2268 neue öffentliche Ladepunkte für Elektroautos wurden im vergangenen Jahr in Betrieb genommen. Die Zahl der Lademöglichkeiten stieg nach der jüngsten Ausgabe des „Charging Radar“ von TheonDATA und Cirrantic für EDISON in 2022 um über 34 Prozent auf insgesamt über 95.000. Nach der Analyse investierten die Energieversorger und Ladenetzbetreiber vor allem in Anschlüsse mit einer Ladeleistung von über 50 Kilowatt (kW): Die Zahl der mit Gleichstrom betriebenen Schnelllader stieg binnen eines Jahres um 113 Prozent auf 11.478. Zum Vergleich: Die Zahl der meist über Nacht genutzten Wechselstrom-„Schnarchlader“ kletterte 2022 lediglich um 30 Prozent auf 75.253.

Die Entwicklung ist kein Zufall: Mit „Schnarchladern“ ist kein Geld zu verdienen, mit Schnellladestationen schon. Denn bei Ladeleistung von 11 oder 22 kW dauert es Stunden, bis der Akku eines Elektroautos gefüllt sind, bei 150 kW und mehr steht ein Fahrzeug nur wenige Minuten. Entsprechend höher ist der Durchsatz, desto eher klingelt die Kasse, desto schneller rechnet sich das Investment.

AC-Lader kommen zu kurz

Dennis Schulmeyer sieht die Entwicklung durchaus kritisch. Der Geschäftsführer und Gründer des IT-Unternehmens LADE aus Mainz sieht in der Elektroauto-Flotte als ein wichtiges Puzzleteil der Energiewende: „Die Nutzung von Elektroauto-Batterien als Speicher kann ein extrem wichtiger Baustein zum Erreichen der deutschen Klimaziele sein, weil er sehr, sehr einfach und günstig umgesetzt werden kann.“ Zumal der Stromspeicher der meisten Elektroautos für den täglichen Mobilitätsbedarf in der Regel zu groß dimensioniert sei.

Dennis Schulmeyer
Im Alter von acht Jahren elektrifizierte der Mainzer sein Skateboard. 2020 gründete der Digitalunternehmen die Lade GmbH. Das Unternehmen entwickelt und produziert Wallboxen und Software-Lösungen, um die Elektroautos und Erneuerbare Energien möglichst effizient miteinander zu verknüpfen.

Aber um Verhicle-to-Grid (V2G)-Lösungen realisieren zu können, brauche es die passenden Ladegeräte – und eine möglichst lange Verweildauer der Autos an den Stationen: „Immer, wenn die E-Autos stehen, sollten sie an eine Ladestation angeschlossen werden können.“ Deshalb brauche es mehr V2G-taugliche Wallboxen und AC-Ladestationen als Autos – nach heutigem Stand mehr als eine Million. Mit Schnellladern funktioniere das Konzept hingegen nicht. Denn die Autos stehen an diesen Stationen nur kurze Zeit – der Strom fließt nur in eine Richtung. „Das Geschäftsmodell basiert hier allein auf dem Verkauf von Strom „.

E-Autos werden Teil des Stromsystems

In Zukunft jedoch, davon ist der Lade-Chef überzeugt, wird das AC-Geschäft mit der Flexibilisierung der Stromtarife „wesentlich interessanter“. Weil Batteriespeicher erforderlich seien, um den mit Erneuerbaren Energien produzierten Strom zu puffern, werde Ladestrom für Elektroautos in naher Zukunft sehr günstig werden. Schulmeyer plädiert deshalb dafür, die Zahl der (deutlich preiswerteren) AC-Ladesäulen in den Städten und auch auf dem Land massiv auszubauen: „Wir dürfen die AC-Welt nicht vergessen.“

Die Hersteller von Elektroautos sollten verpflichtet werden, die Fahrzeuge serienmäßig mit Technologien für das bi-direktionale Laden auszustatten. „Ein Ladegerät haben die ja bereits. Das Bauteil für das bi-direktionale Laden fit zu machen, ist kein Riesen-Akt.“ Ein um 300 Euro höherer Einkaufspreise lasse sich leicht am Markt durchsetzen, weil es den Käufern der Autos handfeste Vorteile biete: „Die Speicherkapazität des Akkus wird in Zukunft einen erheblichen Wert darstellen“ – für den Besitzer des Autos wie für die Netzbetreiber. Und eine Um- oder Nachrüstung von Wallboxen und AC-Ladesäulen im öffentlichen Bereich für das bi-direktionale Laden käme deutlich teurer.

Intelligentes Stromnetz spart Millionen

Das Konzept würde in Summe nicht nur große Mengen CO2 (s. Grafik) einsparen, sondern auch erhebliche finanzielle Mittel, wie Lade in einer Simulation nachweisen konnte. Denn durch die Integration der Elektroautos in das Energiesystem würden Fernleitungen zum Teil überflüssig. Schulmeyer: „Wenn ich die Energie da verbrauche, wo ich sie erzeuge, brauche ich weniger Kabelleitungen quer durch Deutschland.“

Elektroautos als mobile Pufferspeicher 
Die Simulation der Lade GmbH zeigt, wie Elektroautos zur so genannten "Spitzenglättung" im Stromnetz genutzt werden können, das durch die Einspeisung von Solar- und Windstrom stark gestresst wird: Oft steht mehr Strom zur Verfügung als gerade benötigt wird. Heute müssen deshalb Windgeneratoren vielfach abgeschaltet werden. Grafik: Lade GmbH
Elektroautos als mobile Pufferspeicher
Die Simulation der Lade GmbH zeigt, wie Elektroautos zur so genannten „Spitzenglättung“ im Stromnetz genutzt werden können, das durch die Einspeisung von Solar- und Windstrom stark gestresst wird: Oft steht mehr Strom zur Verfügung als gerade benötigt wird. Heute müssen deshalb Windgeneratoren vielfach abgeschaltet werden. Grafik: Lade GmbH

Nach den jüngsten Erhebungen von TheonData und Cirrantic für den „Charging Radar“ haben sich die Tarife für Wechselstrom und Gleichstrom in jüngster Zeit immer mehr angeglichen: Der Preis für die Kilowattstunde Wechselstrom betrug Ende Januar an der AC-Ladestation im Schnitt 65 Cent, am DC-Schnelllader 67 Cent. „Das hat“, vermutet Schulmeyer, „strategische Gründe: Die Energieversorger wollen die Fahrer von E-Autos zu ihren Schnellladeparks locken.“

Schon aus dem Grund fordert der Unternehmer von der Politik, das Thema Energiemanagement zu forcieren, unter anderem durch eine schnelle Flexibilisierung der Stromtarife. Die Fahrer von Elektroautos bräuchten schließlich Anreize, um ihre mobilen Stromspeicher zur Stabilisierung der Stromnetze auch zur Verfügung zu stellen. „Die bisher geltenden Regeln in Deutschland sehen mobile Stromspeicher nicht vor. Und auch die intelligente Einspeisung von Strom ins öffentliche Netz wird aktuell eher gefördert als gehemmt.“

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