Im Miniaturwunderland spielten sie den Trauermarsch. Nein, nicht in der Hamburger Speicherstadt, sondern in Smartville Hambach. Denn nach mehr als einem Vierteljahrhundert lief in der Automobilfabrik in Lothringen kurz vor Ostern der letzte Smart ForTwo vom Band gelaufen. Nach 25 Jahren und über zwei Millionen Autos hat Mercedes damit einen Schlussstrich unter das vielleicht spannendste, auf jeden Fall aber schmerzhafteste (weil verlustreichste) Kapitel der jüngeren Unternehmensgeschichte gezogen.

Dabei hatten sie für den Kleinen doch so große Pläne: Nicht weniger als eine Mobilitätsrevolution wollten sie anzetteln und dem Elektroauto lange vor einem gewissen Elon Musk den Weg bereiten, als sie in den 1980ern mit einem ersten Minimobil zu experimentieren begannen – selbst wenn dieses Nahverkehrs-Fahrzeug-Konzept mit seinem radikalen Ansatz damals alle Vorstellungen sprengte. Doch als Uhrenpapst Nikolas G. Hayek mit der Idee von einem Swatch-Auto bei dem kurz zuvor zum VW-Chef ernannten Ferdinand Piëch abgeblitzt war und daraufhin in Stuttgart anklopfte, kam dem damaligen Mercedes-Chef Werner Niefer der Schweizer Weltverbesserer gerade recht: Technikvorstand Jürgen Hubbert arbeitete zusammen mit Designchef Bruno Sacco in Kalifornien an einem zweisitzigenMercedes Micro Car (MCC), mit Elektroantrieb an den Vorderrädern und einem Hochleistungs-Energiespeicher unter den Sitzen.

Der letzte Mohikaner 
In Hamburg lief kurz vor Ostern das letzte Exemplar des Smart EQ vom Band. Künftig werden hier ausgewachsene Geländewagen von Ineos produziert. Foto: Daimler AG
Der letzte Mohikaner
In Hamburg lief kurz vor Ostern das letzte Exemplar des Smart EQ vom Band. Künftig werden hier ausgewachsene Geländewagen von Ineos produziert. Foto: Daimler AG

Unter dem Dach der 1994 gegründeten Micro Compact Car AG haben sie die Revolution auf Rädern dann gemeinsam ins Rollen gebracht. Fernziel des Joint Ventures war die Vision, eine neue Generation von Mobilitätssystemen in die Realität umzusetzen. Hayek träumte von einer Flotte günstig produzierter, bunter Miniaturautos, so farbenfroh wie seine Armbanduhren. Ihre Kraft sollten sie aus elektrischen Radnabenmotoren und Hybridantrieben beziehen. Die Mercedes-Ingenieure hingegen glaubten damals noch an die Potenziale des Benzin- und Dieselantriebs – die Konflikte waren damit bereit vorprogrammiert.

Probleme von Anfang an

Der ultrakompakte Zweisitzer, der mit seiner poppigbunten, austauschbaren Plastik-Panels mehr nach Swatch aussah als nach S-Klasse, gab 1997 auf der IAA in Frankfurt seinen Einstand. Wenige Wochen später beginnt in Hambach die Produktion des 45 PS starken Dreizylinder-Ottomotors mit nur 598 Kubikzentimeter Hubraum für das heckgetriebene Smart City Coupé.

Vieles an diesem Auto, das 1998 in Deutschland in den Handel kommt, war damals wegweisend, auch wenn der Elektroantrieb erst einmal auf der Strecke blieb. Allem voran das Format mit anfangs nur 2,50 Metern Länge und der eingebauten Parkplatz-Garantie: Den Zweisitzer konnte man quer zur Fahrtrichtung parken. Oder das Sicherheitskonzept: Durch die silberne Tridion-Sicherheitszelle war der Bonsai-Benz so bocksteif, dass ihm selbst ein Crash mit einer S-Klasse nichts anhaben konnte. 

MCC Eco-Sprinter 
Schon in den 1970er Jahren machte sich Mercedes-Benz Gedanken über zukünftige Verkehrssysteme und ein elektrisches Nahverkehrsfahrzeug. Unter dem Begriff "Mercedes City Car" (MCC) entwickelte ein Team in den USA dann ein mikrokompaktes Elektroauto von nur 2,50 Metern Länge, das 1993 als Eco-Sprinter vorgestellt wurde. Foto: Daimler
MCC Eco-Sprinter
Schon in den 1970er Jahren machte sich Mercedes-Benz Gedanken über zukünftige Verkehrssysteme und ein elektrisches Nahverkehrsfahrzeug. Unter dem Begriff „Mercedes City Car“ (MCC) entwickelte ein Team in den USA dann ein mikrokompaktes Elektroauto von nur 2,50 Metern Länge, das 1993 als Eco-Sprinter vorgestellt wurde. Foto: Daimler

Doch zugleich war auch vieles an dem Auto so viel schlechter, als man es bei einem Modell aus dem Hause Mercedes akzeptieren wollte – mochte er auch noch so mini sein. Schließlich hat der Smart zum Start stolze 16.480 Mark gekostet und war damit 2.000 DM teurer als ein VW Polo, der zwar auch nur zwei Türen hatte, dafür aber fünf Sitze. Zudem klangen die Motoren erbärmlich, ließ das knüppelharte Fahrwerk die Insassen hoppeln ließen wie Osterhasen beim Endspurt zum Eiernest. Und es dauerte quälende 18,9 Sekunden, bis Tempo 100 erreicht waren. Obendrein scheiterte der Smart (aufgrund der fehlenden Batterie im Fahrzeugboden) wie die Mercedes A-Klasse am Elchtest und musste daraufhin ebenfalls mit einem ESP-System nachgerüstet werden.

Antriebswende frühzeitig eingeleitet

Aber Mercedes gab nicht auf und lud das Konzept immer wieder neu auf. Mit einem sparsamen Dieselmotor (1999), einer Cabrioversion (2000), verschiedenen Modellpflegemaßnahmen, um das Auto dynamischer und komfortabler zu machen. Es es gab aber manche Irrungen und Wirrungen. Wie die unterschiedlichen Anläufe für einen Viertürer – erst mit Mitsubishi, dann mit Renault. Smart Roadster und Coupé waren ebenfalls glücklose Versuche, doch noch irgendwie auf große Stückzahlen zu kommen. Ebenso wie der Export der Modelle nach USA, Australien oder China, wo der Bonsai-Benz immer ein Exot geblieben ist.

Smart Crossblade 
Beim Tür- und Dach-losen Crossblade wurde der Smart-Claim "Reduce to the Max" auf die Spitze getrieben. Der Preis auch: Wer eines der 2000 Fahrzeuge erwerben wollte, musste 2002 wenigstens 24.360 Euro auf den Tisch legen. Foto: Smart
Smart Crossblade
Beim Tür- und Dach-losen Crossblade wurde der Smart-Claim „Reduce to the Max“ auf die Spitze getrieben. Der Preis auch: Wer eines der 2000 Fahrzeuge erwerben wollte, musste 2002 wenigstens 24.360 Euro auf den Tisch legen. Foto: Smart

Und Autos wie der – „reduce to the max“ tür- und dachlose Smart Crossblade (2002) oder das geflügelte Kunstwerk ForJeremy taugen allenfalls als Beweis dafür, dass es bei Damals damals Manager mit Mut und Humor gab. Doch mit den ersten 100 Elektro-Smarts für einen Verkehrsversuch in London (2006) hatten sie den richtigen Riecher: 2009 begann in Hamburg die Serienproduktion des ersten Smart Fortwo Electric Drive. Der kleine Stromer hatte einen Lithium-Ionen-Akku mit einer Kapazität von 16,5 kWh an Bord, deren Zellen Tesla beigesteuert hatte – die Stuttgarter hielten damals 9,1 Prozent der Aktien an dem kalifornischen E-Auto-Pionier. Richtig lagen sie bei Smart sicher auch 2019 mit der Entscheidung, als erster europäischer Hersteller den Verbrenner ganz auszumustern.

Smart als Pflegekind nach China

Aber da war das Schicksal von Smart eigentlich schon besiegelt: Weil Mercedes Jahr für Jahr und über alle drei Modell-Generationen hinweg viel mehr Geld in die Marke investiert hatte als Smart jemals an Gewinnen generieren konnte, entschied der damalige Daimer-Chef Dieter Zetsche im März 2019, die defizitäre Tochter als Pflegekind in die Obhut des chinesischen Mercedes-Aktionärs Li Shufu und dessen Geely-Konzerns zu geben.

Smart Electric Drive 
Batteriezellen von Tesla hatte der erste Smart ED an Bord, der 2009 auf den Markt kam. Die Speicherkapazität von 16,5 Kilowattstunden reichte für einen Aktionsradius von 120 Kilometern im Stadtverkehr.
Smart Electric Drive
Batteriezellen von Tesla hatte der erste Smart ED an Bord, der 2009 auf den Markt kam. Die Speicherkapazität von 16,5 Kilowattstunden reichte für einen Aktionsradius von 120 Kilometern im Stadtverkehr.

Während die Designhoheit weiter in Stuttgart lag und liegt, sollten sich um Entwicklung, Vertrieb und Produktion nun gefälligst die Chinesen in Hangzhou kümmern. „Wir werden gemeinsam die nächste Generation elektrischer Smart designen, entwickeln und in China für den Weltmarkt bauen“, lautet das Credo der Kooperation

Zwar haben die Partner Wort gehalten, doch hat der als Smart #1 im Jahr 2022 präsentierte Erstling aus dieser Kooperation mit dem Smart EQ Fortwo nur noch den Markennamen gemein. Denn aus dem zuletzt 60 kW (82 PS) starken und 2,70 Meter kurzen Zweisitzer für 21.490 Euro ist ein 4,30 Meter langer Elektro-SUV geworden, der mindestens 37.490 Euro kostet und bis zu 315 kW (428 PS) leistet. Immerhin: Statt 133 Kilometer (nach der WLTP-Verbrauchsnorm) kommt der #1 aus China mit einer Akkuladung bis zu 420 Kilometer.

Smart #2 nimmt Gestalt an

Doch selbst wenn sie mit dem Winzling ihre größten Verluste geschrieben haben, wollen sie bei Smart offenbar nicht so ganz vom kleinen Stadtauto lassen. Zumindest nicht Dirk Adelmann. Er ist der CEO der für Vertrieb und Marketing verantwortlichen Smart Europe GmbH in Leinfelden – und lässt auf den Fortwo nichts kommen: „Er war seiner Zeit voraus – unkonventionell und innovativ zugleich. Insbesondere in den europäischen Märkten hat sich das Konzept des kompakten Zweisitzers bewährt“, ist der langjährige Mercedes- und Smart-Manager überzeugt. Er überrascht deshalb mit einer Aussage, die Mut macht im Miniatur-Wunderland: „Es ist für uns durchaus denkbar ist, hier in naher Zukunft nochmal anzusetzen.“

Smart #1 
Ein 4,27 Meter langer Kompakt-SUV für 37.490 Euro und mit einer Antriebsleistung von bis zu 315 kW ersetzte Ende 2022 den Smart EQ. Produziert wird der Stromer bei Geely in China. Schwestermodelle sind der ZeekrX und der Volvo EX30.
Smart #1
Ein 4,27 Meter langer Kompakt-SUV für 37.490 Euro und mit einer Antriebsleistung von bis zu 315 kW ersetzte Ende 2022 den Smart EQ. Produziert wird der Stromer bei Geely in China. Schwestermodelle sind der ZeekrX und der Volvo EX30.

Fürs erste klingt das nach dem üblichen „Schau’n mer mal“, das oft fällt bei solchen Gelegenheiten. Doch auf Nachfrage wird Adelmann dann konkreter. Was früher mal Fortwo hieß, sei als „Project Two“ fest in der Produktplanung, verrät er. „Wir entwickeln bei und für Smart gerade eine eigene Plattform, die einen solchen Zweisitzer tragen soll.“ Und weil es nirgendwo sonst auf der Welt bislang eine derart kompakte Elektroarchitektur gäbe, sei die nicht nur für die Geely-Familie interessant. Man spreche auch mit anderen Autoherstellern in China und dem Rest der Welt über entsprechende Ableger.

Zweisitzer soll unter 30.000 Euro bleiben

Auch diskutiere man mit Auftragsfertigern über die Produktion eines elektrischen Kleinwagens, der bei Smart vermutlich als #2 in den Markt kommt, auf der neuen Plattform in Europa. Schließlich dürfte hier das größte Interesse an einem solchen Fahrzeug bestehen – 80 Prozent des Zweisitzers könnten hier nach ersten Schätzungen verkauft werden. Weil Europa also der mit Abstand größten Markt ist, haben die Europäer auch die lauteste Stimme bei der Ausgestaltung des Lastenhefts. Darin werden die Eckdaten festgeschrieben und Adelmann hat sich den aktuellen Fortwo mit Blick darauf noch einmal genau angeschaut.

Smart #3 
Das vollelektrische SUV-Coupé ist das zweite Gemeinschaftsprodukt von Mercedes und Geely. Gegenüber dem 1000 Euro günstigeren #1 wuchs die Karosserie um 13 Zentimeter. Der Antrieb ist der gleiche. Bilder Smart
Smart #3
Das vollelektrische SUV-Coupé ist das zweite Gemeinschaftsprodukt von Mercedes und Geely. Gegenüber dem 1000 Euro günstigeren #1 wuchs die Karosserie um 13 Zentimeter. Der Antrieb ist der gleiche. Bilder Smart

Die Länge von zuletzt 2,70 Metern gilt ihm deshalb als Maßstab. Die Reichweite dagegen, die beim Fortwo im Alltag zuletzt bei bestenfalls 120  Kilometern lag, möchte er mindestens verdoppeln. Und der Preis eines Smart #2? Da ist offenbar noch am meisten Spiel drin in Adelmanns Überlegungen. Gesetzt ist für ihn ein Preis deutlich unterhalb der rund 30.000 Euro, die gerade für die Fahrzeuge der „Final Edition“ aufgerufen werden. Ob das neue Auto an letzten Basispreis von 21.490 Euro herankommen wird, mag er allerdings nicht versprechen. Auch weil es bis zum Start der Serienproduktion noch weit weg ist. „Wir haben das Project Two zwar schon im letzten Jahr aufgesetzt, aber die arbeiten erst mit dem Ende des Fortwo so richtig begonnen“, erklärt der Europachef.  „Drei, vier Jahre werden wir dafür schon noch brauchen.“  

Bis 2027, eher wohl bis 2028 bleibt es wohl erst einmal dunkel im Minaturwunderland. 

Artikel teilen

Kommentar absenden

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert