Was viele außerhalb von Nordrhein-Westfalen nicht wissen: Auch das dicht besiedelte und industriell geprägte Bundesland besitzt einen Nationalpark. Am Nordrand der Eifel, rund 50 Kilometer südöstlich von Aachen finden auf rund 110 Quadratkilometern Schwarzstorch und Wildkatze genauso Schutz wie der sehr seltene Blauschillernde Feuerfalter oder die Sumpfspitzmaus.

Als Anfang März unsere Renault Zoe im Nationalpark auf den Parkplatz des Besucherzentrums Vogelsang rollt, zeigt das Display noch mutige 30 Kilometer Restreichweite an. Sonderlich dicht ist das Netz an Lademöglichkeiten hier in der Gegend nicht. Es darf also nichts mehr schief gehen. Nach ein wenig Suchen taucht aber die Säule des lokalen Energieversorgers E-Regio auf. Sie ist frei und funktionsfähig. Dank tadelloser Mobilfunk-Abdeckung mit LTE – was im Funkloch Deutschland leider immer noch keine Selbstverständlichkeit ist – lässt sich der Ladevorgang nach dem Scannen eines QR-Codes und Eingabe der Kreditkarte-Daten starten.

Nach der Stippvisite im Besucherzentrum – einer ehemaligen Ordensburg der Nazis und späterer Kaserne des belgischen Militärs – geht es auf Wandertour: rund um die Urftalsperre und über die Dreiborner Hochfläche zurück zum Parkplatz und der Zoe. Deren Akku ist längst wieder prall gefüllt, auch wenn sie immerhin 49 Kilowattstunden geladen hat, bei einer Gesamtkapazität des Akkus von 52 kWh. Für rund 25 Euro, wie später aus der per E-Mail geschickten Rechnung hervorgeht.

Ein Jaguar i-Pace hätte in derselben Zeit gerade einmal ein Drittel der Energie gezapft. Sein Bordlader saugt mit nur sieben Kilowatt Wechselstrom (AC), der in der Zoe dagegen mit 22 kW. Das hohe Ladetempo ist in der deutschen Provinz ein großer Vorteil. „Die Bundesrepublik ist nach wie vor ein AC-Land“, sagt Ludwig Hohenlohe, Geschäftsführer von Theon Data. Gemeinsam mit den Kollegen von Cirrantic haben die beiden Münchner Elektromobilitäts-Start-ups ein Charging Radar entwickelt, um die Entwicklung der öffentlichen Ladeinfrastruktur in Europa nachzuzeichnen.

Demnach zählen die Partner derzeit in Deutschland insgesamt 36.786 Ladepunkte, an 30.237 von ihnen gibt es nur Wechselstrom – das sind gut vier Fünftel der Energiespender. Die übrigen Säulen bieten auch Gleichstrom (DC). Hier erreicht die Zoe des Modelljahrgangs 2020 eine Ladeleistung von 50 kW, der Jaguar kommt sogar auf einen doppelt so hohen Wert. Das höchste Tempo von 100 kW und mehr bieten derzeit High Power Charger, „die in den vergangenen Monaten vor allem entlang der Autobahnen ans Netz gingen“, so Hohenlohe, „was zukünftig das Reisen mit Elektroautos auch auf längeren Strecken bequem ermöglicht.“

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Wenige Elektroautos mit schnellem AC-Lader

Unter den zehn beliebtesten Elektroautos des vergangenen Jahres können nur die Renault Zoe und der Audi E-Tron mit 22 Kilowatt Wechselstrom laden. Quelle: Statista, Mobility House

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Wechselstrom dominiert

Verteilung der Ladestandorte, an denen es nur Wechselstrom gibt (links) und an denen es Gleichstrom (rechts) gibt. Manche ältere AC-Ladern leisten noch weniger als 22 Kilowatt, doch das ist die Ausnahme. Quelle: Charging Radar, Theon / Cirrantic

Jenseits der Autobahnen sieht das Bild aber anders aus. In der Eifel gibt es beispielsweise durchaus in kleineren Orten wie etwa Schleiden Ladesäulen, auf dessen Gemeindegebiet das Nationalpark-Zentrum liegt. Sie befinden sich gerne vor dem Rathaus und werden daher halb spöttisch in der Szene Bürgermeister-Säulen genannt. Wer vor allem jenseits der Schnellstraßen und Metropolen unterwegs ist, freut sich nichtsdestotrotz über sie. Auch wenn sie maximal Wechselstrom mit 22 kW Leistung anbieten.

Der Charme des AC-Ladens

Zur Sicherheit mit Karte

Einen wertvollen Tipp für das übers Land stromern hat übrigens Petra Gottwald, die beruflich und privat im Jahr 30.000 Kilometer mit ihrem E-Auto zurücklegt: Sie hat immer eine klassische Ladekarte mit RFID-Chip dabei.

Eigentlich ist die Technik überholt, denn an modernen Säulen kann der Kunde das Laden über sein Smartphone starten. Entweder durch das Scannen eines QR-Codes oder über die App des Ladedienstleister seines Vertrauens.

Soweit die Theorie.

In der Praxis gibt es immer noch ältere Säulen, die auf einer Ladekarte beharren. Das ist besonders ärgerlich ist, wenn es sich um die einzige Stromzapfe weit und breit handelt.

Oder die Mobilfunk-Verbindung ist so schlecht, dass sich die Ladesäule nicht übers Web dazu bewegen lässt, die Elektronenschleusen zu öffnen. Das ist uns sogar schon auf einem Autobahnrastplatz passiert. Da arbeitet eine Ladekarte oder ein Schlüsselanhänger (wie ihn etwa Plugsurfing anbietet) in der Regel reibungsloser.

Also sollten Städter wie Dörfler bei der Wahl eines Elektroautos eben auch auf die AC-Ladeleistung achten. Unter den zehn beliebtesten Modellen des vergangenen Jahres (siehe Grafik oben) schafften nur die Zoe sowie der Audi e-Tron und Smart (jeweils gegen Aufpreis) 22 kW. Der BMW i3 und das Tesla Model 3 kommen noch auf 11 kW. Bei allen anderen ist es – teilweise deutlich – weniger.

Während also – theoretisch – eine Zoe oder ein e-Tron in einer Stunde 22 kWh laden, benötigt der i3 dafür zwei Stunden und ein Smart Fortwo sogar 4,8 Stunden. In der Praxis hängen diese Werte allerdings von den Außentemperaturen und auch vom Füllstand des Akkus ab.

Von einem hohen Ladetempo profitiert natürlich nicht nur der Wanderer auf Wochenendtour oder der Außendienstler mit eiligen Geschäften, sondern auch derjenige, der regelmäßig am Supermarkt oder Einkaufszentrum – oft sogar kostenlos – Strom zapft. Was durchaus viele Elektromobilisten tun.

So zählen etwa die zehn AC-Anschlüsse im Regensburger Donau-Einkaufszentrum oder die sechs im Kieler CITTI Park laut Charging Radar zu den beliebtesten Ladestandorten in ganz Deutschland. Aber niemand kauft im Aldi oder bei Kaufland stundenlang ein. Das Stromkabel hier einzustöpseln lohnt also nur, wenn das E-Auto auch in einer halben Stunde einen guten Hieb Energie in den Akku schaufelt.

Und noch etwas spricht für das Wechselstrom-Laden: Es ist pro Kilowattstunde meist günstiger als das Zapfen von Gleichstrom. So verlangt etwa der baden-württembergische Energieversorger EnBW pro kWh AC 39 Cent, pro kWh DC 49 Cent.

Es kommt aufs Fahrprofil an

Zugegeben: Ladeleistung ist nicht alles. Wenn ein Elektromobilist die im Schnitt in Deutschland üblichen gut 40 Kilometer pro Tag zurücklegt, wenn er Zuhause auf dem eigenen Grundstück laden kann oder beim Arbeitgeber, dann spielt Zeit beim Stromeinholen keine Rolle. Abends – selbst an der Haushaltssteckdose – angestöpselt, ist der Akku morgens wieder voll.

Und da es eine Renault Zoe selbst bei winterlichen Temperaturen und nicht sehr vorsichtiger Fahrweise um die 280 Kilometer weit schafft und im Sommer sicherlich noch weiter, könnte der Durchschnittsbesitzer fast mit einmal Vollladen pro Woche auskommen. Laut Norm schafft die Französin schließlich 395 Kilometer.

Auf jeden Fall ist die Reichweite groß genug, um es selbst im eher spärlich mit Ladesäulen gesegnetem Sachsen-Anhalt oder Brandenburg immer noch rechtzeitig bis zum nächsten Stecker zu schaffen.

Reife Dame unter Strom

Und wie fährt sich die neue Zoe des Jahrgangs 2020 so? Ziemlich ausgereift. Schließlich gibt ist sie ja bereits seit sieben Jahren auf dem Markt. Der Motor leistet für ein Fahrzeug dieser Größe üppige 100 kW. Ob die Außengriffe für die hinteren Türen wirklich praktisch sind, darüber lässt sich streiten. Denn der Passagier kommt nicht aus jedem Winkel gut an sie heran. Aber Designer lieben solche Lösungen, weil sie den Türgriff optisch verschwinden lassen.

Innen haben die Menschen vorne reichlich Platz. Sie müssen allenfalls Kompromisse machen, wenn die Insassen hinten auf etwas Beinfreiheit bestehen. In der Mitte des Armaturenbrettes prangt nun bei den teureren Versionen ein 9,3 Zoll großer Bildschirm, was ungefähr iPad-Größe entspricht.

Ganz ausgereift wirkt das Bedienkonzept für den Renault-Neuling nicht. Die Zieleingabe für das Navi ist beispielsweise etwas in den Menüs vergraben. Mithilfe der Tasten auf dem Lenkrad kann sich der Fahrer über den gewählten Radiosender im Glascockpit zwischen Tacho und Akku-Anzeige informieren lassen. Will er die Station aber wechseln, muss er den Bediensatelliten unterhalb des Lenkrads ertasten. Dort regelt er auch die Lautstärke.

Hat sich die Zoe erst einmal ihren Besitzer erzogen, wird der sich wahrscheinlich schnell an ihre Eigenheiten im Alltag gewöhnt haben. Ungewohnt ist – zumindest wer vom Verbrenner umsteigt – das Ein-Pedal-Fahren. Per Ganghebel zwischen den Sitzen aktiviert, rekuperiert die Zoe deutlich stärker. Der Elektromotor gewinnt dann immer verstärkt Energie zurück, wenn der Fahrer den Druck aufs Gaspedal verringert – sprich die E-Maschine verzögert das Auto. Nach einiger Zeit getätigt der Mensch hinter dem Lenkrad kaum noch das Bremspedal, sondern regelt das Tempo fast ausschließlich mit dem Gaspedal.

Das klappt allerdings nicht, wenn der Akku randvoll ist. Als es von den Höhen der Eifel vom Nationalpark aus zurück in die Ebenen des Rheinlandes geht, muss ich auf den langen Gefällestrecken wieder ganz klassisch bremsen. Denn der Elektromotor schafft es hier nicht, noch weitere Elektronen in die Batterie zu pressen. Voll ist voll.

Wie wichtig ist Ihnen schnelles AC-Laden? Welche Erfahrungen haben Sie als Elektromobilist auf dem Land gemacht? Diskutieren Sie doch unten in den Kommentaren mit.

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6 Kommentare

  1. Grax

    Ich habe seit 7 Monaten eine ZOE mit 41kWh-Akku, 17.000 km gefahren und ausschließlich zuhause geladene 2949 kWh verbraucht.
    Also 17,4 kWh/100km im „Winter“ mit großen Anteilen bei Tempo 120-130 km/h (kein „Stadtauto“).
    Diskussionen über Ladezeit und Reichweite sind aus meiner Sicht Relikte aus der Anfangszeit der E-Mobilität, beim mit der ZOE erreichten Entwicklungsstand für mich nicht nachvollziehbar.
    Ich werde ja nicht mit der ZOE zum Familien-Sommerurlaub in den Süden fahren, das habe ich mit dem Clio ja auch nicht gemacht.

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  2. Dirk Henningsen

    Schnelles AC-Laden ist je nach Fahrprofil extrem wichtig.

    Ich nutze es z.B. häufig während eines Geschäftstermins, der meist 2 – 6 Stunden dauert und spare so viel Ladezeit auf der Langstrecke.

    Wie man auf meinem YouTube-Kanal http://www.youtube.com/c/EAutoVlogDirkHenningsen in meinem Video vom Audi e-tron Langstreckentest sehen kann, sind 11kW Ladeleistung selbst bei einem Geschäftstermin von 6 Stunden nicht ausreichend, um die Batterie vollständig zu laden, somit wären 22kW für mich hier Pflicht.

    Was beim Ladeleistungsvergleich noch sehr wichtig ist, ist der Verbrauch. Oder anders herum die zusätzliche Reichweite die ich mit der angegebenen Ladeleistung in einer Stunde erhalte.

    Das Tesla Model 3 hat z.B. „nur“ 11kW AC-Ladeleistung und der e-tron 22kW, trotzdem bekommt das Model 3 teilweise die gleiche zusätzliche Reichweite in der selben Zeit in die Batterie wie der e-tron, weil dieser je nach Fahrprofil doppelt so viel oder sogar mehr verbraucht.

    Viele Grüße

    Dirk vom E-Auto-Vlog

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  3. Jürgen Instenberg

    Dies war der Grund weshalb ich die Zoe vor 4 Jahren gekauft habe. Denn die nächste DC Ladesäule war damals 50km entfernt. Nach 100.000km Stelle ich fest die paarmal die DC laden von Vorteil gewesen wäre habe ich sehr entspannt überstanden.

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  4. Sneg

    Das ist mal ein schöner Artikel – realistisch und hilfreich. Der Smart wird aber zu schlecht dargestellt. Zugegeben, er ist klein und teuer, aber 22kW-AC-Laden kann er auch. Das kann mein Smart schon, obwohl er von 2013 ist.

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    • Lothar Kuhn

      Sie haben recht, mir ist entgangen, dass es einen 22 kW-Lader beim Smart gegen Aufpreis gibt. Ändere es im Beitrag.

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      • Duesendaniel

        Wir haben noch eine Zoe der ersten Generation und die kann AC sogar noch mit 43KW laden. Vor sieben Jahren als reinen Zweitwagen angeschafft, mache ich jetzt nach dem Verkauf meines Amperas erste Erfahrungen damit auch auf längeren Strecken und ich bin wirklich begeistert. Erstens gibt es entlang der Autobahnen erstaunlich viele 43KW-AC-Säulen die zweitens auch noch günstiger sind als DC-Laden. Mit meiner ADAC/EnBW-Karte zahle ich 0,29€/KWh, habe in der Regel nach 20 Minuten meine 80% und kann weiter fahren. Die neue Zoe ZE50 schafft auch (DC gegen Aufpreis) gerade mal 7KW mehr, da kann ich mir mit dem Kauf bis zur nächsten Generation auch ruhig noch etwas Zeit lassen.

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