Als der elektrische BMW i3 vor einem Jahrzehnt auf die Bühne rollte, lieferten nicht nur sein Antrieb, das Türkonzept und das futuristische Design Gesprächsstoff. Auch die Reifen des kleinen Elektroautos verwunderten viele Zeitgenossen. Mit einem großen Durchmesser und einer geringen Breite brachen die Pneus im Format mit der Vorstellung, dass Räder möglichst breit sein sollten, um ordentlich Grip aufbauen zu können.
Die spindeldürren, speziell für den BMW i3 entwickelten Reifen im Format 155/70 R19 hingegen hatten andere Qualitäten. Grip und Seitenhalt waren zwar mäßig, dafür glänzten die speziell für den BMW i3 entwickelt Reifen mit minimalen Rollwiderstand für maximale Reichweite. Ganz ähnlich dimensioniert waren später die Vorderreifen am BMW i8-Sportwagen mit Hybridantrieb (195/50 R20). Und auch der elektrische Tesla Roadster (175/55R16) kam in der Serienbereifung recht schmalspurig daher. Breite Räder und Elektroautos, so schien es damals, schließen sich aus.
Mittlerweile rollen immer mehr Elektroautos über unsere Straßen. Und längst nicht alle mehr sind mit spindeldürren Rädern unterwegs. Trotzdem kommt dem Rollwiderstand weiterhin eine zentrale Bedeutung zu – neben der Tragfähigkeit. Denn das Mehrgewicht großer Akkupakete will bei einem Mercedes EQS, einem Tesla Model X oder einem Audi E-Tron GT geschultert sein.
Hohes Drehmoment = hoher Reifenverschleiß
Und noch ein anderer Punkt will bei der Reifenentwicklung für Elektroautos berücksichtigt sein: Das hohe Drehmoment der Motoren sorgt für hohe Beschleunigungswerte – und einen entsprechend hohen Reifenverschleiß. Und das gilt nicht nur für E-Sportwagen vom Kaliber eines Porsche Taycan Turbo S oder eines Tesla Model S Plaid, die aus dem Stand in weniger als drei Sekunden auf Tempo 100 sind. Entsprechend hoch sind die Anforderungen der Fahrzeug- an die Reifenhersteller.
Einer dieser Reifen ist der Goodyear Eagle F1 Asymmetric 5, der unter anderem auf Sportmodellen wie dem Audi RS E-Tron GT mit seinen 441 kW (600 PS) Antriebsleistung verbaut wird. Als Audi sich für Goodyear als Erstausrüster entschied, um E-Tron GT und RS E-Tron GT auf die Straßen rollen zu lassen, wurde der Reifen technisch den neuen Gegebenheiten angepasst. So wurde gezielt die Bewegung im Reifenprofil reduziert, um zu einem präziseren Lenkverhalten und auf ein höheres Gripniveau zu kommen.
Auch das Schwestermodell Porsche Taycan ist mit dem angepassten Goodyear-Reifen Eagle F1 oder ähnlich aufgebauten Hochgeschwindigkeitsreifen von Pirelli unterwegs. Der Reifentyp bietet einen geringen Rollwiderstand für maximale Reichweite, reduziert die Abrollgeräusche und soll trotzdem so komfortabel wie möglich sein.
30 Prozent weniger Rollwiderstand
Dies mit entsprechendem Grip und maximaler Sicherheit zu kombinieren, ist eine echte Herausforderung für die Reifenentwickler. Der vollelektrische Cupra Born ist auf Reifen von Bridgestone unterwegs, die über die so genannte „Enliten“-Technologie verfügen. Dadurch wird der Rollwiderstand nach Herstellerangaben um bis zu 30 Prozent reduziert. Gleichzeitig ist das Gewicht um 20 Prozent geringer.
„Die Reifen müssen in der Lage sein, mit dem sofortigen Drehmoment und dem zusätzlichen Fahrzeuggewicht fertig zu werden. Außerdem müssen sie helfen, die Reichweite zwischen den Ladevorgängen zu erhöhen und die Straßengeräusche zu reduzieren, die bei einem leisen Elektrofahrzeug stärker wahrnehmbar sind“, erläutert Laurent Colantonio, technischer Direktor bei Goodyear. „Wenn wir einen Reifen für ein Elektroauto entwickeln, gibt es bestimmte Bereiche, auf die wir uns konzentrieren müssen. Wir können die die Lauffläche so entwickeln, dass eine größere Aufstandsfläche entsteht. Unsere Arbeit am Laufflächendesign verhindert auch, dass Schallwellen in die Rillen eindringen, was die Geräuschentwicklung reduziert.“
Runflat-Technologie erspart Reserverrad
Bei einem Leergewicht von 2,2 Tonnen sind die Erfordernisse ganz ähnlich, aber nicht gleich wie bei Sport- und Supersportwagen mit Verbrennermotor. Je nach Fahrzeugklasse werden solche Hochgeschwindigkeitsreifen je nach Gewichtsklasse und Dimension des Fahrzeugs zumeist zwischen 17 und 21 Zoll angeboten. Der amerikanische Elektroauto-Hersteller Rivian stattet seine deutlich über zwei Tonnen schweren Elektro-SUV und -Pick-Up-Modelle R1S und R1T mit speziell entwickelten Offroad-Reifen vom Typ Pirelli Scorpion aus.
Und da es bei den Elektroautos mehr als bei Verbrennermodellen um Gewicht und Platzangebot geht, sind Ersatzreifen ein Tabu. Statt dessen sind einige Reifen auf Wunsch mit Runflat-Technologie zu bekommen, damit es im Falle eines Plattfußes noch eine längere Strecke bis zum sicheren Rädertausch weitergehen kann. Bridgestobe bietet mittlerweile Reifen an, die sich dank der sogenannten B-Seal-Technologie bei kleineren Schäden automatisch abdichten. Die Luft soll damit nicht mehr entweichen können.
Auch der Fisker Ocean ist mit speziellen Reifen von Bridgestone unterwegs. Fisker will die Produktion des Crossover im November aufnehmen und verspricht eine Reichweite von 440 Kilometern erreichen. Die Ocean-Version Extreme soll dank perfekt abgestimmter Reifen mit einer Akkuladung sogar bis zu 630 Kilometer weit kommen.