Wie hoch der Strafzoll für Elektroautos aus China hierzulande ausfällt, steht noch nicht fest. Die Anti-Dumping-Untersuchung der EU-Kommission endet offiziell am 4. Juli, nach den Europa-Wahlen will der lettische Handelskommissar Valdis Dombrovskis aber angeblich schon Hinweise geben, was auf den aktuellen Importzoll von zehn Prozent noch obendrauf kommt. Experten rechnen mit einer vorübergehenden Anhebung um 15 bis 25 Prozent.
Natürlich beschäftigt die Thematik auch Johannes Brandenburger, den Geschäftsführer der O! Automobile GmbH, die von der Emil-Frey-Gruppe für den Vertrieb der chinesischen Elektroauto-Marke ORA sowie von Hybridautos der ebenfalls zu Great Wall Motor (GWM) zählenden Marke Wey gegründet wurde. Aber nervös macht ihn die Debatte nicht: „Unsere Kunden werden davon nichts merken“. Weder die Käufer des kompakten Ora 03 noch die des neuen Modells, das dieser Tage in den Handel kommt: Die elektrische Fließheck-Limousine Ora 07, mit der die Chinesen auch hierzulande dem Tesla Model 3 und dem BYD Seal, aber auch dem Polestar 2 und dem Hyndai Ioniq 6, Konkurrenz zu machen versuchen.
Zumindest ein wenig, mit Kampfpreisen ab 41.990 Euro für das 150 kW (204 PS) starke Basismodell „Pure“ und 53.490 Euro für das allradgetriebene und 300 kW starke Topmodell GT. In der einen Ausführung ist ein (brutto) 67 kWh großer Lithium-Eisenphosphat-Akku für bis zu 440 Kilometer Reichweite verbaut, in der anderen ein ternärer Lithium-Mangan-Kobalt-Akku mit 86 kWh Kapazität für etwa 520 Kilometer in einem Rutsch. Zur Einordnung: Ein vergleichbar starker BYD Seal ist 3000 Euro teuer, ein Ioniq 6 zumindest 2000 Euro. Und Brandenburger verspricht auch ähnlich günstige Leasingraten wie beim Ora 03 – das fünftürige Schwestermodell des elektrischen Mini Cooper ist hierzulande bereits für 149 Euro im Monat zu haben.
Allein die Ladeleistung schwächelt
Und der schicke Ora 07 bietet zum Teil deutlich mehr als die Konkurrenz. Serienmäßig sind unter anderem ein riesiges Panoramadach, LED-Scheinwerfer, eine Sprachsteuerung auch für Fensterheber und Kofferraumdeckel schon in der Basisversion sowie ein Paket an Assistenzsystemen, das ein teilautomatisiertes Fahrer auf Level 2+ ermöglicht. In der von uns gefahrenen GT-Ausführung gab es obendrein ein exzellentes Premium-Sound-System von Infinity, Sportsitze mit Heiz-, Kühl- und Massagefunktion sowie ein Head-up-Display. Eine Fünfjahres-Garantie auf das Fahrzeug ohne Kilometerbegrenzung, sowie acht Jahre auf die Batterie (bis 160.000 Kilometer) ist in allen Versionen dabei hier so ziemlich alles serienmäßig an Bord, auch jede Menge kluge Assistenten. Was will man mehr?
Na ja, vielleicht eine höhere Ladeleistung. Obwohl die Plattform auch ein 800-Volt-Bordnetz (wie im Ioniq 6) hergäbe, hat es GWM bei einer 400-Volt-Architektur belassen. Vor allem aber wird die Stromzufuhr am mit Gleichstrom betriebenen Schnelllader schon bei 88 kW gedrosselt – das ist eigentlich nicht mehr wettbewerbsfähig. Immerhin scheint, wie eine Kurze Pause an einer Shell-Station ergab, die Ladeleistung relativ lange gehalten zu werden: Bei einem Füllstand von 75 Prozent lagen noch 80 kW an. Angeblich ist der große Akku nach 36 Minuten wieder zu 80 Prozent gefüllt. Beim kleinen Akku soll es 43 Minuten dauern, bis der auf 10 Prozent entleerte Stromspeicher wieder zu 80 Prozent gefüllt ist. Da sind die Konkurrenten schon längst hinterm Horizont verschwunden.
Stromverbrauch unter 20 kWh/100 km
Da sollte GWM möglichst bald nachlegen. Der Rest ist schon ganz gefällig. Die Verarbeitungsqualität, die Güte der im Ora 07 eingesetzten Innenraum-Materialien – Kunstleder und Alcantara-ähnliche Velourstoffe, auch die auf Komfort ausgelegte Fahrwerksabstimmung. Dank der Akustik-Verglasung ist auch die Laufruhe selbst jenseits von 100 km/h (Höchstgeschwindigkeit: 180 km/h) ganz ausgezeichnet. Man kommt sich fast wie in einem Fahrzeug der Oberklasse vor. Etwas mehr Präzision könnte die Lenkung vermitteln – sie reagiert etwas träge auf schnelle Bewegungen des Lenkrads. Auch die Sprachsteuerung sowie die Verkehrszeichen-Erkennung bräuchten noch etwas Pflege. Aber das sollte sich mit ein, zwei Software-Updates schnell bewerkstelligen lassen.
Vieles andere aber weiß schon zu gefallen. Das großzügige Raumangebot, auch der Stromverbrauch: Ein Schnitt von 17,5 kWh auf 100 Kilometer soll mit dem GT-Allradler möglich sein, unsere forsche Testfahrt über Landstraßen und die Autobahnen rund um Mainz trieben die Anzeige des Bordcomputers auf 20 kWh/100 km.
Brandenburger plant in diesem Jahr noch mit einem Verkauf von 400 bis 500 Exemplaren des neuen Ora 07 über die aktuell rund 70 Vertriebspartner in Deutschland. Das sollte zu schaffen sein – solange sie es in Brüssel mit dem Protektionismus nicht übertreiben.