Das Kabinett der neuen Bundesregierung war noch nicht lange im Amt, da vermeldete die Partei der Grünen, dass die frisch gekürte Außenministerin Annalena Baerbock bei ihrem Dienstwagen auf einen elektrischen Mercedes EQS umgestiegen sei. Vor ein paar Tagen folgte ihr der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann: Auch dieser Grüne ist angeblich ab sofort mit einer elektrischen Luxuslimousine aus Sindelfingen unterwegs – dem ebenso eleganten wie luxuriösen Mercedes EQS 580 4matic.
„Mein neues Dienstfahrzeug ist ein sehr gutes Beispiel für nachhaltige Mobilität made in Baden-Württemberg. Als erste vollelektrische Limousine aus dem Hause Mercedes-Benz setzt es Maßstäbe bei Effizienz und Klimaschutz. Weiterhin geht auch die gesamte Landesverwaltung bei der emissionsarmen Mobilität voraus“, ließ Ministerpräsident Kretschmann das Wahlvolk wissen.
So weit, so gut, so falsch. Denn die ganze Wahrheit sieht anders aus. Zum einen ist der 385 kW (523 PS) starke Mercedes EQS nicht das einzige Fahrzeug im Dienstwagen-Fuhrpark des grünen Ministerpräsidenten. Bereits zuvor war er mit dem Plug-in-Hybriden der mittlerweile ausgelaufenen Mercedes S-Klasse unterwegs – zumindest zeitweise. Denn ebenso wie sein neuer Mercedes EQS 580 4matic war auch der hybride Luxus-Daimler nicht gepanzert. Und „Kretsch“ muss als Ministerpräsident aufgrund seiner Gefährdungsstufe nun mal eine schwer gepanzerte Limousine fahren – beziehungsweise mit dieser transportiert werden. Selbst ans Steuer darf er während seiner Dienstzeit ebenso wenig wie Annalena Baerbock, Olaf Scholz oder andere Politiker aus der ersten Reihe.
Elektroautos nur für die letzte Meile
Für deren Sicherheit sorgen speziell geschulte Personenschützer von Bund und Land, die natürlich auch am Steuer sitzen. Und da Politiker wie Baerbock oder Kretschmann aufgrund ihrer hohen Sicherheitseinstufung nun mal nicht ungepanzert durch die Lande fahren dürfen, ist beim Einsatz der elektrischen Luxuslimousinen gleich immer auch eine gepanzerte Verbrenner-Limousine im Tross unterwegs, in die die Politiker umsteigen, wenn sie reisen und keine Kamera in der Nähe ist.
Kretschmann kam zu seinen Terminen in der Vergangenheit oftmals mit der hybriden Mercedes S-Klasse vorgerollt – und dahinter fuhr ein schwer gepanzerter Audi A8 in Langversion. Schließlich muss der Landesvater dafür sorgen, dass die Konzerne im eigenen Bundesland gleichsam auf ihre Kosten kommen. Der Audi A8 wird – ungepanzert wie gepanzert – in Neckarsulm und somit ebenfalls im Ländle gefertigt.
Fahren die umweltbewegten Politiker jedoch bei einem offiziellen Termin vor, wird das Fahrzeug oftmals ein paar hundert Meter vor dem Termin gewechselt – von der schweren Panzerlimousine in die Ökovariante, weil es einfach sauberer und somit besser aussieht. Was man für Symbolpolitik nicht alles tut.
Kanzler Scholz hält am Zwölfzylinder fest
Die mittlerweile ausgeschiedene Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) setzte während ihrer Amtszeit zumeist auf einen gepanzerten Audi A8 und blieb ihm bis dato treu. Vorgänger Gerhard Schröder (SPD) reiste zumeist in einem ebenfalls schwer gepanzerten VW Phaeton. Der neu gewählte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steigt auf die Hütchenspielertricks seines grünen Koalitionspartner nicht ein und bekennt sich ganz offen zu seinem neuen Dienstwagen – einem Mercedes S 680 Guard, 4,2 Tonnen schwer, rund eine halbe Million Euro teuer und von einem 612 PS (450 kW) starken Zwölfzylinder angetrieben. Wie viel CO2 der Kanzler-„Panzer“ auf 100 Kilometer Fahrstrecke ausstößt, kann nur vermutet werden: Für die zivile Version ist ein Wert von 442 Gramm pro Kilometer angegeben.
Um die Sicherheit hingegen ist es bestens bestellt: Eingestuft ist der Wagen in die Schutzstufe VR10 – mehr geht nicht. „Der S 680 Guard 4matic ist eines der am stärksten kundenorientierten Produkte von Mercedes-Benz. Denn dieses Sonderschutzmodell stellt den Menschen und seine Sicherheit in den Fokus“, sagt Dirk Fetzer, Leiter Produktmanagement S-Klasse. „Keine andere Serienlimousine“, wirbt er, „erfüllt ebenso vollumfänglich die höchste Schutzklasse für Zivilfahrzeuge. Und gleichzeitig sind Qualität und Langlebigkeit dank umfangreicher Entwicklungs- und Erprobungsumfänge auf Serienniveau.“
Im neuen S 680 Guard sitzen die Insassen in einer maximal geschützten Zelle, was jedoch nur Experten auffallen dürfte, denn von außen sieht der S 680erbeinahe aus wie eine ganz normale S-Klasse. Optische Unterschiede sind auf den zweiten Blick nur bei den zentimeterdicken Scheiben und den Reifen mit Pax-Notlaufsystem von Michelin zu erkennen.
Höchste Sicherheitsklasse
Neben den unsichtbaren Panzerelementen ist der transparente Bereich der Scheiben ein wesentlicher Bestandteil des Schutzkonzepts. Material und Dicke des mehrlagigen Scheiben-Sandwichs entsprechen ebenfalls den Anforderungen der Klassifizierung VR10. Auf der Innenseite sind die Scheiben mit einem Polycarbonat-Splitterschutz beschichtet. Neben der Panzerzelle gibt es faustdicke Glasscheiben und Fensterheber mit einer hydraulischen Notfunktion. Zu den weiteren Sonderausstattungen zählen unter anderem eine Feuerlöschanlage, ein Notfall-Frischluftsystem, das Insassen vor eindringendem Rauch oder Reizgasen schützt und mit Frischluft versorgt. Da die meisten Fahrzeuge in den Dienst von Behörden, Regierungen oder Könighäusern gehen, sind die Guard-Modelle mit Flashern, Signalanlage oder Funk ausgestattet. 51 Tage dauert es, bis der Panzerwagen auf der Basis der neuen S-Klasse hergestellt ist.
Der Grund, weshalb sich Politiker in der Öffentlichkeit lieber in oder vor einem Ökomobil zeigen, ist offensichtlich: Es geht vor allem um Symbolpolitik. Doch warum sind Elektroautos und Plug-in-Hybride bislang nicht oder nur selten in gepanzerten Versionen im Einsatz?
Akku ist nicht zu panzern
Der Grund liegt nicht allein im hohen Fahrzeuggewicht. Auch die Konstruktion eines Elektroautos schiebt der Panzerung einen Riegel vor: Ein Sprengschutz im Unterboden wäre nach unten durch das Batteriepaket kaum zu machen. Und auch sonst wären die zahlreichen Panzerungen der Schutzstufe VR10 kaum mit dem Elektroantrieb zu vereinbaren.
Hinzu kommt die Dauerbelastbarkeit des Antriebs in einer Gefahrensituation. Spricht man mit Personenschützern, so sehen diese die Öko-PR mancher Politiker eher mit großer Zurückhaltung, weil durch den Umstieg vom Benziner oder Diesel auf das Vorzeige-Auto Gefahrenherde entstehen, die man gerne vermeiden würde.
Das deutsche Staatsoberhaupt Frank-Walter Steinmeier, gerade erst für fünf weitere Jahre im Amt bestätigt, wechselt seine Fahrzeuge regelmäßig. Meist ist jedoch auch er in einer gepanzerten Mercedes S-Klasse unterwegs. Seine Vorgänger setzten häufiger auf gepanzerte Limousinen des Wettbewerbers BMW. Doch aufgrund technischer Probleme gibt es derzeit vom aktuellen Siebener BMW keine Werkspanzerversion.
Automobile Doppelmoral
Das wird sich mit dem neuen Siebener, der im April seine Weltpremiere feiert und Ende des Jahres auf den Markt kommt, ändern. Dann hat auch BMW wieder eine gepanzerte Luxuslimousine im Angebot und auch der bayrische Ministerpräsident Markus Söder dürfte dann nicht mehr in einem alten 7er-Panzer oder einem Audi A8 L unterwegs sein. Aktuell bietet BMW nur eine mittelschwer gepanzerte Version des BMW X5 Protection in der Schutzklasse VR6 an, der bevorzugt von Spezialkräften der Polizei und des BKA eingesetzt wird.
Audi überarbeitete jüngst sein Topmodell A8 und bietet dieses auch weiterhin als Sonderschutzfahrzeug A8 L Security mit einem 571 PS starken V8-Doppelturbo an, der für mehr Effizienz zumindest mit einem 48-Volt-Bordnetz ausgestattet ist.
Gerne hätten wir erfahren, wie sich die automobile Doppelmoral im Dienstwagen-Fuhrpark mit den hehren Klimazielen verträgt. Von der Partei der Grünen sowie der baden-württembergischen Staatsregierung war auf Anfrage allerdings keine Stellungnahme zu bekommen.
Diese Sonderfahrzeuge sind so schwer und träge, dass sie keine vernünftige Reichweite haben. Einen James-Bond Dreh mit so einer „fetten Gans“ ist auch theoretisch nicht darstellbar, außer man will man einmal das Auto von unten sehen, wenn es das Gefährt aus der Kurve schmeißt. Da habe ich noch die Bilder vom Beast des am. Präsidenten im Kopf, als es in der Ausfahrt aufsetzte und nicht mehr weiter kam. Ich denke, das Konzept ist überaltert. Die Spitzen sollten in Zukunft mit Multikoptern anfliegen. Cabrio und Privatzug sind jedenfalls out.
Hallo,
danke für den aufschlussreichen Bericht. Sie schreiben:
„Doch warum sind Elektroautos und Plug-in-Hybride bislang nicht oder nur selten in gepanzerten Versionen im Einsatz?
Akku ist nicht zu panzern
Der Grund liegt nicht allein im hohen Fahrzeuggewicht. Auch die Konstruktion eines Elektroautos schiebt der Panzerung einen Riegel vor: Ein Sprengschutz im Unterboden wäre nach unten durch das Batteriepaket kaum zu machen. Und auch sonst wären die zahlreichen Panzerungen der Schutzstufe VR10 kaum mit dem Elektroantrieb zu vereinbaren.“
Schreibt das die deutsche Automobilindustrie? Denn vor geraumer Zeit heiß es von denen, das eletrische Autos generell nicht zu machen wären, insbesondere wegen des hohen Akkugewichtes und der hohen Kosten. Tesla und ander machten es vor und nun geht es auch bei den deutschen. Wenn man nach gepanzerten Teslas sucht,wird man übrigens z.B. bei der amerikanischen Firma armormax:
https://www.mein-elektroauto.com/2016/07/das-elektroauto-tesla-model-s-gibt-es-jetzt-auch-als-gepanzerte-version/20810/
Selbstverständlich ist dort auch der Akku gepanzert, ob in der Klasse VR10, wird nicht gesagt. Es wäre für die deutschen Ingenieure wirklich ein Armutszeugnis, wenn das nicht machbar wäre. Insofern sollten Sie nicht nur bei den Politikern nachfragen, sondern auch bei der (deutschen) Industrie. Politiker, die etewas verändern wollen, könnten mal einen gepanzerten Tesla fahren. Das hätte sicher eine große Wirkung auf „unsere“ Industrie.
wer