Daniel Ott zählt zu Fans des ID.3, seit Volkswagen das kompakte Elektroauto 2019 auf der IAA in Frankfurt vorstellte. Der Schwager des Webdesigners aus Flumserberg – einem Wintersport- und Wandergebiet im Süden des Kantons St. Gallen – leitet zwar den Tesla-Club in der Schweiz. Aber mit den Limousinen und Großraum-SUVs aus Kalifornien konnte der 49-jährige nie etwas anfangen: „Ich brauche einen Hatchback“, ein kompaktes Auto mit praktischer Heckklappe.
Der VW ID.3 kam ihm da gerade recht. Kurz nach der Weltpremiere orderte Ott die First Edition des Stromers aus Zwickau in der 150 kW starken Basisversion, legte sie tiefer, folierte sie mattschwarz – und taufte sie „Elektra“. Das Auto hat mittlerweile 130.000 Kilometer auf dem Tacho. Diverse Teile mussten in den zurückliegenden vier Jahren erneuert werden, auch macht die Betriebssoftware immer wieder Stress. Doch den Wagen gebe er nicht mehr her: „Den behalten wir, bis er auseinanderfällt.“

Der 49-jährige Webdesigner aus der Schweiz ist ein ID.3-„Fanboy“ der ersten Stunde. Seine tiefergelegte und mattfolierte First Edition liebt er trotz aller Schwächen heiß und innig. Foto: Rother
Nur eines, räumt Ott ein, habe er sich in den zurückliegenden Jahren bei seinen Fahrten durch die Schweizer Berge immer wieder gewünscht: „Mehr Wumms“, sprich: einen stärkeren Antrieb mit mehr Drehmoment.
Nun, dem Mann kann geholfen werden: Auf dem vierten, von Ott organisierten ID-Treffen in Locarno stellte Volkswagen nicht nur den neuen, 210 kW (286 PS) starken ID.3 GTX vor. Und mit dem von der VW-Designabteilung liebevoll gestalteten Einzelstück ID.3 GTX „Fire+Ice“ gaben die Gäste aus Wolfsburg auch gleich noch einen ersten Vorgeschmack auf eine Performance-Version des ID.3 GTX, die zum Jahresende auf den Markt kommt. Gewissermaßen als Antwort auf den Cupra Cupra Born VZ.
Mit bis zu 200 km/h in die Berge
Die elektrische Sportskanone verfügt – wie das Topmodell der spanischen Schwestermarke – über eine Spitzenleistung von 240 kW oder 326 PS und ein maximales Drehmoment von 545 Newtonmeter. Bei Fahrten über den Lukmanierpass oder rauf zur Tannbodenalp in seiner Heimatgemeinde könnte sich Ott damit leicht in einen Höhen- und Geschwindigkeitsrausch kommen: Abgeregelt wird der Vorwärtsdrang bei dem vorläufigen Topmodell der ID.3-Baureihe erst bei 200 km/h. Wo immer solche Geschwindigkeiten noch möglich sind. In der Schweiz sicherlich nicht.



Insofern dürfte den meisten Kaufinteressenten auch der „normale“ GTX völlig reichen, den wir auf dem Weg zum ID-Treffen am Lago Maggiore und in den Bergen ringsum erstmals auf öffentlichen Straßen bewegen durften. Schon in der Ausführung, so unser Eindruck, bringt das Modell alle Charaktereigenschaften mit, die VW-Chef Thomas Schäfer auch für die Elektroautos der „Love Brand“ im Konzern vorschweben. Hochwertig sollen sie sein, hochgradig sicher – und hochemotional. Das Facelift im Frühjahr hatte dem ID.3 schon gut getan, noch mehr das Software-Update auf die Version 4.0. Aber mit dem GTX macht das Modell noch einmal einen Sprung nach vorn, optisch, qualitativ und gefühltstechnisch.
Viel Feinschliff in vielen Details
Die erste Überraschung gibt es schon beim Einstieg: Statt über einen „Knubbel“ am Cockpit wird die Fahrstufe nun wie beim ID.7 über einen Wählhebel rechts am Lenkradkranz gewählt. Die Lösung erlaubte es, in der Mittelkonsole einen größeren Touchscreen zu positionieren. Zusammen mit dem Bedienhebel für Blinker und Scheibenwischer sorgt das für eine klare Sortierung und ergonomisch einfache Lösung – Fahrer eines (vergleichbar großen) Renault Megane E-Tech Electric wissen allein das schon zu schätzen.
Wohlgefällig nehmen wir im GTX auch die verfeinerten Oberflächen, die roten Ziernähte im Armaturenträger und an den Sitzen zur Kenntnis: Hartplastik findet sich nun erst unterhalb des Kniebereichs. Vor allem aber springt nach dem Hochlaufen des Systems sofort die neue Optik des Infotainmentsystems ins Auge. Die Kartendarstellung des Navigationssystems ist brilliant und über kleine Symbole in der Dachleiste sind die wichtigsten Funktionen schnell angesteuert. Für das Abschalten des Geschwindigkeitswarners braucht es nur zwei Fingertipps, der Wechsel vom Fahrmodus Komfort in den Fahrmodus Sport ist ebenso schnell vollzogen.
Allradantrieb kommt später
Im Unterschied zum ID.7 verheißt beim ID.3 das X im GT keinen Allradantrieb: Wie bei den schwächeren Modellen konzentrieren sich die Antriebskräfte auf die Hinterachse. Was einerseits dem Wendekreis guttut, andererseits noch nicht das letzte Wort sein muss. Wie am Rande der Testfahrt von VW-Ingenieuren zu erfahren war, könnte ein späteres R-Modell durchaus noch mit einem Allradantrieb aufwarten. Zuvor müsse allerdings noch ein Platz für den zusätzlichen Motor an der Vorderachse gefunden werden, der nicht in der Crashzone liegt: Kurze Karosserieüberhänge sind manchmal auch ein Handicap.

In den Schweizer Bergen ist der ID.3 GTX auch ohne Allardantrieb in seinem Element, schiebt er dank einer Antriebsleistung von 210 kW kräftig bergauf. Lenkung, Bremsen und Fahrwerk kommen damit prächtig zurecht. Foto: Rother
Die neue E-Maschine an der Hinterachse vom Typ APP550, die im VW-Motorenwerk Baunatal entwickelt wurde und auch den ID.7 antriebt, ist alles andere als ein Handicap, sondern ein echter Gewinn. Einerseits bei der dynamischen Kraftentfaltung, andererseits beim sparsamen Umgang mit der Energie: Trotz einer durchaus sportlichen Fahrweise und zahlreichen lang Bergauf- (aber auch Bergab-) Passagen kletterte der Stromverbrauch nicht über 18 kWh/100km. Der Normverbrauch von 15,1 kWh/100 km scheint somit im Alltagsverkehr durchaus erreichbar.
Bis zu 604 Kilometer in einem Rutsch
Und vor allem Reichweiten von über 500 Kilometer. Im WLTP-Zyklus (mit einer kurzzeitigen Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h auf der Autobahn) sollen sogar bis zu 604 Kilometer drin sein – das wäre eine nette Aufgabe für die „ID-Challenge“ beim nächsten Fan-Treffen in Locarno. Dabei ist die Akkukapazität auf dem Papier nur geringfügig gestiegen: Von netto 77 kWh wie beim ID.3 Pro S auf nunmehr 79 kWh. Allerdings verfügt der Lithium-Ionen-Akku von CATL über eine leicht veränderte Zellchemie. Und ein neues Fertigungsverfahren erlaubt es, auf dem gleichen Bauraum „ein, zwei“ Zellen mehr unterzubringen und gleichzeitig besser zu temperieren – genauere Details wollte der VW-Ingenieur partout nicht verraten.

Kurzer Zwischenstopp an der Fastned-Station an der A13 in Landquart. Mit 181 kW nimmt der thermisch vorkonditionierte Akku des ID.3 GTX hier den Gleichstrom auf. Bis zum Ladestand von 80 Prozent dauert es da nur etwa 20 Minuten.
Netter Nebeneffekt: Die Ladepausen werden dank der neuen Batterie spürbar kürzer. Die maximale Ladeleistung noch einmal gestiegen. Von einstmals 125 kW auf 175 kW wie beim aktuellen ID.3 Pro S auf nunmehr 185 kW beim GTX. Bei den meisten Elektroautos dieser Größenklasse ist schon bei 130 oder 150 kW Schluss. Und die hohe Ladeleistung, zeigt sich bei kurzen Stopps an Ladesäulen von Fastned (in der Schweiz) und von Ionity (in Oberbayern), hält das System im Unterschied zu manchen Konkurrenten nicht nur wenige Sekunden, sondern einige Minuten. Erst bei einem Ladestand von 50 Prozent fällt die Ladekurve deutlich ab.
Performance-Sondermodell im Stil der 90er
Nichts zu meckern gibt es auch am Fahrverhalten. Im Sportmodus ist die Lenkung erfreulich direkt und reaktionsschnell. Was gut ist, wenn bei der Beschleunigung aus der Spitzkehre am Berg die 20 Zoll großen Hinterräder auf feuchter Fahrbahn schon einmal leicht nach außen ausbrechen. Gefahr kommt dadurch nicht auf, eher Freude am sportlichen Fahren: Das ESP-System fängt das Heck schnell wieder ein. Schweißausbrüche wird ohnehin niemand erleben bei der Vielzahl der Assistenzsysteme, die der ID.3 GTX an Bord hat. Die sanft fächelnde Klimaautomatik tut ein übriges dazu.

Die Lackierung in Königsrot steht dem sportlichen ID.3 GTX ausgesprochen gut, insbesondere in Kontrast mit dem schwarzen Dach und den schwarzlackierten Felgen im 20-Zoll-Format. Auch und gerade vor einer stählernen Hausfassade.
Gerne hätten wir auch noch eine Runde mit der nochmals stärkeren Performance-Version gedreht, allemal in der spektakulären „Fire+Ice“-Version, die als Showcar in Zusammenarbeit der VW-Designer mit dem Sportausrüster Bogner entstand. Die Idee dazu hatten Sven Wachendorf und Sebastian Ungerland, zwei Ingenieure aus der VW-Entwicklungsabteilung, die schon für frühere ID-Treffen Elektro-Prototypen auf der Basis von Serienmodellen gebaut hatten. Diesmal diente ein gleichnamiges Sondermodell des VW Golf 2 von 1990 als Inspiration – das mit 16.700 Exemplaren bestverkaufte in der jüngeren Volkswagen-Geschichte.
Der Spaß beginnt bei 50.795 Euro
Ob auch der ID.3 GTX Performance „Fire+Ice“ in einer Kleinserie auf den Markt kommt, ist eher unwahrscheinlich. Dafür sind die Extras zu zahlreich, der Produktionsaufwand zu groß – und wäre der Verkaufspreis wohl zu hoch: Schon das Serienmodell ohne Sonderlackierung und zweifarbigen Sitzen startet bei 52.595 Euro. Ohne Performance-Paket und ohne adaptives Fahrwerk beginnt der Spaß bei 50.795 Euro. Und da ist noch einiges an Luft nach oben. Unser Testwagen in Kings Red mit ErgoActive-Sportsitzen, Head-up-Display und (exzellenter) Soundanlage von Harman Kardon, Wärmepumpe und ein Paket aus Assistenzsystemen 61.655 Euro gekostet. Der „E-Mobilitätsbonus“ in Höhe von 3.570 Euro, den VW derzeit aus freien Stücken zahlt, lindert da den Schmerz eines sportbegeisterten Normalverdieners nur geringfügig. Da hilft nur eines: Leasen.