Bei Nio läuft es derzeit wie geschmiert. Im September eröffnet der chinesische Autobauer in Oslo sein erstes Nio House in Europa. In Bestlage nahe dem Königspalast. Versteht sich. Anders als andere Hersteller wollen die Chinesen aber keinen repräsentativen Prunkpalast in die Stadtmitte pflanzen, um ihre Produkte möglichst publikumswirksam, das Areal soll vielmehr eine Begegnungsstätte für die Nio-Fans werden. Rückzugsort und Diskussionsforum gleichzeitig. Das ist ganz im Sinne des Nio-Gründers William Li, der den Gemeinsamkeitsgedanken als elementares Bauteil seiner Firma sieht. Schließlich können die Nio-Fahrer und -Kunden auch direkt mit ihm per App kommunizieren und ihre Wünsche und Anregungen formulieren. Li nimmt sich jeden Tag Zeit, um Anfragen persönlich zu beantworten. „Die Firmen, die zuhören, sind erfolgreich“, sagt Hui Zhang, Vice President der Nio Group.

Deutschland wird Ende 2022

So ist es in China, so soll es in Europa sein, wo Norwegen als Blaupause für den Tigersprung in das Herz der Alten Welt dient. Los geht im skandinavischen Land mit dem vollelektrischen SUV ES8. Die Eroberungsstrategie ist schon vorbereitet. Nach dem skandinavischen Land folgt im vierten Quartal des nächsten Jahres eine erste Welle von weiteren Ländern. Neben Schweden, den Niederlanden, der Schweiz soll auch Deutschland in die Nio-Gemeinde aufgenommen werden. Die Speerspitze bildet da die Limousine Nio ET 7, die kürzlich die Erprobungsfahrten absolviert hat und in China schon Ende dieses Jahres an Kunden ausgeliefert wird.

Batteriewechselstation von NIO
Bis zu 13 Ersatzakkus beherbert die Station. Der Tausch erfolgt vollautomatisch – auf Knopfdruck. Foto: NIO

Das 5,09 Meter lange Elektrovehikel mit einer Reichweite von angeblich 1000 Kilometer und einer Antriebsleistung von 480 kW (653 PS) kostet in China 448.000 RMB (umgerechnet 56.000 Euro) ohne Batteriemiete und 378.000 RMP (49.683 Euro) mit der monatlichen Batteriemiete und wird für Europa angepasst. Zum Beispiel wird es eine europäische Version des putzigen Sprachassistenten „Nomi“ geben.

Warum bringt ide Marke kein SUV, wo die doch gerade so gefragt sind? Die Antwort ist einfach. Der ET 7 steht auf der aktuellen Plattform des chinesischen Autobauers und bietet daher die neueste Technik. „Man hat nur einmal die Gelegenheit einen ersten Eindruck zu hinterlassen“, weiß Europachef Oliver Schwarz.

Akkus werden gewechselt oder mit 180 kW geladen

Das ist vor allem in Ländern wie Deutschland wichtig. Schließlich versteht sich Nio als Premiummarke und will Audi, BMW und Mercedes, aber auch Tesla die Kunden abwerben. Das sorgt für eine hohe Messlatte. Um die zu überwinden, haben die Chinesen verstanden, dass man die deutschen Platzhirsche und kalifornischen E-Auto-Pionier nicht auf der Autobahn schlagen kann. Sie wählen – ganz im Sinne des Firmenchefs – einen Ansatz, bei dem der Kunde König ist.

Der neue ES 6 ist bereits das zweite Großserienmodell der chinesischen Marke. Es glänzt nicht nur mit einem günstigen Preis und einer luxuriösen Ausstattung, sondern auch mit pfiffigen Ladelösungen Elektroauto

Das geht schon beim Laden los. Nio will sowohl die von Nio entwickelte Wechselbatterien-Technik nach Deutshcland bringen als auch das Laden an öffentlichen Schnellladern mit einer Leistung von 180 kW ermöglichen. Der schnelle Batterietausch nach dem Konzept von „Better Place“ ist keine Spinnerei technikverliebter Enthusiasten. In China existieren bereits 470 solcher Wechselstationen, die mittlerweile bis zu 13 Ersatz-Akkumodule beherbergen und dafür nur noch den Platz von vier Parkplätzen benötigen. Die chinesische Regierung hat diese Technologie als wichtig gekennzeichnet und mittlerweile setzen auch Geely und SAIC auf diese Technik.

Clubatmosphäre im Nio-House Oslo
Begegnungsstätte für Nio-Fans in Bestlage, zum Entspannen und Diskutieren, aber auch zur Verkaufsförderung. Foto: NIO

Das Rangieren in den Wechselport wird übrigens in Zukunft nicht mehr nötig sein, das übernimmt dann das Auto per Knopfdruck selbsttätig. Wem auch das zu viel Aufwand ist, kann einen Art Valet-Service ordern, der das Wechseln der Module erledigt und den Wagen wieder beim Besitzer abliefert.

Damit hört der Service für den Nio-Kunden nicht auf. Damit auch jüngere Autofahrer sich einen Nio leisten können, bietet der Autobauer Leasingangebote für die Akkus an, die über die eigene Tochtergesellschaft Weineng Battery Asset abgewickelt werden. Hinter diesem Geschäftsmodell steht der Gedanke der „Battery as a Service“ (BaaS), damit kann man ein Auto mit einem kleinen Akkupaket täglich fahren und bei Bedarf – zum Beispiel für eine längere Urlaubsreise – eine größere Batterie ordern.

Nio lässt Batteriemiete wieder aufleben

Der Kaufpreis für ein Nio-Automobil verringert sich darüber um rund 9.000 Euro. Ein weiterer Nebeneffekt ist die Tatsache, dass ohne die teure, aber auch alternde Batterie der Restwert der Autos steigt. Zudem hat der chinesische Autobauer damit auch den Materialkreislauf in der eigenen Hand – losgelöst von den Fahrzeugen.

„Hallo Nomi, bring mich nach Hause“
Der putzige Sprachassistent auf dem Armaturenträger soll dem Fahrer aufs Wort gehorchen – in allen Sprachen. Foto: NIO

Wer lieber das Ladekabel in die eigene Hand nimmt, soll auch in Europa dazu die Möglichkeit haben. Die Chinesen beobachten das Gerangel um die Ladestationen sehr genau und wollen sich mit „einem starken Partner“ zusammentun. Deswegen kooperiert Nio in Norwegen mit Plugsurfing, was den Kunden Zugang zu 20.000 Ladepunkten verschafft. Ziel der Chinesen ist es, ein möglichst komfortables Ladeerlebnis zu kreieren. Also unter einem Dach und mit ordentlicher Beleuchtung, nicht irgendwo im hintersten Eck eines Parkplatzes, wie das hierzulande bei manchen Stromtankstellen entlang der Autobahnen aktuell der Fall ist.

Kooperationspartner gesucht

Noch verraten die Nio-Verantwortlichen nicht, mit welchem Unternehmen sie sich in Deutschland zusammentun. Das niederländische Start-up Fastned wäre aber ein geeigneter Partner, legt das doch ebenfalls auf einen hohen Ladekomfort hohen Wert. Allerdings bemühen sich die Niederländer ebenfalls um geeignete Orte entlang der Autobahnen – und werden sich wohl auch an der Ausschreibung der Standorte des so genannten „Deutschland-Netzes“ beteiligen.

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