Die Dame hat Humor. Auf den Zuruf „Mir ist kalt“ antwortet sie: „Hole Dir keine Erkältung. Ich empfehle Zwiebel-Look“. Auch der zweite Versuch, per Sprachsteuerung die Raumtemperatur um ein oder zwei Grad anzuheben, scheitert. Als Reaktion kriegen wir nur ein paar warme Worte: „Egal, wie kalt es draußen ist: Mir wird warm, wenn ich an unsere Freundschaft denke.“

Dabei hatten wir eigentlich noch gar keine Freundschaft geschlossen – der Volvo EX30 und ich. Wie könnten wir auch. Es ist unsere erste Begegnung. Ok, der erste Eindruck von dem neuen, mit 4,23 Metern Länge erfreulich kompakten Elektroauto „made by Sweden“ ist durchaus positiv. T. Jon Mayer, Head of Exterieur Design von Volvo und „Star Wars“-Fan, hat gute Arbeit geleistet.

Die vom Helmdesign des Kopfgeldjägers Din Djarin aus der TV-Serie „The Mandalorian“ (Wahlspruch: „Das ist der Weg“) inspirierte Front des SUV kommt futuristisch-cool daher. Auch das fein gezeichnete und durch LEDs in Volvo-Manier gegliederte Heck des kleinen Stromers weiß zu gefallen. Die Radhäuser sind leicht ausgestellt, die Schulterlinie steigt zum Heckspoiler hin deutlich an: Der EX30 sieht schon im Stand dynamisch aus. Vor allem in Kombination mit den 19-Zoll-Rädern im zweifarbigen Aero-Design, die unser „Vapour Grey“ lackierter Testwagen serienmäßig trägt.

Etwas gewöhnungsbedürftig ist allerdings der Innenraum. Jedenfalls für Menschen, die mit Elektroautos von Tesla noch wenig Kontakt hatten und noch klassische Auto-Cockpits vor Augen haben. Mit Tachometer und Drehzahlmesser sowie einer Menge an Knöpfe und Tastern. Damit haben sie nun auch bei Volvo gebrochen: Hinter dem Lenkrad sitzt in einem kleinen schwarzen Kasten nur ein schwarzes Kästchen, das mithilfe eines speziellen Sensors den Fahrer überwacht. Um zu erfahren, wie schnell er gerade durch die Innenstadt rollt, muss der Fahrer den Blick auf den 12,3 Zoll großen Touchscreen in der Mitte werfen – und wird prompt mit einem Warn-Ping ermahnt, den Blick wieder auf die Fahrbahn zu richten. Ja, was denn nun?

Nachhaltige Gute Vorsätze und

Wünschen würde man sich da ein Head-up-Display (HUD). Das HUD, hören wir, wurde von den Entwicklern durchaus erwogen – dann aber von den Finanzern gestrichen. Wie so manches andere, über das noch zu sprechen sein wird.

Wichtiger war zudem den Interieur-Designern, den Innenraum so minimalistisch wie möglich – und maximal nachhaltig zu gestalten. Lederfrei, mit jeder Menge recycelten Kunststoffen und biobasierten Materialien wie recyceltem Kork, um den CO2-Fußabdruck so klein wie möglich zu halten. Immerhin hat sich Volvo das hehre Ziel gesetzt, bis 2040 komplett klimaneutral zu sein und keinerlei CO2 mehr auszustoßen. Schon jetzt soll sich der EX30 zu 95 Prozent wiederverwerten lassen.

Tesla lässt grüßen 
Wie in den Elektroautos der Kalifornier werden auch im kleinen Volvo die meisten Funktionalitäten über den zentralen Touchscreen gesteuert. Dort finden sich auch alle Informationen zum Fahrbetrieb wie die Geschwindigkeit. Foto: Volvo
Tesla lässt grüßen
Wie in den Elektroautos der Kalifornier werden auch im kleinen Volvo die meisten Funktionalitäten über den zentralen Touchscreen gesteuert. Dort finden sich auch alle Informationen zum Fahrbetrieb wie die Geschwindigkeit. Foto: Volvo

Nebenbei lässt sich dadurch sicher auch eine Menge Geld sparen. Unter anderem, indem man auf Deckfolien verzichtet und die geschredderten und eingeschmolzenen Plastikabfälle unterhalb der Gürtellinie durchscheinen lässt. Oberhalb der Gürtellinie ist das Hartplastik noch ganz gut kaschiert, mit „Dekorträgern“, die ein wenig an Linoleumböden erinnern („Particle“) oder aus Flachsfasern bestehen. Das sieht ganz nett aus, fühlt sich allerdings nur mittelprächtig an und sollte tunlichst nicht abgeklopft werden – es tönt dann einfach nur hohl.

Das minimalistische Interieur-Design hat allerdings auch seine guten Seiten: Das Raumgefühl vorne ist luftig-angenehm, die Übersichtlichkeit gut. Und wenn man sich erst einmal in die Menüstruktur eingearbeitet hat, findet man auch schnell das Symbol auf dem Touchscreen, über den sich das Handschuhfach öffnen lässt. Nämlich in der Mittelkonsole. So ist es auch für den Fahrer gut erreichbar. Simply clever, würden sie bei Skoda sagen.

Wenig Platz für Gepäck und Passagiere

Deutlich weniger luftig, eher beengt, geht es hingegen für Erwachsene in der zweiten Sitzreihe zu. Zumindest wenn vorne ebenfalls Menschen von 1,80 Metern Größe hocken, die nicht gewillt sind, zugunsten der Fondpassagiere Komforteinbußen hinzunehmen. Von Kniefreiheit kann dann hinten keine Rede mehr sein. In der Beziehung bewegt sich der Volvo auf Mokka-Format. Der gleichnamige, nur 4,15 Meter lange SUV von Opel bietet auf der Rücksitzbank gefühlt sogar noch ein Tick mehr Beinfreiheit.

Der Wettbewerber aus Rüsselsheim bietet auch etwas mehr Platz im Kofferraum: 350 statt 318 Liter bei voller Bestuhlung, 1060 statt 904 Liter Volumen um umgelegter Rücksitzbank. Der sieben Liter fassende „Frunk“ unter der Fronthaube (den der Opel nicht zu bieten hat) reißt den Volvo da nicht raus. Denn in den passt nicht einmal das Ladekabel. Aber der maximal 115 kW starke Mokka Electric spielt in einer anderen Leistungsklasse – den Vergleich wollen wir hier erst einmal nicht weiter vertiefen.

Angeboten wird der Volvo EX30 in drei Versionen, mit Heck- und Allradantrieb, mit einer kleinen, brutto 51 und netto 49 kWh großen Lithium-Eisenphosphat (LFP)-Akku für eine maximale (Norm-) Reichweite von 344 Kilometer sowie alternativ mit einer (teureren) Nickel-Mangan-Cobalt (NMC)-Batterie, die brutto 69 kWh speichert. Davon stehen 64 kWh für Fahrten bis zu 464 Kilometer Länge zur Verfügung.

Maximale Ladeleistung 153 kW

In der Allrad-Version EX30 Performance muss wegen des höheren Stromverbrauchs von im Schnitt 17,7 kWh/100 km nach WLTP-Norm spätestens nach 450 Kilometern rückwärts vor einer Ladestation eingeparkt werden – die Ladeklappe sitzt wohl mit Rücksicht auf Käufer in Ländern mit Linksverkehr hinten links. Im Idealfall zieht er dann Gleichstrom mit maximal 153 kW – oder Wechselstrom (optional, Serie bei „Ultra“) mit bis zu 22 kW. Mit dem kleinen Akku sinkt die maximale Ladeleistung übrigens auf 135 kW. Plug & Charge ist hier wie da nicht vorgesehen – so etwas gibt die chinesische SEA-Plattform, die sich der Volvo mit dem ZeekrX und dem Smart #1 teilt, noch nicht her. Ebenso wenig wie auch die Möglichkeit zum bidirektionalen Laden.

Falsch verbunden
Volvo hat die Ladeklappe hinten links platziert. In Ländern mit Rechtsverkehr könnte es da ein Problem geben, wenn die Parksäule am Fahrbahnrand steht: Parken entgegen der Fahrtrichtung wird hierzulande mit 15 Euro bestraft.
Falsch verbunden
Volvo hat die Ladeklappe hinten links platziert. In Ländern mit Rechtsverkehr könnte es da ein Problem geben, wenn die Parksäule am Fahrbahnrand steht: Parken entgegen der Fahrtrichtung wird hierzulande mit 15 Euro bestraft.

Die heckgetriebene Version mit kleinem Akku kommt theoretisch mit 16,7 kWh/100 km aus – ist aber aber nur eingeschränkt zu empfehlen. Auch weil für die Version auch für Geld und gute Worte keine Wärmepumpe zu erhalten ist, die im Winter schnell für wohlige Temperaturen sorgen könnte. Aus Kostengründen, wie es heißt – und vermutlich auch, um Interessenten für die höherpreisigen Versionen zu erwärmen.

Preise beginnen bei 36.500 Euro

Zur Orientierung: Los geht es bei 36.500 Euro, für 41.790 Euro gibt es den größeren Akku, Allrad ab 48.490 Euro. Obendrauf kommen dann noch die Preise für die Ausstattungspakete „Plus“ oder „Ultra“. Unser Testwagen in der Ausführung „Single Motor Extended Range“ mit „Ultra“- und Winterpaket sowie Ver-Pixelung“ des Armaturenträgers kostete 46.190 Euro, die später gefahrene Allrad-Version 54.590 Euro. Mokka-Käufer – das elektrische Basismodell kostet hier 40.800, das Topmodell 44.720 Euro – würden da Schnappatmung kriegen. Aber Opel spielt im ja auch in einer anderen Liga.

Das zeigt sich vor allem an den dynamischen Werte des EX30: Schon die kleinste Version des Volvo hat eine Spitzenleistung von 200 kW oder 272 PS, die allradgetriebene Performance-Version wuchtet 315 kW oder 428 PS auf die vier Räder, um den 1960 Kilogramm schweren Stromer auf Touren zu bringen. Und das geht schon in der heckgetriebenen Version einigermaßen flott, wie sich bei unserer Testfahrt zeigt. Tempo 100 ist hier nach etwas mehr als fünf Sekunden erreicht, im Allradler sogar nach 3,5 Sekunden.

Durchschnittsverbrauch von über 20 kWh/100km

Das sind Werte früherer Sportwagen. Aber ist das der richtige Weg, um den CO2-Fußabdruck von Autos zu verkleinern? Die Frage muss erlaubt sein. Immerhin half uns die Antriebspower, auf der Landstraße das eine oder andere Überholmanöver deutlich zu verkürzen. Mit dem Ergebnis allerdings, dass der Bordcomputer am Ende der Testfahrt einen Durchschnittsverbrauch von 21,1 kWh/100 km auswies.

Dynamiker

Lobend muss man auch die exzellente Straßenlage erwähnen. Die Straßen rund um Hamburg sind alles andere als im Topzustand, streckenweise rollten wir auch über Kopfsteinpflaster. Das Fahrwerk des EX30 schluckt alle Unebenheiten und ließ sich auch durch Schlaglöcher nicht aus der Ruhe bringen. Da haben die Volvo-Ingenieure bei der Abstimmung wirklich gute Arbeit geleistet. Die dreifach einstellbare Lenkcharakteristik hätten sie sich allerdings sparen können – außer im „Sport“-Modus reagiert der Wagen schwammig auf Lenkbefehle.

Sicherheitstechnisch auf der Höhe der Zeit

Markentypisch zeigt der kleine Stromer bei allen Sparanstrengungen andernorten auch bei der Sicherheitsausstattung keine Schwächen. An Bord ist alles an Assistenzsystemen, was heutzutage nötig ist, um Unfälle durch Brems- und Lenkeingriffe sowie Warnsignale zu vermeiden. Fußgänger werden ebenso erkannt wie Fahrräder und Motorroller. Natürlich auch Verkehrsschilder, wenn auch nicht immer mit 100-prozentiger Sicherheit, wie sich bei der Testfahrt zeigte, was dann gelegentlich zu unnötigen (aber erfreulich dezentem) Warn-Gebimmel führte.

Ja, der kleine Mandalorianer hat mancherlei Vorzüge. Und Volvo macht sich große Hoffnungen, das Modell in großen Stückzahlen absetzen zu können, in größeren Mengen sogar noch als vom aktuellen Bestseller XC60, von dem im vergangenen Jahr weltweit immerhin fast 230.000 Einheiten abgesetzt wurden. Ab 2025 soll sogar eine zweite Fertigung des EX30 im belgischen Genk starten.

Bis dahin sollten auch die Probleme mit der Sprachsteuerung von Google Assistent behoben sein – und die vorgetragenen Klagen des Fahrers über kalte Finger umgehend zum Einschalten der Lenkradheizung führen.

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