Mini legt bei der nächsten, der fünften Modellgeneration einen ziemlich anspruchsvollen Stunt hin. Obwohl die vollelektrischen Varianten des britischen Flitzers und die mit einem Verbrennungsmotor unter der Haube weitgehend identisch aussehen, stehen sie auf zwei völlig unterschiedlichen Plattformen. Während die konventionell befeuerten Versionen auf einer BMW-Architektur basieren, sind Teile der BEV-Versionen (interner Code J1) das Resultat der Zusammenarbeit mit dem chinesischen Autobauer Great Wall. Allerdings ist es nicht so einfach wie beim nächsten Smart, bei dem einer Geely-Plattform ein europäischer Hut aufgesetzt wird. Im Grunde fungiert Great Wall wie Magna einst beim BMW X3 als Zulieferer, bei dem Komponenten des Antriebsstrangs wie die Batterie samt Elektromotor eingekauft werden und eine Produktion hochgezogen wird.
Countryman kommt als Stromer zurück
Das wird den Kollegen von BMW nicht sonderlich gut schmecken, die all die Teile ebenfalls im Sortiment haben. Aber da die Produktion des BMW i3 im Juni ausläuft (dessen Antriebsstrang der aktuelle Mini Cooper SE nutzt), musste der Antrieb neu gedacht werden. Und da jedem Elektroauto ein genau kalkuliertes Geschäftsmodell zugrunde liegt und der Mini Cooper SE auch in China seine Abnehmer finden soll, dürfte der Fahrzeugpreis eine wichtige Rolle gespielt haben. Zumindest auf den Sonnenblenden des Prototypen sind jedenfalls noch chinesische Schriftzeichen zu sehen.
Denn in China fand die grundlegende Entwicklungsarbeit statt. Immerhin lag die Abstimmung der Hard- und Software liegt in den Händen der Techniker im Münchner Forschungs- und Innovationszentrum (FIZ). Dass BMW auch beim elektrischen Mini alle Fäden in der Hand behalten will, ergibt noch mehr Sinn, wenn man sich die Modellpläne der Stromer-Minis vor Augen führt: Neben dem Dreitürer wird es einen fünftürigen Crossover geben, dessen Format an den ersten Countryman erinnert. Hinzu kommt noch ein echter vollelektrischer Countryman.
Zwei Antriebsvarianten mit 40 und 50 kWh-Akku
Wir hatten jetzt den ersten dynamischen Kontakt mit dem BEV-Dreitürer, der im Frühjahr 2024 in zwei Varianten auf den Markt kommt: Den Cooper E mit 135kW (184 PS) und einer Batterie mit 40 kWh Speicherkapazität für eine Reichweite von bis zu 300 Kilometerm. Und den Mini Cooper SE mit 165 kW (224 PS) Antriebsleistung mit einem 50 kWh-Akku für Reichweiten von bis zu 400 Kilometern.
Der erste Blick auf den neuen Mini Cooper SE verrät einiges über das Lastenheft. Die kurzen Überhänge vorne und hinten versprechen mehr Fahrdynamik als beim Vorgänger. Die Nachfrage beim Fahrwerks-Experten Klaus Bramer bestätigt das Augenmaß: Der neue elektrische Mini ist nur unwesentlich kürzer als das aktuelle Modell. Genauer: Die Überhänge (vor allem hinten) sind um etwa drei Zentimeter geschrumpft, die Spur um circa vier Zentimeter breiter und der Radstand ist um rund drei Zentimeter gewachsen. Das führt zu einer wesentlich ausgeglicheneren Achslastverteilung als beim derzeitigen Mini Cooper SE, die 60 zu 40 (vorne zu hinten) beträgt.
Den tiefen Schwerpunkt der rein elektrischen Architektur nimmt man gerne als Extra an. Dass der nächste Mini Cooper SE trotz der größeren Reichweite auch noch leichter als das aktuelle Modell ist, verspricht zusätzliche Fahrdynamik. Diese Details machen sich sofort auf dem Beifahrersitz bemerkbar. Im Vergleich zum aktuellen Modell lenkt der Vorderwagen deutlich begieriger ein und das Heck unterstützt diese Vorhaben aktiv.
Größerer Radstand für mehr Komfort
Auch technisch legen die Ingenieure noch eine Schippe drauf. Sie verbessern die aus dem 1er BMW und dem BMW i3s bekannte actornahe Radschlupfbegrenzung (ARB), indem diese präziser anspricht und das Durchdrehen der Räder noch feiner regelt. Das wird auf dem vereisten nordschwedischen See besonders deutlich: Der Mini Cooper SE agiert sehr neutral und lässt sich mit einem geringen Lenkeinschlag wieder einfangen.
Offenbar haben die Münchner ihre Lektion gelernt: „Wir wollen auf keinen Fall ein Untersteuern“, erklärt Bramer. Dieses Ziel können die Techniker im Lastenheft guten Gewissens abhaken, obwohl noch 18 Monate Zeit zum Feintuning bestehen. „Wir werden uns keinesfalls verschlechtern“, schmunzelt Bramer.
Davon ist auszugehen. Auch beim Komfort spürt man die Fortschritte sofort. Der Mini Cooper federt harmonischer ab als das beim aktuellen Elektro-Mini der Fall ist. Der größere Radstand macht nicht nur das Fahrverhalten stabiler und beherrschbarer, sondern verschafft den Fahrgästen mehr Platz, was vor allem im Fond dankbar zur Kenntnis genommen wird. Ein Raumwunder ist der Mini zwar immer noch nicht. Aber Mütter mit kleineren Kindern werden dieses Plus mit Freude zur Kenntnis nehmen.
Cockpit wird neu gestaltet
Apropos Innenraum. Auch da wird sich einiges tun. Allerdings war das Interieur des Prototypen noch verhangen und übersät mit dicken Kabeln und Schaltern, die für den Testbetrieb nötig sind. Dennoch zeichnete sich das bekannte runde Display ab, das schon beim ungetarnten Testfahrzeug in China zu sehen war. Wir vermuten, dass der runde Monitor dem der Konzeptstudie Urbanaut folgt und nicht mehr als Rahmen für einen rechteckigen Bildschirm dient, sondern die gesamte Fläche nutzt.
Auch das dem aktuellen Modell nachempfundene Instrumenten-Display hinter dem Lenkrad wirkt wie nachträglich angebracht. Und eine klappbare Plexiglas-Navigationsscheibe suchten wir vergeblich. Gut möglich also, dass diese beiden Elemente beim Serienauto nicht mehr gebraucht werden. Eine große Überraschung hatte der neue Mini Cooper SE ganz zum Schluss noch für uns parat: Als wir die rahmenlose Tür schlossen, fiel diese satt in das Schloss. Da schepperte also nichts. Ungewöhnlich für einen Prototypen, vor allem zu diesem Zeitpunkt. Man darf also durchaus gespannt sein.