Einst war Thomas Ingenlath Chefdesigner von Volvo Cars. Doch aus der einstigen Kreativkraft mit Volkswagen-Historie ist als CEO von Polestar längst viel mehr geworden. Der 59-jährige dirigiert die Schweden in eine Zukunft, die modern, elektrisch und trotz aller chinesischen Einflüsse der Konzernmutter Geely betont skandinavisch sein soll.
Polestar – das ist der smarte Weg, wenn man im Alltag keinen Audi, Mercedes, BMW oder gar Porsche fahren will. Polestar ist chic, edel und mit seinem Nachhaltigkeitsansatz irgendwie anders. Lange Zeit haperte es an den rechten Produkten. Der 600 PS starke Polestar 1 sorgte für Aufsehen, war aber eigentlich ein Volvo. Erst spät wurde dem Volvo-Coupé das Stern-Logo aufgeklebt.
Vier neue Modelle bis 2026
Als echtes Erstlingswerk kam 2019 der Polestar 2 auf den Markt. Kein elektrischer SUV, sondern eine Limousine, kess geschnitten mit mächtig Power und einem strammen Sportfahrwerk. Die Verwandtschaft mit Volvo war auch dem Modell deutlich anzusehen. Trotzdem war es wieder irgendwie anders. Es dauerte seine Zeit, aber nun wird aus dem Einzelspieler eine vollelektrische Familie.
Bis 2026 soll die Modellpalette ordentlich wachsen. Die beiden neuen SUV – der Polestar 3 und der ebenfalls mutig gestylte Polestar 4 – sind dabei Dreh- und Angelpunkte. Ab 2025 folgen mit dem Polestar 5 ein viertüriger Gran Turismo und 2026 sogar ein elektrischer Roadster, der die Idee des Polestar O2 in ein überaus sehenswertes Serienmodell umsetzt.
Nachhaltigkeit wird groß geschrieben
„Mit der Markteinführung unserer beiden SUVs, Polestar 3 und Polestar 4, wächst unser Portfolio von einem Auto – dem Polestar 2 – auf drei. Die kommenden Monate werden zu den aufregendsten in der Geschichte unseres jungen Unternehmens gehören“, kündigte Ingenlath beim „Polestar Innovation Day“ in Los Angeles an.
Nachhaltigkeit ist ein großes Thema bei den Schweden, doch man will dadurch nicht in die Ökoecke abgeschoben werden. So ist der neue Polestar 4, der ab dem kommenden Jahr auch in Südkorea gefertigt wird, auf Wunsch mit einer besonders edlen Lederausstattung zu bekommen und Leistung satt gibt es obendrein.
Doch es geht nicht allein um die Fahrzeuge, denn das würde kaum reichen, um wirklich anders als die Konkurrenz zu sein. Bis 2030 soll mit dem „Polestar 0“-Projekt ein klimaneutrales Serienfahrzeug Realität werden. Damit wäre man ein paar Jahre früher als die meisten Konkurrenten aus den USA, Asien und Europa dran.
Während die Modelle für die Märkte in Asien und Europa aus der chinesischen Produktion in Hangzhou Bay stammen, kommt der Polestar 4 für den nordamerikanischen und den südkoreanischen Markt aus dem Renault-Korea-Motors-Werk in Busan. RKM hat mit seinem direkten Zugang zu Exporthäfen entsprechende Kostenvorteile und verfügt über 23 Jahre Erfahrung in der Fahrzeugherstellung.
Künftig fünf Werke in drei Ländern
Die südkoreanische Fertigung hat sich zum Ziel gesetzt, seine CO2-Emissionen bis 2030 um die Hälfte zu reduzieren und will bis 2024 klimaneutral werden. „Da der Polestar 3 Anfang 2024 in Chengdu und im Sommer 2024 in South Carolina in Produktion gehen soll“, sagt Ingenlath, „werden wir bald in fünf Fabriken in drei Ländern produzieren und damit unsere globalen Wachstumsambitionen unterstützen.“
Die technische Basis des 4,84 Meter langen Polestar 4 ist die von der Konzernmutter Geely entwickelte Premium Sustainable Experience Architecture. Durch den Radstand von 3,00 Metern und der geschlossenen Rückwand bietet das bis zu 544 PS starke Elektromodell besonders im Fond viel Raum für die Insassen – aber keine Heckscheibe. Der fehlende Lichteinfall wird durch eine variable Ambientebeleuchtung sowie das weit nach hinten reichende Panoramadach ausgeglichen.
Heckscheibe wird überflüssig
Ganz neu ist die Idee mit der fehlenden Heckscheibe nicht. „Mit dem Polestar Precept hatten wir bereits einen Ausblick auf ein atemberaubendes neues Fahrzeugerlebnis gegeben, indem wir erstmalig auf die Heckscheibe verzichtet haben“, so Polestar-Chefdesigner Maximilian Missoni, „der hintere Kopfbereich, der eine wichtige Rolle für die Sicherheit spielt, wurde zugleich weiter nach hinten verlagert.“
Der sehenswerte Polestar 3 wildert bei der internationalen Konkurrenz mit markigem Design, variablem Innenraum und einem 380 kW / 517 PS starken Allradantrieb, während das 111-kWh-Akkupaket mit seinen 204 prismatischen Zellen in 17 Modulen Reichweiten von mehr als 600 Kilometern garantieren soll. Selbst im Basispaket bietet der Polestar 3 stattliche 360 kW (489 PS) Leistung für einen Einstiegspreis von knapp 90.000 Euro.
Konkurrenz für BMW i5 und Tesla Model S
Doch nicht allein Polestar-Fans freuen sich bereits auf die viertürige Sportlimousine des Polestar 5, der sich ab Mitte 2025 gegen Elektromodelle wie einen Mercedes EQE, einen BMW i5 oder das in die Jahre gekommene Tesla Model S in Szene setzen soll. Nach Vorbild der Konzeptstudie Precept verzichtet auch er auf eine Heckscheibe.
Darüber hinaus sollen alle neuen Polestar-Modelle hoch automatisierte Fahrfunktionen erhalten. So soll der Polestar 4 das erste Serienfahrzeug sein, in dem Dank Luminar-Lidar-Technik der sogenannte Mobileye Chauffeur zum Einsatz kommt. Dank der kamerabasierten Supervision-Plattform soll so autonomes Fahren auf der Autobahn möglich sein. Dafür ist der Polestar 4 mit drei EyeQ6-Prozessoren, dem LiDAR von Luminar und einem Radar ausgestattet, die die künstliche Intelligenz an Bord mit Daten versorgt.