Battista „Pinin“ Farina (1893-1966) war ein schlauer Mann mit viel Geschmack und scharfem Blick. Nicht nur, dass der Designer und Karosseriebauer aus Turin einige der schönsten Autos aller Zeiten gezeichnet hat. Sondern er hatte auch klare Vorstellungen von der technischen Entwicklung. Denn schon früh war ihm klar, dass die nächste Revolution beim Auto erst dann eintreten werde, wenn es sich von den Beschränkungen des Verbrennungsmotors befreien könne.

Jetzt machen sich seine Nachfahren daran, diese Prophezeiung zu erfüllen. Denn nachdem Pininfarina über 90 Jahre lang nur Auftragsarbeiten erledigt und fremde Fahrzeuge von Alfa bis Volvo eingekleidet hat, bauen die Italiener in seinem Namen nun ihr erstes eigenes Auto. Ein Elektroauto. Und was für eins: Die Italiener steigen ohne falsche Bescheidenheit ganz oben ein im Markt. Mit einem 1900 PS stark, bis zu 350 km/h schnellen und netto mindestens zwei Millionen Euro teuren Supersportwagen. Dort, wo in der alten Welt Boliden wie der Bugatti Chiron zu Hause waren, wollen sie mit dem vollelektrischen Battista beweisen, dass auch auf der Electric Avenue Platz für eine eilige Elite ist, die mit Supersportwagen nur unzulänglich umschrieben und deshalb lieber als HyperCar geführt wird.

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Pininfarina Battista

Vier Elektromotoren mit insgesamt 1400 kW (1900 PS) Leistung beschleunigen das elektrische Hypercar mit 3500 Newtonmeter Drehmoment bis auf Tempo 350 – wo immer das möglich ist. Foto: Pininfarina

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Rimac C-Two

Mit einer Antriebsleistung von 1410 kW (1915 PS) kommt der Supersportwagen aus Kroatien leistungstechnisch dem Pininfarina sehr nahe. Kein Wunder: Beide Elektroautos haben den gleichen Antriebsstrang. Foto: Rimac

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Der Überflieger

Der Rimac C-Two will nicht nur mit seinen Leistungsdaten glänzen. Spektakulär ist auch das Türkonzept: Der Zweisitzer verfügt über Schmetterlingstüren. Foto: Rimac

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Lotus Evija

1470 kW oder 2000 PS treiben den elektrischen Supersportwagen aus der britischen Rennwagenschiede an, die inzwischen zum chinesischen Geely-Konzern gehört. Foto: Lotus Motors

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Lotus Evija bei Testfahrt in Goodwood

Maximal 130 Exemplare will Lotus von dem Elektro-Hypercar bauen. Und zum Preis von 1,75 Millionen britischen Pfund – umgerechnet knapp zwei Millionen Euro – an Sammler verkaufen. Foto: Lotus Motors

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Tesla Roadster

Mit vier Sitzplätzen, einer Reichweite von 1000 Kilometern und einem maximalen Drehmoment von 10.000 Newtonmetern will Tesla den Herausforderern aus der alten Welt Paroli bieten. Angepeilt wird eine Höchstgeschwindigkeit von 400 km/h. Dabei ist der Elektro-Sprinter noch vergleichsweise günstig: 250.000 Dollar werden im kommenden Jahr aufgerufen. Foto: Tesla

Die Italiener sind damit zwar die ersten, aber beileibe nicht die einzigen, die an einem elektrischen Überflieger arbeiten. Auf der anderen Seite der Adria hat sich Mate Rimac bereits mit dem in Handarbeit hergestellten Concept One so einen guten Namen gemacht, dass sich Porsche an dem Start-Up beteiligt hat. Und während man der jungen Firma jetzt sogar die baldige Übernahme Bugattis aus dem VW-Imperium andichtet, wollen die Kroaten mit ihrem Rimac C-Two beweisen, dass ihr Erfolg mit dem Concept One keine Eintagsfliege war.

Pininfarina, Rimac, Lotus und Tesla: Die vier neuen Supertrümpfe im Auto-Quartett

Dazu kommt als dritter im Bunde die englische Traditionsschmiede Lotus. Seit Jahren finanziell in den letzten Zuckungen, wurden die Briten von Geely aus China übernommen. Mit einem Stromstoß sollen sie wieder zum Leben erweckt werden. Denn noch bevor eine neue Elise kommt und ein bezahlbarer Elektro-Sportwagen auch für die Renault-Tochter Alpine entwickelt wird, will Lotus den Evija von der Leine lassen: 2000 PS Motorleistung, 320 km/h Spitzengeschwindigkeit und ein Preis von ebenfalls rund zwei Millionen Euro machen ihn neben Battista und C2 – und vielleicht noch dem Tesla Roadster der zweiten Generation – zu einem heißen Anwärter auf den Super-Trumpf im Autoquartett der Generation E.

In der Theorie sind solche extremen Leistungen bei Elektroautos relativ leicht darzustellen, räumt René Wollmann ein. Denn wo der Bugatti für 1500 PS einen Benziner braucht, der mit 16 Zylindern und acht Litern Hubraum so groß und schwer ist wie ein Kleinwagen, reichen dem Pininfarina-Entwicklungschef vier E-Maschinen, die nicht viel größer sind als ein American Football. Hinzu kommt natürlich ein schwerer Akku, der den Fahrstrom liefert. „Die Kunst ist es, diese Leistung auf die Straße zu bringen und beherrschbar zu machen.“ Zwar kennt sich der ehemalige Mitarbeiter der Mercedes-Tuningschmiede AMG damit ein bisschen aus. Schließlich hat der Westfale in Affalterbach mit dem Merrcedes SLS eCell vor zehn Jahren den ersten elektrischen Supersportwagen verantwortet. „Doch beim Battista stoßen wir noch einmal in ganz neue Dimensionen vor.“

Autor Thomas Geiger im Pininfarina Battista. Am Steuer: Ex-Formel-1-Pilot Nick Heidfeld.
Proberunde mit Nick Heidfeld
Autor Thomas Geiger im Pininfarina Battista. Am Steuer: Ex-Formel-1-Pilot Nick Heidfeld. Foto: Pininfarina

Einer der ersten, der das am eigenen Leib erfahren hat, ist Nick Heidfeld. Als ehemaliger PS-Profi aus der Formel 1 und der Formel E unterstützt er Wollmann als Testfahrer und dreht nach vielen Stunden im Simulator und im Labor gerade auf dem Hochgeschwindigkeitskurs in Nardo seine ersten Runden in der Realität. Und wenn er aussteigt, sieht man trotz Corona-Maske sein breites Grinsen. Denn selbst er habe so ein Auto bis dato nicht erlebt, gesteht der routinierte Raser auf der anschließenden Demo-Runde, bei der erstmals Journalisten ins Auto dürfen.

Pininfarina kommt mit 120 kWh-Akku

Dabei wechselt er an dem in der Tür eingelassenen Drehregler für die fünf Fahrmodi klammheimlich von „calma“ auf „furioso“ und tritt unvermittelt die 13 Zentimeter Pedalweg ganz durch. Wie aus dem Nichts und ohne jede Vorwarnung trifft die Insassen die explosive Kraft der Elektromotoren und deren vereinte 2.300 Newtonmeter mit der Wucht eines Vorschlaghammers. Die Lungen scheinen sich im Brustkorb zu falten, die Augäpfel prallen wie Ping-Pong-Bälle an den Hinterkopf und der Schädel schlägt schmerzhaft gegen die Kopfstütze, so brutal wirft es den Battista nach vorne.

Nicht nur die Vorstellungskraft ist überfordert von den weniger als zwei Sekunden für den Sprint auf Tempo 100, sondern auch die Physiognomie. Und der Rausch des Rasens reißt danach nicht ab. Sondern nach weniger als sechs Sekunden flimmert die 200er-Marke über den Bildschirm, und wenn wir nicht auf dem Handlingkurs wären, sondern auf dem Highspeedkreis, würde nach weiteren sechs Sekunden auch die 300 km/h-Marke fallen und erst bei 350 Sachen wäre Schluss.

Pininfarina Battista im Tarnkleid auf dem Hochgeschwindigkeitskurs von Nardo in Italien.
Im Tarnkleid über die Rennstrecke
Unter der Haut des Pininfarina Battista steckt das „Skateboard“ von Rimac. Foto: Pininfarina

Und auch wenn das ein einzigartiges Erlebnis ist, muss es kein einmaliges bleiben, verspricht Wollmann. Die Technik ist Vollgasfast, bemüht er eine Definition aus der alten Welt und verspricht 10, 20 solcher Sprints in schneller Folge. Auch der Akku gebe das her. Nicht umsonst haben die Italiener die größte Batterie eingebaut, die es bislang in ein Auto geschafft hat: die knapp 7.000 Lithium-Ionen-Zellen, die T-förmig im Karbon-Chassis eingelassen sind, stehen für eine Kapazität von 120 Kilowattstunden (kWh). Damit sollten selbst derartige Rasereien für mindestens eine Stunde möglich sein, stellt der Chefingenieur in Aussicht. Damit hält die Batterie auf jeden Fall länger durch als der Beifahrer. Denn je breiter Heidfelds Grinsen wird, desto fahler wird die Gesichtsfarbe seines Sozius.

Digitales Rasen mit vier Elektromotoren

Schließlich ist es nicht allein die schiere Beschleunigung, die den Battista auszeichnet. Sondern was Heidfeld sichtlich und deutlich spürbar mindestens genauso begeistert, ist die Präzision, mit der er den Pininfarina beherrschen kann. Vier individuell angesteuerte Motoren mit rasend schneller Schubumkehr ermöglichen das perfekte Torque Vectoring und damit die ultimative Stabilitätskontrolle. Und das alles, ohne jegliche Verzögerung, wie man sie selbst von den schnellsten Verbrennern kennt: Heidfeld bremst Kurven später an, durchschneidet die Radien mit größerer Geschwindigkeit und steht früher wieder auf dem Gas. Und obwohl der Battista deutlich mehr als zwei Tonnen wiegt, lässt er sich dabei von der Fliehkraft nicht im mindesten beeindrucken – das ist digitales Rasen 2.0 und ein Erlebnis, das man buchstäblich erst einmal verdauen muss.

Unterm Blech des Battista steckt Rimac

Zwar rühmt Pininfarina den Battista als erstes eigenes Auto und schreibt den Namen deshalb stolz und groß aufs Blech. Doch so ganz ohne fremde Hilfe hätten die Italiener das Projekt auch nicht zum Laufen gebracht. Ausgerechnet der Konkurrent Rimac wurde zum Kooperationspartner und schickte das so genannte Skateboard nach Cambiano bei Turin. Die Plattform umfasst den Akku, die Motoren und die Inverter. Erst wenn es ums Fahrwerk geht, um die Karosserie und natürlich um das Design, wird der Battista zur Eigenleistung der Italiener.

Doch Sorge um Verwechslung müssen sie im Piemont nicht haben. Denn während sich Rimac eher auf die Rennstrecke fokussiere, wolle der Battista ein Hyper-GT sein, beschreibt Wollman die unterschiedlichen Philosophien, ein Gran Turismo, der Lust macht auf lange Strecken. Selbst wenn er sich wie Heidfeld eindrucksvoll bewiesen habe, auch auf einem Rundkurs rundherum wohlfühle. Doch gemacht ist der Battista eher für sanft geschwungene Küstenstraßen oder gut ausgebaute Bergpässe, also für die gepflegte Landpartie in elitärer Eile.

Deshalb auch der riesige Akku für mehr als 500 Kilometer WLTP-Reichweite. Deshalb die Ladung mit bis zu 250 kW für Standzeiten von weniger als 20 Minuten für den Hub auf 80 Prozent. Und deshalb eine Kabine, die bei aller Reduktion mehr Raffinesse bietet als jeder Lamborghini oder Ferrari: Das Cockpit selbst ist natürlich digital und besteht aus einem Triptychon von Bildschirmen. Doch drum herum gibt es deshalb handvernähtes Leder und Aluminium-Schalter, die aus dem Vollen gefräst sind. Selbst der Schlüssel ist ein Kunstwerk und kostet wahrscheinlich mehr als ein Fiat 500.

Testfahrer Nick Heidfeld haben die Italiener bereits überzeugt. Zwar hat sich der Formel1-Veteran gerade erst einen gebrauchten Porsche Carrara GT mit einem wunderbar gestrigen V10-Benziner gekauft. Doch seit der ersten Runde in Nardò lockt ihn auch der Battista, räumt der Pendler zwischen der alten und der neuen Welt ein. Wenn er auch mit Bestellung und Bezahlung so schnell ist wie auf der Piste, könnte er Glück haben: Noch sind nicht alle 150 Exemplare des Elektro-Pininfarina verkauft.

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3 Kommentare

  1. Thomas Werner

    Clickbait?
    „Tesla das Fürchten lehren“

    Ohne den Text gelesen zu haben.
    Glaube kaum das die 500.000 im Jahr verkaufen.

    Antworten
    • Franz W. Rother

      Geht nicht um Stückzahlen, sondern um Leistungsdaten – in Konkurrenz zum Tesla Roadster. Text lesen hilft gelegentlich

      Antworten
      • Thomas Werner

        … und warum sollte Tesla sich jetzt fürchten wenn der Schlitten das 8-fache kostet?

        Antworten

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