Die Tage, in denen Elektroautos von Batterien an Bord mit Strom versorgt werden, könnten gezählt sein. Künftig sind vielleicht häufiger Brennstoffzellen dafür zuständig, vorausgesetzt, es gelingt Industrie und Forschung, sie deutlich preiswerter herzustellen als heute. Der Wasserstoff, den die kleinen Kraftwerke benötigen, kommt dann gewissermaßen aus der Tube, wie Zahnpasta.

Forscher am Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung (IFAM) in Dresden haben diesen Speicher der besonderen Art entwickelt und nennen ihn Powerpaste. Wenn sie mit Wasser in Berührung kommt wird Wasserstoff frei, der in die Brennstoffzelle geleitet wird. Hier reagiert er mit dem Sauerstoff der Luft. Dabei wird Strom erzeugt und Wärme freigesetzt. Letztere kann den Innenraum des Autos beheizen oder, in Verbindung mit einer Adsorptionskältemaschine, an warmen Sommertagen in angenehme Kühle umgewandelt werden.

Wirkungsgrad eine Frage der Sichtweise

Die Paste besteht im Wesentlichen aus Magnesiumhydrid. Der an den Metallatomen hängende Wasserstoff kann auf zwei Wegen freigesetzt werden: Durch Erwärmen – was im Auto kaum zu realisieren wäre – oder durch Kontakt mit Wasser. Dabei entsteht Magnesiumhydroxid, ein farbloses Salz, das wiederum zur Herstellung von Magnesiumhydrid genutzt werden kann. Dabei muss, damit der Prozess rundum grün ist, regenerativ erzeugter Wasserstoff genutzt werden. Wählerisch ist die Powerpaste nicht. Sie gibt den Wasserstoff sogar frei, wenn sie mit Meerwasser in Kontakt kommt.

Kritiker dürften bemängeln, dass der Gesamtwirkungsgrad bei dem Prozess bei unter 50 Prozent liegt. Genauer will sich Lars Röntzsch, beim IFAM Mitglied des Entwicklerteams, nicht festlegen. Die genaue Zahl hänge von einer Vielzahl von Einflüssen und der Betrachtungsweise ab. Wenn man davon ausgehe, dass für alle Prozesse Überschussstrom genutzt werde, der anderweitig nicht nutzbar sei, steige der Wirkungsgrad deutlich an. Betrachtet man den kompletten Produktionsprozess von Magnesiumhydrid, ergibt sich auch eine andere Rechnung, wendet Röntzsch ein. Stellt man das Magnesiumhydrid aus Abfällen des Prozesses her, sinkt er wieder. Und wenn man den Schwerpunkt auf Umweltverträglichkeit legt, spielt der Wirkungsgrad nur noch eine untergeordnete Rolle.

Energiedichte zehnmal höher als im Akku

Das Besondere an der Paste: Sie liefert nur die Hälfte des Wasserstoffs, die andere stammt aus dem Wasser. Das ergibt eine Energiedichte, die höher ist als die von Benzin, Methanol oder Lithium-Ionen-Batterien. Während die Akkus gerade mal auf etwa 160 Wattstunden pro Kilogramm kommen, ist es bei der Powerpaste das Zehnfache. Bei der Leistung pro Volumen ist der Unterschied ebenfalls krass. Die Powerpaste erreicht fast 2000 Wattstunden pro Liter, die Batterie ganze 300. Das bedeutet, dass Elektroautos, die mit der Kraft der Powerpaste unterwegs sind, bei gleichem Platzbedarf eine weitaus größere Reichweite haben oder über erheblich mehr Platz für Passagiere und Gepäck verfügen – und obendrein noch viel leichter sind.

Demonstrator eines Stromgenerators mit eingelegter POWERPASTE-Kartusche und 100 W-PEM-Brennstoffzelle. Foto: Fraunhofer IFAM
Versuchsanlage im XXL-Format
Demonstrator eines Stromgenerators mit eingelegter POWERPASTE-Kartusche und 100 W-PEM-Brennstoffzelle. Foto: Fraunhofer IFAM

Die Powerpaste ist auch den bisher genutzten Hochdruck- oder Kryotanks (in denen der Wasserstoff in flüssiger Form bei einer Temperatur von minus 253 Grad Celsius gelagert wird) sowohl vom Volumen als auch vom Gewicht her weit überlegen.

Einer der größten Vorteile des neuen Systems ist nach Ansicht der Entwickler die Kürze des „Tankstopps“: Die Kartusche wird, ähnlich wie beim Drucker, einfach ausgewechselt, der Wassertank neu befüllt und der Behälter mit dem Abfallprodukt Magnesiumhydroxid geleert, um recycelt zu werden.

Da Brennstoffzellen vergleichsweise klein sind , eigenen sie sich in besonderem Maße auch für Zweiräder, etwa Pedelecs oder Elektroroller. Bisher sind diese auf Batterien angewiesen, weil sie keinen Platz für sperrige und schwere Wasserstofftanks haben. Auch Drohnen konnten mit dem System ausgestattet werden.

Mit nicht verfeinertem Magnesiumhydrid würde der Prozess übrigens nicht funktionieren. Denn dieses ist mit einer Schicht überzogen, welche die Reaktion mit Wasser erheblich behindert. Erst die Zugabe von ungiftigen edelmetallfreien Additiven sorgt für eine zügige Wasserstoffproduktion.

Am Fraunhofer-Projektzentrum für Energiespeicher und Systeme (ZESS) in Braunschweig wird derzeit ein Technikum aufgebaut, in dem ab Ende dieses Jahres Kartuschen mit Powerpaste produziert werden sollen. Die Kapazität soll bei vier Jahrestonnen liegen.

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