Der vollekektrische Renault Mégane E-Tech Electric ist nicht unbedingt ein Burner in der Zulassungsstatistik. Der Verkaufsstart im Frühjahr 2021 verlief holprig, wegen Lieferengpässen bei Halbleitern und Batteriezellen musste die Produktion im Werk Douai vorübergehend angehalten und ein Verkaufsstopp verhängt werden. Später folgten eine (stille) Rückrufaktion wegen zu schwach dimensionierter Türbänder und einer zickigen Ladeklappen-Verriegelung.

Zudem schreckt den einen oder anderen Interessenten der relativ hohe Kaufpreis, der in Deutschland für die Ausführung mit dem kleinen, 40 kWh großen Akku und einer Antriebsleistung von maximal 96 kW (130 PS) beginnt und bis rauf auf über 52.000 Euro für das Topmodell EV60 Iconic mit 60 kWh-Akku und 160 kW (220 PS) reicht. Für den Preis gibt es auch schon ein ausgewachsenes Model Y (44.890 Euro) von Tesla – mit deutlich mehr Antriebs- und Ladeleistung. Das Ergebnis: Vom Mégane setzte Renault im vergangenen Jahr mit rund 33.000 Einheiten nicht einmal halb so viele Exemplare ab wie Tesla vom Model Y.

22 kW AC, bis zu 150 kW DC 
Renault wird den Scenic mit zwei Akkugrößen anbieten. Eine neue Zellchemie erlaubt Ladeleistungen von bis zu 150 kW.
22 kW AC, bis zu 150 kW DC
Renault wird den Scenic mit zwei Akkugrößen anbieten. Eine neue Zellchemie erlaubt Ladeleistungen von bis zu 150 kW.

Gespannt darf man vor dem Hintergrund sein, wie viel Renault für den Scenic E-Tech Electric aufrufen wird, das größere Schwestermodell des vollelektrischen Mégane. Auf der IAA Mobility in München hat das „elektrische Familienauto“ aus Frankreich jetzt seine Weltpremiere – kurz nach dem Jahreswechsel soll es in den Handel kommen.

Um es vorwegzunehmen: Den Verkaufspreis für das Modell mochte Markenvorstand Fabrice Cambolive vor Öffnung der Bestellbücher im November noch nicht nennen. Nur so weit ließ er sich locken: „Wir werden den Markt weiterhin aufmerksam beobachten. Mittelfristig wollen wir unsere Elektroautos so günstig wie unsere Vollhybride anbieten“ – das wäre ein Aufpreis von etwa 5000 Euro gegenüber einem vergleichbar großen Verbrenner.

Familienauto von 4,47 Metern Länge

Der neue Vollstromer – eine Mixtur aus Kompakt-Van und SUV – nutzt die gleiche CMF-EV genannte Plattform des Mégane (und übrigens auch des Nissan Ariya), kommt aber mit einer Länge von 4,47 Metern und 1,85 Metern Höhe deutlich stattlicher daher als der kompakte Crossover. In der Länge beträgt der Zuwachs 26 Zentimeter, in der Höhe 35 Zentimeter. Der Radstand wuchs hingegen nur geringfügig von 2,69 Meter auf 2,78 Meter. Trotzdem ist der Sitzkomfort speziell auf der Rücksitzbank deutlich größer geworden, wie sich bei einer ersten Sitzprobe zeigte. Sowohl in punkto Knie- wie auch Kopffreiheit gibt es nichts zu meckern.

Das kennt man schon
Das Cockpit teilt der neue Scenic mit dem Renault Mégane – mit seinen Stärken, aber auch allen Schwächen wie dem Schalter-Salat rund um das mit Tastern und Schaltern vollbelegte Lenkrad.

Ansonsten werden sich Fahrer eines Mégane im neuen elektrischen Scenic (neuerdings ohne Apostroph geschrieben) sofort zurechtfinden. Denn das Cockpit ist vollkommen identisch. Gewünscht hätte man sich eine Verringerung der Bedienhebel rund um den Lenkradkranz – Fahrschalter und Scheibenwischer-Hebel liegen so eng beieinander, dass es im Mégane gelegentlich zu Fehlbedienungen kommt. Aber am Satelliten an der Lenkradsäule zur Steuerung des Radios halten die Franzosen seit mittlerweile 30 Jahren unbeirrt fest – andere haben längst bewiesen, dass die Funktion auch besser zu steuern ist. Zum Trotz gibt es ein neues Sounddesign, das Jean-Michel Jarre für Renault komponiert hat. Mit dem Ergebnis, dass Fußgänger Vögel zwitschern hören, wenn sich der neue Scenic nähert.

Ladeleistung steigt auf 150 kW

Wichtiger sind Fortschritte an anderen Stellen. Der neue Elektromotor kommt ohne Seltene Erden aus. Und der NMC (Nickel-Mangan-Kobal)-Akku von LG Chem verfügt über eine um sechs Prozent höhere Energiedichte als im Mégane. Mit dem Ergebnis, dass der 60 kWh-Akku nur noch aus zwölf Modulen mit jeweils 16 Zellen besteht und auch der große, 87 kWh fassende Stromspeicher zwischen die beiden Achsen passt. Dargestellt werden sollen damit Reichweiten zwischen 420 (60 kWh) und 620 Kilometer (87 kWh-Akku). Damit lässt sich schon einmal eine entspannte Urlaubsreisen bei einer Höchstgeschwindigkeit von bis zu 170 km/h darstellen.

Smarte "Solarbay" 
Das große Panorama-Glasdach im Renault Scenic kommt ohne Sonnenrollo aus. Auf Knopfdruck verschattet sich die Glasfläche dank AmpliSky-Technologie in vier Stufen und auf Wunsch auch abschnittsweise.  Fotos: Renault
Smarte „Solarbay“
Das große Panorama-Glasdach im Renault Scenic kommt ohne Sonnenrollo aus. Auf Knopfdruck verschattet sich die Glasfläche dank AmpliSky-Technologie in vier Stufen und auf Wunsch auch abschnittsweise. Fotos: Renault

Zumal die maximale Ladegeschwindigkeit von 130 auf 150 kW ansteigt. Die neue Zellchemie mache es beim Scenic möglich, erklärte Cambolive. Beim Mégane arbeite man zwar an der Verbesserung der Ladeperformance, ein Upgrade per Software-Update sei aber hier nicht möglich. An der Wallbox oder einer Ladesäule am Straßenrand kann der Scenic Wechselstrom mit 22 kW aufgenommen werden. Hilfreich auch: Für eine höhere Ladeeffizienz und kürzere Ladezeiten wird die Batterie im Fahrzeugboden vorkonditioniert – gekühlt oder vorgewärmt, wenn sich das Fahrzeug einem zuvor ausgewählten Ladepunkt nähert.

800 Volt kein Thema

Während der neue vollelektrische Renault 5, der ebenfalls im kommenden Jahr auf den Markt kommt, bidirektional laden – also auch den Strom zurück ins (Haus-)Netz speisen – kann, hat Renault auf die Technik beim neuen Scenic verzichtet. Und auch die Umstellung auf eine 800-Volt-Architektur ist bei der Fahrzeugentwicklung kein Thema gewesen. „Die meisten unserer Wettbewerber haben keine – also gibt es auch für uns keinen Grund zum Wechsel“, argumentierte Cambolive.

Kante zeigen 
Die neue Formensprache von Renault drückt sich erstmals im Scenic aus. Sie ist "technischer", also kantiger. Fotos: Renault
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Die neue Formensprache von Renault drückt sich erstmals im Scenic aus. Sie ist „technischer“, also kantiger. Fotos: Renault

Für einen echten Wow-Effekt aber könnte das innovative, „Solarbay“ genannte und von Saint Gobain exklusiv für Renault entwickelte Panorama-Glasdach sorgen. Dank neuester AmpliSky-Technologie kommt das Dach ohne ein Rollo aus. Das Spezialglas verfügt über eine aktive Beschichtung, die das Dach in Sekundenschnelle segmentweise eintrübt oder wieder transparent werden lässt. Dabei besteht die Wahl zwischen vier Stufen: komplett transparentes Dach, komplett undurchsichtiges Dach, vorne transparentes und hinten undurchsichtiges Dach sowie umgekehrt. Beim Verlassen des Autos aktiviert sich automatisch ein Milchglasmodus. Das soll den Innenraum kühl halten und vor diebischen Einblicken schützen.

So weit, so gut. Und was kostet der Spaß? Eine Preisliste mochte Renault in München, vier Monate vor dem offiziellen Verkaufsstart, noch nicht herausrücken. Aber sicher ist: Der Scenic dürfte noch einmal etliche Tausend Euro teurer werden als der Mégane. Mal schauen, wie sich das auf die Verkaufszahlen auswirkt.

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1 Kommentar

  1. Michael Claßen

    „Der Scenic dürfte noch einmal etliche Tausend Euro werden als der Mégane. Mal schauen, wie sich das auf die Verkaufszahlen auswirkt.“.
    Jaja, der Scenic wird werden, aber was? Teurer? Günstiger?

    Liebe Grüße
    Michael

    Antworten

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