Die ersten drei Ladesäulen in der Stadt wurden 2017 aufgestellt. Eine am Marktplatz, die beiden anderen hinter dem Rathaus und in der Tiefgarage der Stadtverwaltung. Zusätzlich stiftete der regionale Energieversorger dem Fahrdienst der Kommune einen Nissan Leaf der ersten Generation – damit die Ladestationen auch genutzt wurden. Zur Übergabe des Fahrzeugs kam der Bürgermeister kurz, setzte sich auf Wunsch der Lokalreporter auch hinter das Lenkrad des Stromers. Doch für die Fahrten zu seinen dienstlichen Terminen in der Kreis- und fernen Landeshauptstadt am Rhein nutzte er weiterhin seinen dieselgetriebenen VW Passat: Der Stromer aus Japan mit einer maximalen Reichweite von 175 Kilometern und einer maximalen Ladeleistung von 50 Kilowatt erschien dem Politiker nicht alltagstauglich genug.
Seitdem hat sich viel getan. Die Stadt bekam einen neuen Bürgermeister und zehn neue Schnellladesäulen von EnBW und Allego, an denen Gleichstrom mit 300 kW fließt. Auch wuseln inzwischen eine Vielzahl von Elektroautos aller Marken durch die Stadt. Doch der Bürgermeister dieselt immer noch mit dem alten Passat zu seinen Terminen – die angespannte Haushaltslage lässt die Anschaffung eines neuen Dienstwagens wohl nicht zu.
Laufruhe ohnegleichen
Dabei wäre der VW ID.7 Pro, mit dem wir an einem Vormittag in die Tiefgarage unter dem Rathaus rollen, in jeder Beziehung bestens als Dienstwagen geeignet. Mit einer Länge von 4,96 Meter und in der Aquamarinblauen Lackierung ist er eine repräsentative Erscheinung. Das Raumangebot ist aufgrund eines Radstands von 2,97 Metern auch auf der Rücksitzbank geradezu fürstlich. Und die Reichweite von knapp 500 Kilometern im Alltagsverkehr und bis zu 670 Kilometern im Stadtverkehr mehr als ausreichend für Fahrten durch die „Stadt der 100 Dörfer“. Da müsste wohl nur einmal in der Woche die AC-Ladestation hinter dem Rathaus frequentiert werden.
Wir waren jedenfalls nach unserem zweiwöchigen Alltag mit dem Stromer aus Emden tief beeindruckt. Von der Laufruhe und dem großen Fahrkomfort, vom geringen Energieverbrauch bei zurückhaltender Fahrweise und der feinen Ausstattung des – zugegebenermaßen vollausgestatteten – Fahrzeugs. Das Exterieurpaket „Plus“ bescherte uns nicht nur eine adaptive Fahrwerksregelung, eine Progressivlenkung sowie geräuschdämmende Seiten- und Heckenscheiben, sondern obendrein ein riesiges Panorama-Glasdach, das an sonnigen Tage per Slider oder Sprachbefehl seine Transparenz verliert. Nur öffnen lässt es sich leider nicht. Aber dieses Manko haben wir schnell verschmerzt.
Fahrkomfort wie in der Luxusklasse
Fürs Wohlbefinden der Insassen vorne sorgte an heißen Sommertagen darüber hinaus eine feinventilierende Klimaanlage, an der auch der bekanntermaßen zugempfindliche frühere Konzernchef Ferdinand Piech sicher seine Freude gehabt hätte. Ebenso vom feinsten: die „ergoActive“ genannten, mit Microvlies bespannten Sportsitze mit Heiz-, Kühl- und Massagefunktion. Dergleichen fand sich früher nur in Fahrzeugen der absoluten Luxusklasse. Warum Volkswagen einem solchen Fahrzeug der Premiumklasse einen separaten Schalter zum Öffnen der hinteren Seitenfenster veweigert, bleibt allerdings ein Rätsel, das wohl nur die Finanzer in Wolfsburg auflösen können.
Ansonsten haben wir im Alltag mit dem ID.7 allerdings nichts vermisst – die Slider zur Steuerung von Radio-Lautstärke und Innentemperatur sind inzwischen hinterleuchtet. Und die Türverkleidungen sowie die Oberflächen des Cockpits sind fein gesteppt und leicht hinterschäumt – an Hartplastik klopft man erst unterhalb des Kniebereichs. Die Kofferraum-Abdeckung ist noch etwas labberig, für das Ladekabel gibt es immer noch keinen Frunk unter der Fronthaube – geschenkt.
Software-Version 4.0 ohne Makel
Dafür ist das Head-up-Display, das den Weg in unbekannten Regionen mit auf die Fahrbahn projizierten Pfeilen weist, einfach nur brilliant. Ebenso wie die im Exterieurpaket „Plus“ enthaltenden LED-Matrix-Scheinwerfer mit automatischer Fahrlichtschaltung und Ausblendung anderer Verkehrsteilnehmer in der Nacht. Die durchgehenden Lichtleisten vorne wie hinten (wo sogar das Markenzeichen inzwischen rot glüht) dienen hingegen allein Marketingzwecken. Darauf ließe sich leicht verzichten. Ebenso wie die Möglichkeit, den Innenraum mit bis zu 30 Farben zu illuminieren. Immerhin gingen die Einstellungen flott von der Hand und das Infotainment-System leistete sich während des zweiwöchigen Aufenthalts bei uns keinerlei Aussetzer: Die Bugs in der ID-OS-Software scheinen in der Version 4.0 endgültig beseitigt zu sein.
Vor allem lässt sich nun – ganz neu für Elektroautos von VW – der Akku vorkonditionieren, um die Ladepause zu verkürzen. Der Bordcomputer zeigt dazu an, wie viel Strom aktuell aufgenommen werden kann und überlässt es dem Fahrer, per Tastenbefehl den Stromspeicher herunterzukühlen oder vorzuwärmen, um die Ladeleistung zu verbessern. Und das klappt gut – wenn man den Ladebedarf frühzeitig ankündigt oder dem Navigationssystem neben der Wegweisung auch vertrauensvoll die Ladeplanung überlässt.
210 kW Antriebs-Power reichen völlig
Gleichstrom fließt dann am Schnelllader offiziell mit bis zu 175 kW. Angezeigt wurden während unseres Tests vereinzelt auch Werte über 180 kW – möglicherweise hatte die Schnellladesäule die Ladeverluste da schon eingerechnet. Wie auch immer: Spätestens nach einer halben Stunde war der bis auf 10 Prozent seiner Kapazität entleerte 77 kWh-Akku wieder zu 80 Prozent gefüllt – und das Auto bereit für die nächste Etappe von gut 350 Kilometern auf der Autobahn.
In der Version Pro verfügt der ID.7 über einen Heckantrieb mit 210 kW oder 286 PS Spitzenleistung, der Pro S kommt mit einem um neun Kilowattstunden größeren Akku daher – gegen einen Aufpreis von knapp 5000 Euro gegenüber dem 53.995 Euro teuren Basismodell. Noch darüber rangiert seit kurzem der ID.7 GTX, der wie der Pro S einen 86 kWh-Akku verbaut hat, aber mit einer Spitzenleistung von 250 kW oder 340 PS aufwartet. Ob das einen Aufpreis von nochmals 4170 Euro rechtfertigt bzw. lohnt, muss jeder selbst entscheiden.
Testwagen für über 70.000 Euro
Uns würde im Alltagsverkehr der ID.7 in der Pro-Ausführung völlig ausreichen, zumal dieser sicherlich sparsamer fährt als die aufgrund von Akkuzellen und Zusatzmotor schwereren Schwestervarianten: Wir kamen im Schnitt auf einen Verbrauch von 18,1 kWh/100 km. Das waren nur wenig (genau gesagt: 11,1 Prozent) mehr als der amtliche Durchschnittsverbrauch nach der WLTP-Norm. Und der Stromverbrauch wäre sicher noch niedriger ausgefallen, hätte das niedrige Geräuschniveau und die satte Lage des Wagens auf der Fahrbahn uns dann und wann nicht verführt, auf der Autobahn ab und an die Höchstgeschwindigkeit von 180 km/h anzutesten.
Auch unserem Bürgermeister würden wir zu dem VW ID.7 Pro raten. Und sollte in der Stadtkasse noch etwas mehr Geld als nur für die Zahlung des Basispreises vorhanden sein – die Liste der aufpreispflichtigen Extras gibt beim ID.7 noch einiges her: Für unseren Testwagen wären 70.230 Euro zu veranschlagen gewesen. Falls die Opposition aufschreiben sollte: Beim vergleichbar starken Mercedes EQE 350+ (ab 71.411 Euro) fängt der Ausstattungs-Spaß da erst an.
Ein umweltbewusster Bürgermeister sollte die öffentlichen Verkehrsmittel seiner Stadt benutzen, dann bekommt er auch gleich einen Eindruck was noch verbessert werden muß.
Ken Livingstone, der Bürgermeister von der Weltmetropole London, tat das täglich, ich wohnte in der Zeit auch in London und hab ihn mehrmals auf der Jubilee Line gesehen, ganz allein ohne Leibwächter oder so, meistens las er irgendwelche Drucksachen oder die Zeitung.
Ein ID7 ist eher was für abgehobene Politikbonzen die sich für was besseres halten als der gemeine Pöbel.
In Weltmetropolen wie London, vielleicht auch in Hamburg, Berlin oder Frankfurt, mag das noch funktionieren. Aber in ländlichen Regionen wie dem Rhein-Sieg-Kreis (und davon gibt es noch eine Menge mehr) ist das nicht praktikabel.