Kurz vor der wichtigsten Automesse des Jahres gab es noch einmal Unruhe in Wolfsburg. Erst brachte der Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz und einer Wirtschaftsdelegation in China neuen Schwung in die Diskussion über eine Strafsteuer auf Elektroautos. Dann wärmten deutsche Medien zehn Jahre alte Fälle von Wirtschaftsspionage bei VW durch angeblich chinesische Hacker nochmals auf. Die Vorzeichen für Volkswagen vor der Auto China 2024 in Peking könnten also fraglos besser sein.
Dabei soll eine Designstudie dort jetzt einen Neustart des größten europäischen Autobauers einläuten. Es gilt, wieder in China die Nummer Eins zu werden und BYD so schnell als möglichwieder vom Thron zu stoßen. Es lastet also großer Druck auf dem ID.CODE, dem elektrischen SUV von VW primär für China – später vielleicht auch für den Rest der Welt.
Die Situation ist für die Niedersachsen gerade alles andere als einfach. Denn bei vielen klassischen VW-Kunden kommt das Design der elektrischen ID-Modelle bisher nicht an. Das gilt nicht allein für Europa oder die USA, sondern vor allem für den umkämpften Hauptmarkt der Wolfsburger: China. Der ID.3 kann hier derzeit nur mit großen Preisnachlässen losgeschlagen werden. Auch der neue ID.7 floppt – bislang wurden von der Elektro-Limousine in ganz China keine 5000 Exemplare losgeschlagen.
VW verliert massiv an Boden
Deshalb soll es für VW in China ab 2026 einen kompletten Neustart geben – das von Andreas Mindt entworfene 4,90 Meter lange Konzeptauto kündet bereits davon.
„Kräftig, vornehm und inspirierend“ soll die neue Designsprache von VW in China sein – auf der Messe wird sich zeigen, ob das ankommt. Viel hängt davon ab. Denn erste Serienmodelle sollen schließlich noch in diesem Jahr gezeigt werden, bevor sie in zwei Jahren in den Handel kommen. Und das neue Design – markiger, selbstbewusster und weniger puristisch als bei den aktuellen ID-Modellen – dürfte nicht allein für den Massenmarkt in China ein Thema sein. Auch die kommenden E-Fahrzeuge für Europa oder die amerikanischen Märkte dürften Proportionen und Linien des VW ID.CODE in sich tragen.
„Wir schreiben die 40-jährige Erfolgsgeschichte der Marke VW in China auch im neuen Mobilitätszeitalter weiter fort und bestätigen so das Vertrauen unserer chinesischen Kunden”, verspricht Markenchef Thomas Schäfer. In den kommenden Jahren soll die Modellpalette deshalb schneller als bislang geplant elektrifiziert und das Design und die Ausstattung der Fahrzeuge den Vorlieben chinesischer Kunden angepasst werden: An Bord des ID.CODE ist unter anderem ein kleiner Saugroboter namens Lupo. Um wieder konkurrenzfähig zu werden, setzt der Konzern aber nicht nur auf Spaß und gute Laune, sondern auch auf starke lokale Partner. Das Schlamassel ist groß: Vergangenes Jahr kam Volkswagen in China nur noch auf einen Marktanteil von 14,5 Prozent – nach 19,3 Prozent zwei Jahre davor. Für das laufende Jahr wird wieder ein Marktanteil von 15 Prozent angepeilt.
Spezielle Elektro-Plattform für China
Volkswagen ergänzt dabei die eigenen Fahrzeugarchitekturen MQB und MEB um lokale Plattformen in China – durch Partnerschaften, etwa mit Xpeng. Darüber hinaus entwickelt die in Hefei ansässige Volkswagen China Technology Company die erste China-spezifische Elektroplattform für den Konzern. Auf der sogenannten China Main-Plattform sollen ab 2026 mindestens vier zusätzliche Modelle für das elektrische Einstiegssegment entstehen.
Die Designstudie soll aber nicht nur Lust machen auf das Volkswagen-Design der Zukunft, sondern auch auf das Zeitalter des hochautomatisierten Fahrens: Der ID.Code ist bereits für Level 4 ausgelegt, das in China schon bald erreicht sein soll. Das Fahrzeug kommuniziert dabei mit LED-Modulen an Front, Heck und Flanke mit der Umgebung. Die intelligenten Fensterflächen präsentieren anderen Verkehrsteilnehmern digitale Avatare – so viel Spaß muss sein.
ID-Familie wächst auf 16 Modelle
Wie am Rande der Präsentation bekanntgegeben wurde, wächst die ID-Familie bis zum Ende des Jahrzehnts auf insgesamt 16 Modelle. Darunter befinden sich fünf Elektroautos der neuen Submarke ID.UX, die bis 2027 ihr Marktdebüt feiert und insbesondere jüngere Kunden ansprechen soll. Parallel elektrifiziert der Autobauer aus Wolfsburg all seine Verbrenner-Modelle – und erweitert sein Angebot in China um neue Plug-in-Hybride mit mehr als 100 Kilometer elektrische Reichweite.
Die Nachfrage nach den Teilzeitstromern ist im Reich der Mitte riesig, derzeit entfallen etwa 30 Prozent aller Neuzulassungen hier auf Fahrzeuge mit diesem Antriebskonzept. Mit dem Wey 03 und dem Wey 05 hat Great Wall Motor (GWM) kürzlich zwei SUVs auf den Markt gebracht, die bis zu 146 Kilometer elektrisch fahren können. Da kann VW derzeit nicht mithalten.
Neue Submarke ID.UX für China
Wichtiger denn je soll die Submarke ID.UX werden, die speziell jüngere Autokäufer in China ansprechen soll. Zu den markenspezifischen Merkmalen gehören ein mutiges Außendesign sowie ein fahrerzentrierter Innenraum mit einem innovativen Anzeige- und Bedienkonzept. Erstes ID.UX-Modell soll der VW ID.UNYX sein, der noch in diesem Jahr seinen Verkaufsstart feiert. Möglich gemacht wurde das durch ein neues Gesamtsystem aus Produktion, Entwicklung, Beschaffung und Batterieproduktion sowie eine engere Zusammenarbeit mit lokalen Partnern wie Xpeng, Horizon Robotics und Thundersoft. Mit Xpeng entstehen im ersten Schritt zwei neue Mittelklassemodelle, die ab 2026 auf den chinesischen Markt kommen sollen.