Nette Überraschung. Die Wolfsburger haben zur Los Angeles Auto-Show (22.11. bis 1.12.) für ihre wichtigen US-Kunden, die sich immer öfter in die elektrische Art der Fortbewegung verlieben, ein neues Zuckerl der zukünftigen ID.-Stromer mitgebracht. Eine Studie, die haargenau in die Lücke zwischen der geplanten Kompaktlimousine ID.3 und einem größeren SUV fährt. Nennt sich betont cool »Space Vizzion«, könnte bei den Amis, die  mit klassischen Kombis nichts im Sinn haben, als familienfreundlicher elektrischer Raumgleiter und bei uns in Europa als stromernder VW Passat Variant-Ersatz durchgehen. Sehr geschicktes Marketing. Das sei erstmal wirklich nur eine Studie, wird uns versichert, aber gleichzeitig mit einem Augenzwinkern darauf hingewiesen, dass alle bisherigen ID.-Probierhappen mittlerweile in die Realität streben. Und als mögliches Verkaufsdatum des Serienmodells ist für Europa intern schon mal 2021 (USA 2022) terminiert, wir rechnen mit dem vierten Quartal. Produktionsort ist definitiv das VW-Werk in Emden.

Man hätte ohnehin nichts dagegen einzuwenden, denn dieses 4,94 Meter lange und 1,53 Meter hohe Auto ist so was von anheimelnd gestylt, dass Familienvorstände und professionelle Langstreckenfresser gleichermaßen erfreut sein dürften, zumal VW hier nun erstmalig auch eine konkurrenzfähige Reichweite, nämlich 590 Kilometer nach strengerer WLTP-Norm verspricht. Und Ladezeiten, die sich im 150-kW-Tempo auf 30 Minuten (bis 80 Prozent von 82 kWh) reduzieren sollen. Richtig, eine typisch deutsche Kaffee-Stullen-Toiletten-Pause.

VW iVizz
Elektrischer Gran Turismo: Möglicherweise unter der Bezeichnung ID.5 wird Volkswagen den Space Vizzion auf den Markt bringen. Als elektrisch angetriebene Alternative zum VW Passat Variant. Foto: Volkswagen

Die freundliche, völlig aggressionsfreie Optik des Space Vizzion, der später eine ID.-Nummer (offenbar ID.5) bekommt und nicht nur als Kombi (Entschuldigung, Gran Turismo), sondern ebenso als Limousine im Stile der schon gezeigten Studie ID. Vizzion erscheinen wird, ist auch extrem windschnittig. Die Scheinwerfer sind nahtlos in die Stoßfänger integriert, statt normaler Türgriffe gibt es zart aufdimmende Touchflächen, die das Auto bei Annäherung öffnen. Der nach unten offene Dachspoiler am Heck ist quasi eine Brücke zum feinen Optimieren der Luftströmungen, und die Matrix-Scheinwerfer, wie nett, können uns optisch per Augenaufschlag begrüßen und verabschieden.

Zwei E-Longboards für die letzte Meile

Drinnen finden wir, weil sich die 82-kWh-Batterie wie bei allen neuen MEB-Modellen des Konzerns, im Unterboden flach macht, wirklich Platz wie in der Oberklasse. Klar, statt der Einzelsitze gibt es später im Serienmodell ein richtige Rückbank und dahinter einen ordentlichen Laderaum von 586 Litern (aktueller Passat Variant: 650 l). Kleiner Geck: In der Studie sind hier zwei elektrische Longboards unterbracht, mit denen Lauffaule den letzten Kilometer zwischen Parkplatz und Büro überbrücken könnten. Ist klar, bloß nicht selbst bewegen.

Elektrisch auch auf der letzten Meile: Im Kofferraum des Space Vizzion hat Volkswagen Halter für zwei E-Longboards montiert. Foto: Volkswagen
Elektrisch auch auf der letzten Meile: Im Kofferraum des Space Vizzion hat Volkswagen Halter für zwei E-Longboards montiert. Foto: Volkswagen
In diesem Jahr ist fast nix passiert, aber 2020 kommt die große Welle. Da werden sich neue Elektroautos geradezu explosionsartig vermehren. Ehrlich, versprochen. Der Countdown läuft schon, und wir haben für Sie die detaillierte Vorschau über die Modellneuheiten in drei Teilen. Elektroauto

Die schicken Sitze, tierisches Leder ist ja neuerdings out, sind mit einer Art Kunstleder mit Anteilen von Reststoffen aus der Apfelsaftproduktion («AppleSkin«) bezogen. Holla, ob das fruchtig duftet? Ansonsten soll die gesamte Bedienung selbsterklärend funktionieren, über einen mit 15,6 Zoll üppig dimensionierter Touchscreen lässt sich fast alles steuern, und das neuartige Head up-Display projiziert per AR-Technik (Augmented Reality) Navi-Infos wie zum Beispiel Abbiegepfeile vor uns genau dorthin, wo wir tatsächlich um die Ecke müssen. Nie wieder falsch fahren. Sonst noch was? Ja, zum Beispiel eine Sprachsteuerung, die alles verstehen soll, womöglich selbst die herrliche Nuschelei von Tesla-Boss Elon Musk (falls Sie ihn schon mal live gehört haben sollten). Dazu die komplette Vernetzung, die uns auch proaktiv an unseren nächsten Zahnarzttermin oder ein heimliches Date erinnern kann.

Mal kurz zur Power. Zusätzlich zum 205-kW-Heckmotor kann das Auto vorn mit einem weiteren E-Antrieb (75 kW) aufgerüstet werden. In der Kombination, die dann auch als Allradantrieb fungiert, ergibt sich eine stramme Systemleistung von 250 kW (340 PS), mit der sich, zack, der Sprint auf Tempo Hundert in 5,4 Sekunden erledigt. Höchstgeschwindigkeit? Elektronisch eingebremste 175 km/h. Fehlt nur noch ein Einstiegspreis. Der soll, wie aus Wolfsburg zu hören ist, klar unter 40.000 Euro für die Heckantriebsversion liegen, weil dann ja in der Batterie bereits die nächste, kostengünstigere Zellengeneration zum Einsatz kommt.

Ab April 2020 im Handel: Audi e-tron Sportback, mit coupehafter Dachlinie in Serie und digitalen Matrix LED-Scheinwerfern gegen Aufpreis. Foto: Audi
Ab April 2020 im Handel: Audi e-tron Sportback, mit coupehafter Dachlinie in Serie und digitalen Matrix LED-Scheinwerfern gegen Aufpreis. Foto: Audi

Weltpremiere des Audi e-tron Sportback

Weiter zu Audi, denn auch die Ingolstädter haben ein elektrisches Mitbringsel auf der Messe. Wobei es hier, das müssen wir zur Vorwarnung gleich sagen, etwas gewaltiger zugeht. Denn Audi klotzt mit der 4,90 Meter langen Coupe-Version seines batterieelektrischen e-tron-SUV, die in den nächsten Tagen bestellbar und im April bei den Händlern sein soll. Sie heißt schlicht e-tron Sportback und unterscheidet sich bei Lichte besehen hauptsächlich durch eine abfallende Dachlinie vom klassisch gestylten Hochsitzer. Immerhin, der cw-Wert liegt trotz einer Höhe von 1,61 Metern und einer Breite von 1,94 Metern bei bemerkenswerten 0,25. Das senkt den Stromverbrauch, den Audi optimistisch mit 21,6 bis 26,3 kWh pro 100 Kilometer beziffert (schließlich wiegt auch dieses Modell fast 2,5 Tonnen). Eine Neuheit sind die digitalen Matrix LED-Scheinwerfer, die nun erstmals in der Großserie als teures Extra offeriert werden.

Ein schöner Rücken kann entzücken: Deutlich sportlicher als der normale e-tron kommt der neue Audi e-tron Sportback daher. Foto: Audi
Ein schöner Rücken kann entzücken: Deutlich sportlicher als der normale e-tron kommt der neue Audi e-tron Sportback daher. Foto: Audi

Die Leistung des e-tron Sportback liegt ebenfalls bei 300 kW, die offizielle angegebene Reichweite ist jedoch mit 448 Kilometern um 37 km höher als beim normalen e-tron. Doch der wird nachgerüstet: Seine Reichweite, bisher 412 km, soll sich um 25 km erhöhen. Audi spricht in diesem Zusammenhang von »Effizienzmaßnahmen«, so wird zum Beispiel der Front-E-Motor nun entkoppelt, also nicht mehr bestromt, wenn er gerade nicht gebraucht wird. Zudem hat Audi das nutzbare Batteriefenster nach oben und unten (Restkapazität) etwas weiter geöffnet. Klingt gut, aber generell rettet das neue Modell, dass ja mit einem Einstiegspreis von 83.150 Euro noch oberhalb des normalen e-trons rangiert, nicht die Welt. Ist eher ein feines Spielzeug für Leute, die schon alles (und ein halbwegs grünes Gewissen) haben sowie natürlich für solvente Chinesen. Für Max Mustermann und seine Familie außerhalb jeder finanziellen Reichweite.

Audi fehlt noch ein E-Mobil im Kompaktformat

In erschwinglichere Regionen geht es hier frühestens mit dem geplanten vollelektrischen Kompakt-SUV Q4 e-tron, der ab rund 40.000 Euro (exklusive Förderung) zu haben sein dürfte, jedoch erst im ersten Quartal 2021 bei den Händlern ist. Wer partout keinen SUV will, könnte bei VW beispielsweise die ID.3-Limousine kaufen, denn bei den Ingolstädtern ist nach letzten Informationen erst mal nix Elektrisches im kompakten Format eines Audi A3 geplant. Da sind wir mal gespannt wie es bei den Ingolstädtern, wo es mit Rendite und Absatz gerade nicht richtig rund läuft, elektrisch weitergeht. Im April soll der Ex-BMW-Manager Markus Duesmann sein Amt als neuer Audi-Chef antreten, und der hatte in der Vergangenheit eigentlich mehr mit klassischen Verbrennungmotoren zu tun. Andererseits besetzte der diplomierte Maschinenbau-Ingenieur ja sogar mal den Entwicklungsjob im ehemaligen BMW Sauber-Formel 1-Team. Von daher sollte er für den Job bei Audi einen gewissen Speed mitbringen.

Auch Bugatti denkt über Stromer nach

Noch kurz zu den Stromer-Plänen von Bugatti, dieser extrem elitären VW-Konzernmarke, die jetzt ein handmontiertes Auto wie den 1600 PS starken Super Sport 300+ verkauft, der eine Spitze von 420 km/h erreicht. Verbrauch? Irgendwas zwischen 22 und gut 40 Litern auf hundert Kilometer. Heftig, aber selbst bei Bugatti denkt man jetzt an was Elektrisches, war in Los Angeles zu hören. »Aber«, so Bugatti-Chef Stephan Winkelmann gegenüber EDISON, »wenn wir so einen Schritt machen, müssen wir dabei die Besten sein«. Ein SUV-Modell komme da jedenfalls nicht infrage. »Ich denke eher an einen 2+2-Sitzer mit erhöhter Bodenfreiheit, damit könnten wir dann sogar ein neues Segment begründen«, lächelt er. Bereits verkündet ist, dass die Marke ernsthaft daran arbeitet, CO2-neutral zu werden — nicht nur in der Produktion, sondern auch unter Einbeziehung sämtlicher Kilometer, die mit Bugatti-Modellen gefahren werden.

VW-Gigafacotry: Skizze von der geplanten Erweiterung des US-Werks Chattanooga. Foto: Volkswagen
VW-Gigafacotry: Skizze von der geplanten Erweiterung des US-Werks Chattanooga. Foto: Volkswagen

Auch das wird spannend, passt aber zur großen E-Linie des Gesamtkonzerns, deren Dimensionen immer noch unterschätzt werden. Deshalb haben die Wolfsburger auf Elon Musks überraschende Verkündigung zum Bau einer Tesla-Gigafactory am Rande Berlins ziemlich gelassen reagiert — und einen Tag später (der Termin stand allerdings vorher fest) im Vorfeld der kalifornischen Auto Show mit einer schönen News gekontert: Das bestehende VW-Werk im amerikanischen Chattanooga wird mit der Investition von mindestens 800 Millionen Dollar ab 2022 die Elektromobilitäts-Produktionsstätte für Nordamerika, zusätzlich sollen noch Batteriesysteme gefertigt werden. »Dies ist ein großer Moment für das Unternehmen«, kommentiert VWs US-Chef Scott Keogh denn auch begeistert. Bringt mindestens 1000 neue Arbeitsplätze. Erstes E-Modell für Chattanooga ist ein handliches SUV im VW Tiguan-Format (ID.4) aus der neuen, vollelektrischen ID-Baureihe, das im Frühling 2020 seine US-Premiere hat.

Chattanooga wird zum E-Werk

Das sitzt, denn Autos aus diesem sogenannten A-Segment holen derzeit auf dem US-Markt mit jährlich rund 4,2 Millionen verkauften Exemplaren die mit Abstand höchsten SUV-Verkaufsanteile. Hingegen gehen die beschriebenen Vizzion-Modelle ab 2021 nur als Import aus Emden in die USA, weil sich, für dieses in den USA schwächelnde Marktsegment eine eigene Produktion in Chattanooga nicht lohnt.

Pkw-Produktion im VW-Werk Chattanooga: Künftig sollen in Tennessee auch Batterien montiert werden. Foto: Volkswagen
Pkw-Produktion im VW-Werk Chattanooga: Künftig sollen in Tennessee auch Batterien montiert werden. Foto: Volkswagen

Die US-Investion der Wolfsburger, die in den USA bereits einen Marktanteil von 2,2 Prozent halten, kommt offenbar genau zum richtigen Zeitpunkt. Immerhin gut 34 Prozent der Amerikaner planen die Anschaffung eines batterieelektrischen Autos in den nächsten zehn Jahren, in den jüngeren Altersgruppen sind es sogar bis zu 50 Prozent, sagen Untersuchungen. Bis 2025, so optimistische Hochrechnungen, könnte der Marktanteil von Elektroautos in den USA auf acht Prozent steigen. Und 80 Prozent der potenziellen E-Interessenten wollen sich (im führenden Land der Energieverschwendung) hauptsächlich der Umwelt zuliebe ein E-Modell zulegen. »Der Markt ist bereit für Elektroautos«, findet Keogh.

Neue Plattform für Elektro-SUV?

Bei VW haben sie deshalb schon Ideen für ein weiteres vollelektrisches US-Modell, das lukrativ in großen Stückzahlen vor Ort in Chattanooga gebaut werden könnte. Hein Schäfer, der ziemlich dynamische Produkt- und Marketing-Chef von Volkswagen of America, darf uns dazu nicht viel verraten. Eine Entscheidung gäbe es noch nicht, bremst er. »Andererseits brauchen wir später noch eine größere Elektro-Plattform«, verrät er dann trotzdem. Der 40jährige gebürtige Südafrikaner, der erst seit einem Jahr im Amt ist, kann sich da zum Beispiel auch ein größeres SUV-Modell vorstellen. Richtig, dazu gab es unter dem Namen ID. Roomzz ja schon eine passende VW-Elektrostudie im siebensitzigen Format der Fünf-Meter-Klasse. Noch was? Ja, zur ganz großen VW-Linie macht Schäfer gern eine ganz konkrete Ansage: »Wir wollen in den USA der Markführer bei der Elektromobilität werden.«

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2 Kommentare

  1. Benjamin Maas

    Ein spannend geschriebener Artikel mit allerhand interessanten Informationen! Nur 2 Dinge erscheinen mir dann doch übertrieben: Eine Markteinführung des Space Vizzion in den USA im Jahr 1922, was entgegen des üblichen Gebahrens von VW der Zeit weit voraus gewesen wäre, und der beachtliche Verbrauch des E-Tron Sportback von 21,6 bis 26,3 kWh pro Kilometer, was zu einer unanständigen Reichweite von nur ca. 4 km führen dürfte.

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    • Lothar Kuhn

      Da haben Sie natürlich recht. Haben beides korrigiert. Vielen Dank für den Hinweis.

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