Wie soll ich den Hinweis jetzt verstehen? In vier Minuten, teilt mir „Eidee“ auf dem kleinen Display hinter dem Lenkrad mit, erreichen wir die nächste Shell-Tankstelle. Interessant – aber doch wohl nicht für mich? Schließlich stromere ich mit einem Elektroauto durch die Heide nördlich von Hannover. Der Akku ist noch ordentlich gefüllt und bis zum Ziel ist es auch nicht mehr gar so weit. 

Will mich „Eidee“ vielleicht an die Orte erinnern, an denen ich jahrzehntelang Unmengen von Geld gelassen habe, um Benzin- und Dieselkraftstoff zu tanken? Oder will sie einfach nur einen Scherz mit mir treiben? Zuzutrauen wäre es ihr. Denn Eidee ist ziemlich schlau. Sie versteht mich, gehorcht mir aufs Wort („Hi Eidee, wärme mir die Füße“). Und sie kann sogar Witze erzählen: „Was essen Autos am liebsten?“ Mm, Sprit oder Strom vielleicht? Nein, „Park-Plätzchen“. Ha, ha, was habe ich gelacht. 

Intelligente Beziehungsmanagerin

Eidee oder Idee – die intelligente Sprachsteuerung hört auf beide Namen – ist so eine Art Beziehungsmangerin an Bord des ID.3, des neuen Elektroautos von Volkswagen. Mit sanfter Stimme und verständnisvollem Ton soll sie die mittlerweile in die Jahre gekommene „Generation Golf“ in die Ära der Elektromobilität hinüberführen. Und wohl auch der jüngeren Generation die Scheu vor der neuen Antriebstechnik nehmen, auf die sich Deutschlands größter Autokonzern neuerdings fokussieren will. 

Hingucker
Der ID.3 sorgt selbst im Umland des VW-Werks und sogar bei Tesla-Fans für Aufsehen.

Soft- und Hardware-Ingenieure, Licht- und Exterieurdesigner haben deshalb in den zurückliegenden drei Jahren auf engste zusammengearbeitet, um einen „Golf für das Zeitalter der Elektromobilität“ sowie ein „Auto mit Persönlichkeit“ zu schaffen. Das seinen Besitzer (m/w/d) schon von weitem mit den Scheinwerfern schelmisch zublinzelt, wenn er, sie oder es vor die Haustür tritt. Das nicht lange erklärt werden muss, sondern sich freundlich andient. Das praktisch ist und erschwinglich. Und das, fast hätten wir es vergessen, elektrisch fährt.

Flüsterleiser Motor

Und wie. Nerds können und werden sich an den technischen Details des Neulings delektieren. Am permanent erregten Synchronmotor an der Hinterachse etwa, der bei unserem weißen Testwagen der First Edition 150 Kilowatt oder 204 Pferdestärken mobilisiert und dabei dank verschränkter Magnete im Rotor (Wer kommt auf solche Ideen?) so flüsterleise zu Werke geht wie in keinem anderen Elektroauto zuvor.

Das kleine Leichtgewicht (inklusive Leistungselektronik und Getriebe bringt es keine 90 Kilo auf die Waage) entwickelt zwar keine brachiale Gewalt wie etwa in einem Porsche Taycan Turbo oder Tesla Model S in Performance-Ausführung. Aber 310 Newtonmeter Drehmoment reichen beim Ampelstart durchaus aus, um viel stärkere Autos mit Verbrennermotoren im Rückspiegel verschwinden und den Kopf des Fahrers kurz die Zentrifugalkräfte spüren zu lassen. 

Hi Eidee, wärme mir die Füße
Der ID.3 wurde von seinen Entwicklern auf Bedienerfreundlichkeit getrimmt. Im Zweifelsfall hilft „Eidee“, die intelligente Sprachsteuerung, bei der Steuerung der Funktionen.

Track Races sind eigentlich nur etwas für Halbstarke. Aber wenn Elektroautos Anflüge von Infantilität so gelassen hinnehmen wie im ID.3, kann man sie sich gelegentlich durchaus einmal gönnen. Dank Heckantrieb gibt es keine wild durchdrehenden Räder. Und dank eines ausgeklügelten Thermomanagements und eines aufwändigen Kühlsystems laufen die Batteriezellen im Boden so schnell nicht heiß. Also: Sport-Modus rein und los.

Viersitzer mit großer Batterie

Die First Edition, die ab Oktober ausgeliefert wird, hat einen Batterieblock mit einer Speicherkapazität von 58 Kilowattstunden (kWh) an Bord, die bei zurückhaltender Fahrweise für 400 Kilometer Reichweite gut sein sollten. Unser Testverbrauch von 16,2 kWh pro 100 Kilometer lief eher auf einen Ladestopp nach 360 Kilometern hinaus. Aber für ein Auto mit einem Leergewicht von rund 1,8 Tonnen und dem Platzangebot eines Mittelklasse-Modells vom Kaliber eines Tesla Model 3 sind das ganz ordentliche Werte. Wem das nicht reichen sollte, kann auch eine Batterie mit einer Speicherkapazität von 77 kWh ordern. Damit können dann über 500 Kilometer in einem Rutsch zurückgelegt werden. Allerdings: Wegen der insgesamt höheren Achslast dürfen dann auch nur drei Passagiere mitgenommen werden.

Neue Schalt-Logik

Um es Erstkäufern von Elektroautos so einfach wie möglich zu machen, sich mit dem neuen Antriebskonzept anzufreunden, haben die VW-Ingenieure darauf verzichtet, den ID.3 mit aufwändigen Rekuperationstechniken zu befrachten. In Fahrstufe D dreht der Motor frei mit, wenn der Fuß vom Fahrpedal genommen wird – der ID.3 segelt dann einfach. Nur in Stufe B wie Brake wird der Elektromotor zum Generator und speist den beim Bremsen gewonnenen Strom in die Batterie zurück. Andere Hersteller mögen über Pedals am Lenkrad weitere Möglichkeiten offerieren, Energie zurückzugewinnen – VW war eine einfache Bedienung wichtiger. 

Aus dem gleichen Grund wurde beispielsweise auch die Schaltlogik beim ID.3 umgedreht: Will man vorwärts fahren, drückt man den – vom BMW i3 entlehnten – Schaltknauf an der Lenksäule nach vorne. Und für den Rückwärtsgang einzulegen, dreht man den Schalter auf sich zu. Bei den meisten Autos mit Automatikgetriebe – auch bei VW Golf und Passat – funktioniert es genau andersherum. Warum auch immer.

Solide gefügt
Einige der im Innenraum verbauten Materialien machen deutlich, wo Volkswagen Kosten sparen musste. Die Verarbeitungsqualität ist allerdings gut: An den Spaltmaßen gibt es auch bei diesem Modell nichts zu meckern.

Gleichstrom lädt der ID.3 an Schnellladesäulen serienmäßig mit 100 kW, wenn die 58 kWh große Batterie an Bord ist. Mit der großen Batterie steigt die Ladeleistung auf 125 kW. Fließt Wechselstrom – an der Wallbox oder einer öffentlichen Ladesäule – beträgt die Ladeleistung 11 kW. Bei dem Basismodell mit 45 kWh-Akku, das VW im kommenden Jahr nachreicht, betragen die Ladeleistungen serienmäßig 7,2 und 50 kW. Dort werkelt dann allerdings auch nur ein Elektromotor mit 107 kW/146 PS an der Hinterachse.

Apropos Basis: Aktuell kostet der VW „Golf für das Zeitalter der Elektromobilität“ wenigstens 35.574,95 Euro. Für das Modell Pro S mit großer Batterie werden wenigstens 40.936,31 Euro fällig. Mit ein paar Extras – die Auswahl ist so reichlich wie appetitlich – oder gleich in der Ausführung „Max“ mit Komplettausstattung landet man schnell bei 50.000 Euro. Dank Umweltbonus und Innovationsprämie können Interessenten davon aktuell 9.480 Euro brutto abziehen. Damit wird das aktuell beste Elektroauto in dieser Klasse und Größenordnung fast schon ein Schnäppchen. 

Die Hinweise auf die eingesparten Tankrechnungen könnte sich „Eidee“ da eigentlich ersparen.  

P. S. Wir haben die Testfahrt mit dem VW ID.3 zusammen mit dem E-Auto Vlogger Dirk Henningsen unternommen, der selbst ein Tesla Model S sowie einen Smart ED besitzt. Seine Eindrücke vom neuen „Volksstromer“ und unser gemeinsames Fazit hat er in einem Video zusammengefasst.

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10 Kommentare

  1. Strauss

    58 KWh wird wohl die beste Lösung sein. Bravo VW, wird bestimmt ein Markterfolg.

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  2. iOn Werner

    Hammer, ab 35.000 Euro, und das soll ein „Volksauto“ sein ??? Selbst nach Abzug der Staatlichen und Herstellerförderung gibt es noch einige gute bis sehr gute Alternativen …

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    • Franz W. Rother

      Nach Abzug von Umweltbonus und Innovationsprämie starten die Preise bei etwa 25.000 Euro. An welche E-Alternativen mit vergleichbarer Reichweite und vergleichbarem Platzangebot denken Sie da?

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    • J.R.

      Ja, welche denn ?
      In Bezug auf die Größe, im Inneren gefühlt noch eine Klasse größer, fällt mir keine preisliche Alternative ein!
      Der ID.3 beginnt „unter“ 30.000 € als Pure mit 45 Kwh Batterie, abzüglich der Prämien… 35.000 € stehen für den Pro mit 58 Kwh Akku!
      Außerdem wird der ID. bilanziell CO2- Neutral produziert (Nachhaltigkeit) und dass, schafft z. Zt. kein anderer Hersteller!
      Erst Augen auf (also informieren), dann meckern! Und nicht umgekehrt…

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    • Rene

      Wie wärs mit dem ÖV…….

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  3. Markus

    In der Variante mit dem großen Akku nicht aber die 58 kW Variante ist mit Kupplung verfügbar soweit ich weiß.

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  4. Häns

    ist in der Vollausstattung dann auch eine Anhängekupplung verfügbar? Wenn es ein Volks-Auto werden soll, dass sollte hierbei auch die Praxistauglichkeit berücksichtigt werden. Es gibt nicht nur Stadt-Menschen, die zum Einkauf und zur Arbeit fahren, sonder auch Land-Mneschen, die bauen, auf’m Stückle arbeiten, oder ihre Grün-Abfälle zum Häckselplatz fahren wollen.

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    • Franz W. Rother

      Nein, in der Ausführung Max ist die Hängerkupplung nicht enthalten. Nachvollziehbar: Aus verschiedenen Gründen (auch für den Transport von Fahrrädern) sehr sinnvoll – da auch keine Möglichkeit besteht, einen Dachträger zu montieren. Aber nicht jeder wird darauf Wert legen.

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    • J.R.

      AHK für die kleine und mittlere Batterie möglich. Allerdings nur mit einer Stützlast (55 KG) für z.B. einen Fahrradträger, keine Anhängelast!
      Die wird wohl erst mit dem ID.4 folgen.

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    • Frieder Feldmesser

      Ja, das liebe AHK-Thema 😉
      Wir leben auch auf dem Land, aber eine AHK habe ich in den letzten 30 Jahren nie gebraucht oder vermisst.
      Auch Grünschnitttransporte oder Baumarkteinkäufe haben bei umgeklappten Rücksitzen und damit großer durchgängiger Ladefläche mit den verschiedensten Autos stets funktioniert. Ob wir dabei vielleicht teils mal die maximale Zuladung überschritten haben mögen, dazu schweigt des Sängers Höflichkeit.

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