Jeden Tag das gleiche Bild, jeden Tag das gleiche Problem, morgens um 7 und dann wieder ab 16 Uhr am Nachmittag. Ob auf der Rheinuferstraße in Köln oder der Werstener Straße in Düsseldorf, ob auf dem Mittleren Ring in München oder der Frankfurter Allee in Berlin: Mit ihrem Auto bewegen sich Tausende Berufspendler im Schritttempo in die Stadt hinein – und am Nachmittag oft mit der gleichen Geschwindigkeit wieder hinaus. Mit großen und schweren Fahrzeugen, die Platz bieten für mindestens fünf Personen, aber in der Regel nur mit einer Person besetzt sind. Corona und Home Office haben daran nur wenig geändert. Im Gegenteil: Aus Angst vor einer Ansteckung nutzen viele Berufspendler jetzt wieder intensiver ihr Auto für den Weg zur Arbeit statt wie zuvor einen Bus oder die Bahn.

Die Blechlawinen zur Rush Hour habe ich vor Augen als ich mich im Kölner Rheinauhafen einem Fahrzeug nähere, das eigentlich das perfekte Gefährt wäre für jeden Berufspendler: Dem vollelektrischen Toyota i-Road. Das dreirädrige Elektromobil bietet Platz für zwei Personen, beansprucht mit einer Länge von 2,35 Metern und einer Breite von nur 87 Zentimetern nur wenig Verkehrsraum und bewegt sich mit seinen zwei, jeweils 1,9 kW (2,6 PS) starken Elektromotoren in den vorderen Radnaben völlig emissionsfrei durch den Verkehr. Und das dank einer Lithium-Ionen-Batterie mit einer Speicherkapazität von 3 Kilowattstunden immerhin bis zu 50 Kilometer weit. Zwar nur mit einer Höchstgeschwindigkeit von 45 km/h.

45 km/h reichen völlig im Stadtverkehr

Aber im Berufsverkehr in der City sind ohnehin meist keine höheren Fahrgeschwindigkeiten drin. Und wenn es nach Bündnis 90/Die Grünen geht, werden wir zum Schutz von Radfahrern und Fußgängern innerorts ohnehin bald nicht mehr schneller als 30 km/h fahren dürfen. Für diese neue Verkehrswelt passt doch der kleine grellgüne Toyota doch perfekt, denke ich, als ich den i-Road inspiziere. Und auch Katja und Leslie, zwei junge Frauen, die in der Sonne und mit Blick auf den Rhein gerade die Mittagspause genießen, haben beim Anblick des Konzeptfahrzeugs als erstes des Frage: „Wann gibt es das zu kaufen?“

Toyota i-Road
Begegnung der überraschenden Art
Katja und Leslie staunen nicht schlecht, als der giftgrüne Toyota i-Road in der Mittagspause am Rheinufer vor ihnen aufkreuzt. Foto: Harald Dawo für Toyota

Toyota-Manager Ferry Franz, der den i-Road von der Firmenzentrale in Marsdorf in den Rheinaufhafen gebracht hat, muss Katja und Leslie jedoch enttäuschen: An einen Verkauf des Konzeptautos ist nicht – mehr – gedacht. Denn so futuristisch der iRoad aussieht: Das Fahrzeug stammt noch aus dem Jahr 2013. Damals arbeiteten viele Autohersteller an umweltverträglichen, emissionsfreien „Microcars“, mit denen sie die Großstädte und Megacities von morgen entlasten wollten. Volkswagen entwickelte den kleinen Nils, Audi ein zweisitziges „Urban Concept“-Vehicle, das sogar in einer offenen Spyder-Version auf Automessen gezeigt wurde. Fast alle dieser Konzeptautos und Prototypen stehen inzwischen im Museum oder verstauben in Depots.

Mit Moped-Führerschein: Frankreichs neuer Elektrozwerg, der unsere großstädtische Mobilität entspannen soll. Er ist ein wenig gewöhnungsbedürftig. Aber so was von cool. Elektroauto

Allein der Renault Twizy schaffte es bis zur Serienproduktion und wird als Leichtfahrzeug für 11.450 Euro bis heute verkauft. Ob es der Seat Minimo auch bis dahin schafft, ist noch nicht abzusehen: Die spanische VW-Tochter hat vor zwei Jahren erst ein Twizy-ähnliches vollelektrisches Kleinfahrzeug mit Wechselbatterie und 100 Kilometern Reichweite präsentiert, mit dem die Staugefahr in den Städten verringert und Parkraum in der City für Fahrräder freigemacht werden sollte.

Konzeptautos landen in der Schrottpresse

Das Schicksal des i-Road ist bereits besiegelt. In Tokio und Toyota City sowie im französischen Grenoble wurden in den vergangenen Jahren zu Testzwecken einige Dutzend Fahrzeuge in Car-Sharing-Versuchen im Einsatz. Später testete in Berlin die Groth Gruppe zwei Fahrzeuge für einen möglichen Einsatz im Zukunftsquartier Neulichterfelde. Und der mobile Pflegedienst Mediavita nutzte den i-Road in Berlin ebenfalls für Evaluationsfahrten: Dank der knappen Abmessungen und des Wendekreises von nur drei Metern konnten die Mitarbeiter Zeit bei der Parkplatzsuche sparen.

Von den insgesamt 35 Exemplaren des i-Road, erzählt Franz, sind die meisten Fahrzeuge inzwischen verschrottet, weil sie andernfalls versteuert hätten werden müssen – auf Basis der Entwicklungskosten von mehreren Millionen Euro. Unser grüner i-Road ist gewissermaßen der „letzte Mohikaner“ in Europa. Bei den Olympischen Sommerspielen 2024 in Paris soll er noch einmal als Botschafter Tokios (Ausrichter der Sommerspiele 2021) auftreten – und dann im Museum verschwinden.

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Renault Twizy

Der kleine Stromer bietet wie der i-Road Platz für zwei, kommt aber auf vier Rädern daher. Und er ist sogar (noch) zu kaufen – für 11.450 Euro. Foto: Renault

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Seat Minimo

Die spanische VW-Tochter hat die Technik des Renault Twizy weiterentwickelt. Der Lithium-Ionen-Akku mit 9,6 kWh Kapazität ist austauschbar. Außerdem ist der 90 km/h schnelle Zweisitzer schon auf das autonome Fahren auf Level 4 vorbereitetet. Nur kaufen kann man das Leichtmobil noch nicht. Foto: Seat

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Volkswagen „Nils“

Der elektrische Kabinenroller wurde 2011 als Forschungsfahrzeug auf der IAA vorgestellt. Die Batterie hatte eine Kapazität von 5,3 kWh, die Reichweite sollte 65 Kilometer betragen, die Höchstgeschwindigkeit 130 km/h. Gehört hat von dem kleinen Nils seitdem nichts mehr. Foto: Volkswagen

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Audi Urban Concept-Vehicle

Die Technikstudie von 2011 für ein 1+1-sitziges Elektromobil sollte zum „Trendsetter einer neuen Mobilität“ werden. Sogar ein offener Spyder war angedacht. Doch Audi hatte nicht den Mut, es auf die Straße zu bringen – das Fahrzeug landete im Museum. Foto: Audi

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Microlino

Der zweisitzige Kabinenroller des Schweizer Roller-Herstellers Micro Mobility Systems nach dem Vorbild der BMW Isetta aus den 1950er Jahren sollte eigentlich längst auf dem Markt sein. Doch ein Rechtsstreit verzögerte den Serienanlauf des Elektromobils. Im September soll es jetzt los gehen. Für 12.000 Euro erhält der Käufer eine City-Mobil mit 11 kW Leistung und bis zu 200 Kilometer Reichweite. Foto: Microlino.

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Twike 5

Drei Räder, zwei Sitzplätze und eine Antriebsleistung von bis zu 70 kW bietet das hocheffiziente Elektromobil, das in der Schweiz entwickelt wurde. Angedacht ist eine Kleinserie von 500 Fahrzeugen mit einer Reichweite von 250 Kilometern, die zu Preisen ab 39.900 Euro verkauft werden sollen. Das Besondere daran: Ist der Akku leer, können die Insassen mit Muskelkraft weiterfahren – das Antriebsprinzip kennt man von Tretbooten. Foto: Twike

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Solarauto Aptera

Wie ein Sportflugzeug ohne Flügel sieht das dreirädrige und zweisitzige Elektrofahrzeug aus, das sich ein Startup in den USA ausgedacht hat. Mit einem 100 kWh großen Akku soll der E-Flitzer bis zu 1600 Kilometer weit kommen, auch mit Unterstützung von Solarmodulen. Der Marktstart ist für dieses Jahr geplant – Bestellungen werden bereits entgegegenommen. Foto: Aptera

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Edison 2 von Vanderhall

Zwei Elektromotoren mit jeweils 52 kW Spitzenleistung und eine Batterie von 28,8 Kilowattstunden sollen das 635 Kilo schwere und 3,65 Meter lange Dreirad-Mobil in 4,4 Sekunden auf Tempo 100 bringen und jede Menge Fahrspaß auf bis zu 320 Kilometern bieten.

Eigentlich schade. Denn der kleine Elektroflitzer macht eine Menge Spaß, wie ich schnell feststelle, als ich kurzer Einweisung durch Toyota-Manager Franz meine erste Runde mi dem i-Road auf dem Rheinboulevard drehe. Der Einstieg ist etwas beschwerlich, aber die Bedienung kinderleicht: Drei Tasten für Vorwärts, Rückparts und das Parken, dazu eine Fußfeststellbremse wie früher bei Mercedes und ein ganz normales Lenkrad. Gewöhnungsbedürftig ist nur das Lenken selbst: Bewegt wird wie einem Gabelstapler das hintere Rad. Wer zu früh das Lenkrad bewegt, kommt am Ende der Kurve ganz woanders raus.

Ganz schön schräge Nummer

Zumal sich der i-Road wie ein Motorrad (oder wie der ebenfalls dreirädrige „Metropolis„-Roller von Peugeot) auch noch in die Kurve legt, was die Welt zwar nicht auf den Kopf stellt, aber den Horizont doch vorübergehend etwas verrutschen lässt. Meine Sorge, auf dem Asphalt mit dem i-Road gleich einen Purzelbaum hinzulegen, ist jedoch unbegründet: Je größer die Neigung, desto stärker reguliert der Bordcomputer die Antriebsleistung. Die „Active Lean“-Neigetechnik, die auf einen Stellmotor oberhalb der vorderen Radaufhängungen einwirkt, arbeitet immer noch perfekt, obwohl der i-Road inzwischen in Grenoble schon einige Tausend Kilometer gelaufen ist. Ich drehe für den Fotografen und zum Gaudi der Passanten noch fünf, sechs Achter auf der Platzfläche – dann fühle ich mich so sicher wie auf einer Schiffsschaukel – und bestens vorbereitet für den Praxistest im öffentlichen Straßenverkehr. Der Akku ist noch zu 80 Prozent gefüllt, auf geht’s.

Stadtflitzer mit Neigetechnik
Auf einem Motorrad sorgt die Verlagerung des Körpergewichts für die Schräglage. Beim Toyota i-Road reicht eine Lenkbewegung. Foto: Harald Dawo für Toyota

Auf der zweispurigen Rheinuferstraße sind derzeit noch 50km/h erlaubt. Insofern habe ich keine Probleme, mich mit dem „Zero Emission“-Zwerg in den Verkehr einzufädeln. Blitzer müssen wir keine fürchten: Selbst bei festem Tritt auf das Fahrpedal rollt der i-Road nicht schneller als 48 km/h rheinabwärts Richtung Dom. Und das ist auch gut so: Das Fahrwerk des Dreirads ist nicht besonders komfortabel abgestimmt. Die anderen Autofahrer halten respektvoll (oder vorsichtshalber) ordentlich Abstand. Kein Gehupe, weil wir das Tempolimit unterschreiten. Und niemand zeigt mir einen Vogel – das will in Köln schon etwas heißen, wo die Stimmung unter den Autofahrern nicht die beste ist, seit das Ratsbündnis aus Grünen, CDU und der violetten Volt-Partei in der Domstadt die Verkehrswende betreibt und dazu das Radwegenetz ausbaut und das Anwohnerparken verteuert.

Oberbürgermeisterin Henriette Reker müsste der i-Road eigentlich sehr gut gefallen. Wenn mehr Menschen auf derartige Kleinstfahrzeuge umsteigen würden, könnte einer der beiden Fahrstreifen auch durch den Rheinufertunnel deutlich verschmälert und Radfahrern sowie i-Road-Piloten zur Verfügung gestellt werden. Es würde nicht nur die Staugefahren verringern, sondern obendrein die Schadstoffbelastungen in der City deutlich reduzieren. Und natürlich könnten etliche Kilometer Parkstreifen am Straßenrand wegfallen und wiederum in Radwege umgewandelt werden. Denn Fahrräder, Roller und i-Roads finden überall einen Stellplatz.

Raffinierte Technik, im Detail ganz simpel

Der erste Domino-Stein müsste nur fallen, denke ich, während ich vor der Autokolonne ein wenig hin- und her wedele, um die Neigetechnik auszuprobieren, die im Unterschied zum Motorrad nicht auf Gewichtsverlagerungen, sondern auch Lenkbewegungen reagiert. Einfach genial. Manches andere wirkt auf den ersten Blick arg simpel. Etwa der „Fensterheber“: Die Seitenscheibe lassen sich per Hand öffnen – indem man den Magnetverschluss am Fensterrahmen löst und die Plexiglasscheibe einfach in das Türblatt plumpsen lässt. Aber herrje: Der Twizy von Renault hat nicht einmal Seitenscheiben. Und beim 2CV von Citroën hatten wir seinerzeit auch keine Probleme mit derlei Simplizität der Technik. Im Gegenteil: Wir schwärmten von der Leichtigkeit des Seins.

Und so etwas wie der i-Road soll jetzt sang- und klanglos im Museum verschwunden – wie all die anderen Kleinfahrzeuge zuvor? „Wirklich schade“, finden auch Katja und Leslie: „Das sind doch die perfekten Sharing-Fahrzeuge“. Gut, der Platz für die zweite Person im Fond ist etwas knapp bemessen. Aber für Einkaufstaschen, Rucksäcke oder Laptop-Taschen reicht der Platz allemal. Und der Fahrspaß ist trotz der Begrenzung der Fahrgeschwindigkeit enorm.

Vielleicht will es sich Toyota noch einmal überlegen? Die Batterietechnik ist inzwischen weiter fortgeschritten, dass sich sicher auch größere Reichweiten darstellen lassen könnten. Und die politischen Rahmenbedingungen für derlei Fahrzeuge sind eher besser als schlechter geworden. Lassen wir uns mal überraschen, was Toyota 2024 in Paris – oder vorher schon – präsentiert.

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1 Kommentar

  1. Ralf G.

    Ich fand schon bei der Vorstellung dieses Mobils damals gefallen daran. Für den täglichen Weg zur Arbeit würde das vollkommen ausreichen. Im Sommer bin ich mit dem Fahrrad unterwegs. Aber für den Winter oder bei Schmuddelwetter wäre der i-Road genial.
    Aber aktuell halten es alle Hersteller so, auf der Messe wird etwas vorgestellt und groß angekündigt. Dann gibt es nur kleine Projekte wo es mal getestet wird, aber als Endkunde kommt man nicht dazu so etwas jemals nutzen zu können.
    Schlimmer ist noch wie mit dem Mobilize EZ-1. Da will man nur das Sharing über spezielle Betreiber realisieren. Damit wird es in meiner Gegend nie kommen. Von der Peripherie in die Stadt und weniger als 100000 Einwohner.

    Also für mich gibt es da nur einen Schluss, es sind immer alles nur Ankündigungsweltmeister.

    PS. Den Twizy finde ich auch ganz cool, aber ohne sinnvolle Fenster nur Spielerei. Ich hoffe der Seat Minimo kommt dann wirklich mal.

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