnern soll. Klar, Marketing-Lyrik. Sieht aber abends ganz nett aus.

Und auch im Cockpit geht es bemerkenswert cool und überhaupt nicht plüschig zu. Wobei das schlanke, zentrale Touch-Display (im exakten Tablet-Format eines iPad Pro) für die Bedienung vielleicht etwas höher sitzen sollte. Geschmacksache. Schön, dass es hier bei allem digitalen Krims noch einige analoge Direktknöpfe für den schnellen Zugriff gibt, zum Beispiel für die Betätigung der Klimaanlage und des Radios.

Social-Media-Kamera für Karaoke im Auto

Der Hammer ist die vor dem Rückspiegel eingebaute »Social-Media-Kamera«, mit der wir drinnen, wenn’s gerade nicht vorangeht, Karaoke-Selfies machen oder per Dashcam die schöne Aussicht (oder das Unfallgeschehen) da draußen fürs gekoppelte Smartphone (Android Auto, Apple CarPlay) festhalten können. Genau, das braucht der Chinese, aber wir finden es auch ganz lustig. Die Kids hätten im Stau ihre helle Freude daran.

Dashcam des Lynk & Co
Genau das braucht der Chinese
Aus Sicherheitsgründen ist die Social-Media-Kamera während der Fahrt abgeschaltet. Weder Selfies noch Fotos von der Straße sind dann möglich. Das funktioniert nur im Stand.

Natürlich gibt es hier auch ein kabelloses Ladepad fürs Handy. Und den kleinen Automatikwählhebel (sowie einige andere Details) kennen wir aus dem Volvo XC40. Und die Verarbeitung des Chinesen? Sehr gut, keine Beanstandungen. Nix klappert, knistert oder knarzt. Sorry, liebe Techniker von VW, da kann der elektrische ID.4, den wir vor einer Woche gefahren sind, nicht ganz mithalten.

Wie es sich hier so sitzt? Danke, sehr bequem, obwohl für den 01 keine Lederausstattung im Angebot ist. Im Gegenteil, nur veganes. Die Sitzbezüge sind nämlich aus Econyl, einem nachhaltigen Nylon-Material aus recylten Kunststoffresten jeder Art. Fühlt sich erst einmal gut an, aber vielleicht müsste man mal im Sommer den Schwitztest machen. Weiter. Platz gibt es definitiv genügend im Auto, auch die zweite Sitzreihe offeriert trotz etwas zu kurzer Sitzfläche noch schöne Beinfreiheit. Und der praktikabel geschnittene Kofferraum zwischen 466 und 1213 Ladevolumen. Klassenüblich. Sollte reichen.

Wir fahren den Teilzeitstromer, also den aufladbaren Plug-in-Hybrid. Seine Antriebsbausteine sind der von Volvo bestens bekannte Dreizylinder-Turbobenziner mit 1,5 Liter Hubraum und 132 kW (180 PS) sowie ein 60 kW starker E-Motor. Gekoppelte Systemleistung bei gefülltem Lithium-Ionen-Akku: stramme 192 kW (261 PS). Reicht für hübsche Fahrleistungen. In glaubhaften acht Sekunden geht’s auf Tempo 100. Die Höchstgeschwindigkeit, die wir allerdings auf der Stadtautobahn nicht getestet haben, soll bei 210 km/h liegen.

Lynk & Co 01 so komfortabel wie ein Volvo

Ansonsten fühlt sich dieser Lynk unterwegs wie sein schwedischer Technik-Bruder an. Fährt sich also wie der feine XC40 von Volvo: Stoischer Geradeauslauf, elastische Federung, exakte Lenkung, neutrales Kurvenverhalten. Hinzu kommt die gute Geräuschdämmung: Der kleine Dreizylinder-Turbobenziner, der mit dem immerhin 1880 Kilo schweren Wagen keine allzu große Mühe hat, bleibt dezent im Hintergrund. Und seine Kooperation mit der E-Maschine funktioniert ebenso unauffällig, wozu auch die darauf gut abgestimmte Siebengang-Doppelkupplungsautomatik mit sensiblen Zugkraftanschlüssen beiträgt.

Innenraum des Lynk 01
Ganz gediegen
Der Kompakt-SUV von Lynk & Co stammt zwar aus China und wird auch dort produziert. Die Verarbeitung ist allerdings auf europäischem Niveau. Foto: Lynk & Co

Die drei Fahrmodi heißen Hybrid, Power und Pure. Das übliche: Im Hybridmodus geht es ums stets effiziente Zusammenspiel von Verbrenner- und Elektroantrieb, bei Pure ums rein elektrische Fahren und bei Power eben ums angeheizte Sportliche, was wir hier aber nicht unbedingt brauchen. Und Rekuperation (Energierückgewinnung beim Rollen oder Bremsen) lässt sich mit der Schalthebel-Position »B« aktivieren.

Bis zu 81 Kilometer im Elektro-Modus

Angesagt sind beachtliche 69 Kilometer Reichweite nach WLTP-Norm, für reine Stadtfahrten sogar 81 Kilometer. Sehr ordentlich für eine Lithium-Ionen-Batteriekapazität von gerade 14,1 kWh. So, den Testwagen haben wir laut Bordcomputer (der ja noch die Fahrweise unseres Vorgängers berücksichtigt) sogar mit einer Reichweite von 72 Kilometern übernommen. „Randvoll geladen“, schwört unser Betreuer von Lynk & Co.

Nach knapp 30 Kilometern per Hybridmodus im Stadtverkehr und auf der Landstraße sind es noch 44 Kilometer Restreichweite. Wir wechseln für die restlichen 23 Kilometer der Teststrecke (mehr als 90 Minuten waren leider noch nicht gestattet) in den vollelektrischen Pure-Modus, und am Ende ist noch Strom für 15 Kilometer übrig. Auffällig ist, dass sich der Turbobenziner im Hybrid-Modus nur sehr selten zuschaltet, der Bordcomputer beim Aussteigen einen Kraftstoffverbrauch von nur 0,93 Litern und immer noch eine Gesamtreichweite von 590 Kilometern signalisiert.

Mal kurz überschlagen. Das Elektrische sollte für eine tägliche Pendelei vom Berliner Stadtrand ins Zentrum locker reichen. Alle zwei Tage die Batterie an Wallbox oder Haushaltssteckdose in vier bis fünf Stunden wieder vollladen. Da hätte der Turbo in der Woche nicht viel zu tun. Und für die in unserer Familie nicht so häufigen Langstrecken wäre auch der 42 Liter fassende Benzintank völlig ausreichend. Logisch, dann steigt der Benzinverbrauch schnell an, denn wir schleppen Batterie und Elektrotechnik ja trotzdem mit. Da könnte vielleicht ein Schnitt von sechs bis acht Litern herauskommen. Okay, das ruft nach einem längeren Test. Ob die wirtschaftliche Gleichung aufgeht hängt ohnehin vom Einsatzprofil des Plug-ins ab.

Im Abo fast alles inklusive

Und jetzt wird es spannend, denn Lynk & Co (also Geely) ist weniger am Verkauf, sondern mehr an einer Vermietung des 01 interessiert. Und so wirbt die junge Marke in Europa mit einer monatlichen, jederzeit kündbaren »Mitgliedschaft«. Ein Abo für 500 Euro. Null Anzahlung. Keine Mindestvertragslaufzeit. Jederzeit kündbar. Ein „Streamingdienst für Mobilität“ schmeichelt uns die hippe Lynk-Werbung.

Ein finanziell reizvolles Abo, denn das chinesische Auto kommt mit Komplettausstattung. Da ist wirklich alles drin: Navi, Infinity-Soundsysten mit zehn Lautsprechern, Sprachsteuerung und cloudbasierte Profile, Reisekameras (genau, für Selfies, Videos und so), Panorama-Schiebedach, Einpark-Assistent, Zwei-Zonen-Klimaautomatik (mit temperaturgesteuertem Handschuhfach!), beheizbare Vordersitze, Laderaumnetz, adaptive LED-Scheinwerfer, Dachreling, automatische Heckklappe, WLAN-Hotspot, verschiedene Apps und so weiter.

Post-modernes Heckdesign
Der Lynk & Co 01 hat ein schneidiges Gewand und bietet neben allerlei Lichterspielen auch ein ordentliches Platzangebot. Ja, damit kann man sich sehen lassen. Foto: Lynk & Co

Dazu hat dieser Link sämtliche aktuellen Fahrerassistenzsysteme (vom adaptiven Tempomaten bis zum rückwärtigen Querverkehrswarner) an Bord und an den Füßen diese 20 Zoll großen Leichtmetallräder, die beim Plug-in-Hybrid ebenfalls zur Standardausstattung zählen. Nur bei der Außenfarbe des Autos ist die Auswahl brutal schlicht. Blau oder Schwarz. Metalliclack natürlich, aber mehr gibt es erst einmal nicht.

Wartung des Lynk durch Volvo-Betriebe

Klar, diese Mitgliedschaft hat wie bei ähnlichen Abos der Branche den Service und die Versicherung inklusive. Dito Instandhaltung und Wartung mit Hol- und Bringedienst, was schlauerweise (psst, ist noch nicht offiziell) komplett von Volvo-Betrieben übernommen wird. Clevere Sache: Alle zwei Wochen will Lynk per Cloud einen Check des Autos durchführen — und so proaktiv Service und Reparaturen planen. Die neueste Software kommt bequem mit Over-the-Air-Updates. Ist das Auto dennoch mal länger als einen Tag in der Werkstatt wartet ein Ersatzfahrzeug.

Summa summarum: Außer Sprit und Strom ist alles drin. Und mit den 500 Euro sind 1250 Kilometer pro Monat inklusive, ungenutzte Kilometer können auf die Folgemonate übertragen werden. Aber jeder weitere Kilometer kostet dann 0,15 Euro extra. Ach ja, eine Anhängerkupplung kann für monatliche 40 Euro hinzugebucht werden.

Richtig interessant wird es beim Zugriff auf die Sharing-Plattform.
Denn da sind wir beim serienmäßigen digitalen Schlüssel des 01, mit dem sich das Auto easy per Smartphone öffnen und mit anderen teilen lässt. Einfach eigene Gebühren bestimmen, das Auto mit dem Share-Button (der in unserem Vorserienauto noch nicht aktiv ist) freischalten und fürs Teilen Geld oder Dankesworte kassieren. Zack, schon wird der Lynk zum privaten Sharingdienst und spielt einen Teil der Kosten wieder ein. Lynk kümmert sich um die Freigabeplattform, um die Standortinfos und die Verwaltung der Buchungen. »Und wenn das Auto alt und abgenutzt ist, werden wir es für dich austauschen«, lautet dann noch ein weiteres Versprechen. Holla.

Ab 2022 auch vollelektrisch. Vielleicht

Wobei man den Lynk 01 auch richtig kaufen kann. Für den von uns gefahrenen Plug-in-Hybrid wären 42.000 Euro fällig. Exklusive Förderung. Ein ziemlich heißes Angebot, denn für den gleich großen Volvo XC40 mit nur 46 Kilometer elektrischer Plug-in-Reichweite, sind (bei viel weniger Serienausstattung) mindestens 47.550 Euro anzulegen.

Stattliche Erscheinung
Mit einer Länge von 4,54 Metern passt der Lynk & Co (die Marke heißt wirklich so) gut in jede Garage. Der frontgetriebene Plug-in-Hybrid kommt auf eine Systemleistung von 192 kW (261 PS). Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 210 km/h. Wir glauben es mal. Foto: Lynk & Co

Noch was grundsätzliches: Klassische Showrooms werden für diesen Lync gar nicht erst eingerichtet, stattdessen sollen hippe Clubs die Mitglieder-Community anlocken. Genau, man hofft auf junge Käufer, und deshalb sollen die Clubs nicht nur ein Auto zum Angucken, sondern auch exklusive Events und Konzerte offerieren. Es gibt sie bereits in Amsterdam und Göteborg, letzterer (typisch Schweden eben) hat sogar eine nordische Sauna in Betrieb.

Der Berliner Club soll übrigens im Sommer öffnen, auch in Hamburg und München sind diese betont stylischen Lynk-Treffpunkte geplant. Außerdem ist mit dem 01er noch eine »Pop-up-Road-Tour« durch ganz Deutschland geplant, damit auch der letzte erfährt, was das für ein tolles Auto ist.

Was Wichtiges vergessen? Ja, kritische Kommentare und dringende Wünsche zum Auto, können wir als Sprachnachricht direkt aus dem Cockpit des 01 an den chinesischen Hersteller schicken. Verbirgt sich im Zentraldisplay hinterm Button »Co:lab«. Also dann: Wir hätten gern später das ganze Auto mit einem vollelektrischem Antrieb. Dürfte ja (Volvos XC40 Recharge läßt grüßen) bereits in Vorbereitung sein, oder? Und weil wir gerade so neugierig sind, stellen wir die Frage abends mal schnell im Live-Chat bei Lynk & Co. „Da musst du dich noch etwas gedulden“, lautet zehn Sekunden später die etwas unbefriedigende Antwort. „Nächstes Jahr?“, fragen wir noch einmal nach. „Das wäre gut möglich“. Danke.

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1 Kommentar

  1. Matthias

    Mit 1.250 Inklusiv-km pro Monat eignet sich der Wagen nicht für eine vierwöchige Urlaubsmiete. Und wenn man die Kupplung z. B. für den Fahrradträger nur ein paar Mal im Jahr benötigt, wird man gleich mit 480 Euro p.a. zur Kasse gebeten. Nichts für meinen Bedarf, schade.

    Was Lynk & Co hingegen richtig gut kann, ist das monatelange Versenden von quasi inhaltslosen Marketing-Mails. Auf konkrete Nachfragen haben auch wir wiederholt die Auskunft erhalten „Da musst du dich noch etwas gedulden“. Arg.

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