Das Baguette ist den Franzosen geradezu heilig. Es ist im Nachbarland Tradition, morgens die nächstgelegene Boulangerie aufzusuchen, um zum Frühstück wenigstens ein Exemplar des flauschigen Stangenbrot zu erwerben. Möglichst noch im warmen Zustand. Zum Frühstück oder später fürs Diner. Das Baguette steht inzwischen sogar auf der Liste des Kulturerbes der Vereinten Nationen. Aber die Zahl der Betriebe, in denen es in traditioneller Weise aus Weizenmehl. Hefe, Salz und Wasser hergestellt wird, wird immer geringer: Wegen der steigenden Strom- und Personalkosten haben viele Bäckereien in den vergangenen Jahren dicht gemacht. Auf dem Land ist die nächste Boulangerie deshalb oft schon nicht mehr zu erreichen.

Bei Renault haben sie die Entwicklung wohl sorgsam verfolgt – und eine Lösung für das Beschaffungsproblem kreiert: Einen „Porte-Baguette en osier“. Zu deutsch: Einen Weidenkorb, das an die Mittelkonsole gehängt wird, damit das etwa 60 Zentimeter lange Brot auf der Strecke von der Verkaufstheke zum Frühstückstisch keinen Schaden nimmt. Damit ist auch unser kanariengelbes Renault 5E-Tech ausgestattet. Und wir haben es natürlich gleich ausprobiert. Das Ergebnis: Auch ein Baguette aus deutscher Fertigung passt perfekt hinein.

Sonnenstrahl ins Herz
In "Pop-Yellow" kommt unser Testwagen in Iconic-Ausführung daher. Das sorgt für Aufmerksamkeit - und lässt den Fahrer frohlocken.
Sonnenstrahl ins Herz
In „Pop-Yellow“ kommt unser Testwagen in Iconic-Ausführung daher. Das sorgt für Aufmerksamkeit – und lässt den Fahrer frohlocken.

Doch wäre uns die Sache 192 Euro wert? So viel ruft nämlich Renault Deutschland für den Brotkorb auf. In Frankreich ist das Zubehörteil mit 153 Euro deutlich günstiger. Aber hier wie da muss der vollelektrische Renault 5 in einer der gehobenen Ausstattungen geordert werden, um diese Option überhaupt wählen zu können. Im Konfigurator für die günstigen Basisversionen taucht der Korb gar nicht erst auf. Na klar: sollen sie doch Kuchen essen.

Alles atmet Automobilgeschichte

Allein für den Transport von Brot und Brötchen wird sich allerdings auch niemand einen Renault 5 anschaffen. Dafür ist auch auch ohne „Porte-Baguette en osier“ zu teuer: Wenigstens 24.990 Euro kostet im Nachbarland der Stromer in der 95 PS oder 70 kW starken Version „Urbaine“ mit 310 Kilometern Reichweite – die bei uns gar nicht erst angeboten wird. Für unseren 150 PS oder 110 kW starken Testwagen in der Ausführung Iconic Five Comfort Range werden inklusive Brotkorb, Sound- und Sicherheitspaket sowie Zweifarb-Lackierung schon 34.500 Euro aufgerufen. Das ist in etwa die Summe, die man in Frankreich in 90 Jahren Lebenszeit für Baguettes ausgeben könnte. So man denn so alt wird und der durchschnittliche Preis von einem Euro pro Stange nicht steigt.

Zurück in die Zukunft
Retro-futuristisch nennt Renault das Design des Renault 5 E-Tech Electric. Soll heißen: Die Form gab der Klassiker vor, der elektrische  Antrieb steht für die Zukunft der Mobilität. Und die Liebe zum Automobil. Verbrenner-Verbot hin oder her. Fotos: Rother
Zurück in die Zukunft
Retro-futuristisch nennt Renault das Design des Renault 5 E-Tech Electric. Soll heißen: Die Form gab der Klassiker vor, der elektrische Antrieb steht für die Zukunft der Mobilität. Und die Liebe zum Automobil. Verbrenner-Verbot hin oder her. Fotos: Rother

Aber der Mensch lebt ja bekanntlich nicht vom Brot allein. Er braucht auch Liebe, Hoffnung und Wertschätzung – die er im neuen Renault 5 reichlich erfährt. Vor allem Liebe zum Detail. Das zeigt sich unter anderem in der Mühe, die sich die Designer gegeben haben, um Erinnerungen an die erste Modellgeneration aus den frühen 1970er-Jahren wachzurufen. Bei der Gestaltung der Außenform, der Scheinwerfer und Heckleuchten, auch bei der Auskleidung des Innenraums: Wohin das Auge fällt – alles atmet Automobilgeschichte.

400 Kilometer Reichweite – theoretisch

Wobei die praktischen Dinge des Lebens nicht zu kurz kommen. Im Unterschied zu damals gibt es den Renault 5 ausschließlich mit vier statt nur mit zwei Türen. Und der Kofferraum wuchs von 215 auf 326 Litern. Na klar – das neue Modell ist ja auch auf eine Länge von 3,92 Meter gewachsen. Der Ahne war etwa 30 Zentimeter kürzer. Bei ihm musste ja auch keine Batterie mit einer Kapazität von 52 kWh zwischen die Achsen passen. Ein kleiner Tank mit 43 Litern Inhalt reichte damals. Später fasst der Benzintank sogar nur 38 Liter. Bei einem durchschnittlichen Verbrauch von acht bis neun Litern auf 100 Kilometern konnte man damit gut 400 Kilometer zurücklegen.

Bewegte Zeiten
 Das Display auf der Front des Renault 5 zeigt den Lade-Fortschritt an: Ist der Akku voll, erstrahlt die Fünf mit allen fünf Balken.
Bewegte Zeiten
Das Display auf der Front des Renault 5 zeigt den Lade-Fortschritt an: Ist der Akku voll, erstrahlt die Fünf mit allen fünf Balken.

In etwa die gleiche Strecke legt auch der Renault 5 E-Tech Electric (theoretisch) mit einer Akkuladung zurück – unter idealen Bedingungen und bei zurückhaltender Fahrweise: 405 Kilometer im Drittelmix oder sogar 569 Kilometer im reinen Stadtverkehr verspricht Renault. Wir kamen im Spätherbst allerdings auf einen Durchschnittsverbrauch von 18,8 kWh/100 km und mussten deshalb in aller Regel schon nach 250 Kilometern einen Ladeplatz aufsuchen. Was dank einer exzellenten Laderoutenplanung auf der Basis von Google Maps keinerlei Probleme bereitete.

Alles andere als lahm

Die maximale Ladeleistung am CCS-Schnelllader beträgt 100 kW, die auch schnell erreicht werden, wenn man die serienmäßige Akkukonditionierung nutzt. Spätestens nach 30 Minuten ist dann die Batterie zu 80 Prozent wieder gefüllt und die Fahrt kann weiter gehen. Wie schnell sich der Akku füllt, lässt sich auch von außen beobachten: Fünf Balken formen auf einem Display vor der Frontscheibe die Ziffer 5, wenn der Akku voll ist. Daraus spricht nicht nur Liebe, sondern auch Wertschätzung.

Mal schnell zum Bäcker 
Der Brotkorb ist ein nettes Feature - auch wenn er den Beinraum des Beifahrers einschränkt und obendrein unverschämt teuer ist.
Mal schnell zum Bäcker
Der Brotkorb ist ein nettes Feature – auch wenn er den Beinraum des Beifahrers einschränkt und obendrein unverschämt teuer ist.

Gleiches gilt für das Fahrverhalten. Der 110 kW stark Frontmotor geht E-Auto typisch dynamisch zu Werke und beschleunigt den 1,5 Tonnen in acht Sekunden auf Tempo 100 – der legendäre Renault 5 Turbo von 1980 brauchte dafür nur eine Sekunde weniger. Bei viele Ampelstarts im Stadtverkehr hat der kleine Franzose damit die Nase vorn. Dabei geht es im Innenraum erfreulich leise zu. Und erfreulich komfortabel: Dank einer Mehrlenker-Hinterachse hoppelt der Stromer trotz einer sportlich-straffer Federung nicht unangenehm über Fahrbahn-Unebenheiten hinweg wie ein Kaninchen über Ackerfurchen. Das Vorgängermodell Zoe mutete den Insassen da schon mehr zu.

Zu viert etwas beengt

Fahrten über kurvenreiche Landstraßen gestalten sich so zumindest für die Menschen in der ersten Sitzreihe ausgesprochen vergnüglich. Zumal sich der Renault präzise steuern lässt und die Scheibenbremsen rundum kraftvoll zupacken – wenn man erst einmal den Druckpunkt gefunden hat. Für erwachsene Fondpassagiere ist das Fahrvergnügen deutlich geringer. Wegen der geringen Kniefreiheit und dem Mangel von Ablagen, aber auch wegen der fehlenden Möglichkeit, die Füße unter den Vordersitz zu schieben, wenn dort ein ausgewachsener Europäer hockt. Ja, trotz eines gewissen Wachstums ist der Renault 5 ein Kleinwagen geblieben. Aber derzeit eine der vergnüglichsten Arten, ein Elektroauto zu bewegen. Zur Arbeitsstätte, raus aufs Land – oder einfach nur für die tägliche Fahrt zum nächsten Bäcker.

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