Vor wenigen Wochen zeigte der Bordcomputer des Elektroautos noch eine Reihweite von rund 400 Kilometern an – nun trägt der Energiegehalt des Akkus den Stromer plötzlich nur noch 350 Kilometer weit: Mit den sinkenden Temperaturen steigt bei manchen Fahrern von Elektroautos die Reichweitenangst wieder. Doch was sind die genauen Ursachen für die reduzierte Reichweite im Winter – und welche technischen Entwicklungen könnten in Zukunft Abhilfe schaffen?

Zunächst einmal ist festzuhalten, dass die Akkukapazität eines Elektroautos im Winter dieselbe bleibt wie im Sommer. Allerdings arbeitet ein kalter Akku ineffizienter. Der Grund dafür liegt im chemischen Aufbau der Batterie: Bei Lithium-Ionen-Akkus, die in den meisten Elektroautos verbaut sind, bewegen sich Lithium-Ionen zwischen der Anode und der Kathode durch ein Elektrolyt. Diese Bewegung ist entscheidend für die Energieabgabe. Doch bei niedrigen Temperaturen wird das Elektrolyt zähflüssiger, wodurch die Ionen weniger leicht wandern können. Das führt dazu, dass der Innenwiderstand der Batterie steigt.

Vorgeheizt
Den Luxus, im Winter in ein warmes Auto zu steigen, bieten Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor nur, wenn sie über eine kostspielige Standheizung verfügen. Bei Stromern kann die serienmäßige elektrische Heizung jederzeit im Stand aktiviert werden – im Idealfall sogar vom Frühstückstisch aus per Smartphone. Foto: Kia
Vorgeheizt
Den Luxus, im Winter in ein warmes Auto zu steigen, bieten Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor nur, wenn sie über eine kostspielige Standheizung verfügen. Bei Stromern kann die serienmäßige elektrische Heizung jederzeit im Stand aktiviert werden – im Idealfall sogar vom Frühstückstisch aus per Smartphone. Foto: Kia

Ein höherer Innenwiderstand wiederum bedeutet, dass beim Entladen der Batterie mehr Energie in Form von Wärme verloren geht, anstatt in elektrische Energie umgewandelt zu werden. Diese Abwärme erklärt, warum ein kalter Akku weniger effizient arbeitet und weniger Reichweite liefert. Je niedriger die Temperatur und je größer der Akku des Elektroautos, desto mehr Energie muss in Wärme umgewandelt werden. Nach Messungen des ADAC können darüber die Stromverbräuche von Elektroautos zwischen 38 und 107 Prozent steigen.

Batteriezellen lieben es warm

Um dem entgegenzuwirken, sind viele Elektroautos mit einer Batterieheizung ausgestattet. Sie sorgt dafür, dass die Batterie während der Fahrt auf eine optimale Betriebstemperatur gebracht wird. Diese liegt bei Lithium-Ionen-Akkus wie beim Menschen um die 20 Grad Celsius. Das Aufheizen des Akkus verbessert die Effizienz des Stromspeichers, benötigt aber leider zusätzliche Energie – ein weiterer Faktor, der die Reichweite eines Elektroautos im Winter reduziert.

Laden mit Nebenwirkung
Im Winter müssen Elektroautos häufiger Strom an der Ladesäule zapfen. Während des Ladevorgangs sollte die Klimaanlage aktiviert werden, damit der Innenraum nicht zu stark abkühlt. Den Strom dafür liefert die Ladesäule gleich mit. Foto: Rother
Laden mit Nebenwirkung
Im Winter müssen Elektroautos häufiger Strom an der Ladesäule zapfen. Während des Ladevorgangs sollte die Klimaanlage aktiviert werden, damit der Innenraum nicht zu stark abkühlt. Den Strom dafür liefert die Ladesäule gleich mit. Foto: Rother

Interessanterweise fällt der Effekt besonders beim Start des Fahrzeugs ins Gewicht. Deshalb sollte man das Elektroautos im Winter vorheizen, solange es noch mit einer Ladestation verbunden ist. Sobald der Akku durch die Nutzung aufgewärmt ist – etwa auf Langstreckenfahrten oder durch Schnellladungen – verbessert sich die Leistung wieder deutlich. Dies zeigt, wie wichtig ein effizientes Batterie-Management-System ist, um die Auswirkungen von Kälte auf die Reichweite eines Elektroautos zu minimieren.

Zusätzlicher Energiebedarf für Heizung und Komfort

Ein weiterer bedeutender Faktor ist der erhöhte Energiebedarf für die Beheizung des Innenraums und des Akkus. Im Gegensatz zu Verbrennungsmotoren erzeugen Elektromotoren aufgrund ihres hohen Wirkungsgrads kaum Abwärme, die zum Heizen des Innenraums genutzt werden könnte. Daher muss die benötigte Wärmeenergie direkt aus der Batterie entnommen werden. Besonders auf Kurzstrecken kann dies den Energieverbrauch eines Elektroautos erheblich steigern. Helfen können hier – sofern vorhanden – Sitz- und Lenkradheizung: Gewärmt werden dann nur die Körperpartien, die für das Wohlbefinden des Fahrers wichtig sind. Und dafür braucht es deutlich weniger Energie.

Womit wir auch bei einem Vorteil sind, den Elektroautos im Winter gegenüber Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor haben: Sie verfügen serienmäßig über eine Standheizung, die per Smartphone-App oder Programmierung des Bordcomputers vor Fahrtbeginn aktiviert werden kann. Idealerweise, solange das Auto über die Wallbox in der heimischen Garage noch am Stromnetz hängt. So bleibt der Akku geschont, und der Innenraum ist bei Fahrtbeginn bereits vorgewärmt, ohne dass dies die Reichweite beeinträchtigt.

Gezielt heizen
Viel Antriebsenergie spart der Fahrer eines Elektroautos, wenn er im Winter nicht den kompletten Innenraum, sondern nur Sitz und Lenkrad heizt. Zusätzlich lässt sich in aller Regel auch die Klimaanlage in einem Eco-Modus betreiben. Foto: Rother
Gezielt heizen
Viel Antriebsenergie spart der Fahrer eines Elektroautos, wenn er im Winter nicht den kompletten Innenraum, sondern nur Sitz und Lenkrad heizt. Zusätzlich lässt sich in aller Regel auch die Klimaanlage in einem Eco-Modus betreiben. Foto: Rother

Wärmepumpensysteme in Elektroautos verbessern unterwegs zusätzlich die Effizienz der Heizung. Hochwertige Systeme kommen auf einen Leistungskoeffizienten (Coefficient of Performance, COP) von 1,5 bis 4. Das bedeutet, dass sich je nach Bedingungen mit einem Kilowatt elektrischer Leistung bis zu vier Kilowatt Heizleistung erzeugen lässt. Das spart Energie und erhöht die Reichweite des Elektroautos im Winter um bis zu 20 Prozent. Leider nur sind Wärmepumpen in vielen Elektroautos noch nicht verbaut oder nur gegen Aufpreise um die 1000 Euro erhältlich.

Erhöhter Luftwiderstand bei kalten Temperaturen

Gegen ein Phänomen sind Elektroautos aber ebenso machtlos wie Verbrenner: Den höheren Luftwiderstand bei kälteren Temperaturen. Dieser ist auf die physikalischen Eigenschaften der Luft zurückzuführen. Kalte Luft ist dichter als warme Luft, was bedeutet, dass die Moleküle enger zusammenliegen. Diese höhere Dichte führt zu einem größeren Widerstand, den jedes Fahrzeug erst einmal überwinden muss.

Bei einer Geschwindigkeit von 100 km/h muss das Fahrzeug also mehr Energie einsetzen, um das Tempo zu halten. Dies treibt beim Verbrenner den Spritverbrauch in die Höhe, beim Elektroauto den Stromverbrauch – was wiederum die Reichweite des Fahrzeugs verringert.

Aktuelle Forschung und zukünftige Entwicklungen

Die Forschung arbeitet intensiv an Lösungen, um die Reichweiteneinbußen bei niedrigen Temperaturen zu minimieren. Ein vielversprechender Ansatz sind Festkörperbatterien, die eine höhere Energiedichte und bessere Temperaturbeständigkeit bieten. Beispielsweise plant Toyota, bis 2027 oder 2028 Festkörperbatterien in Serie zu produzieren, die Reichweiten von bis zu 1.200 km ermöglichen und sich in zehn Minuten laden lassen. Wie es um die Ladefähigkeit des neuen Batterietyps bei niedrigen Temperaturen bestellt ist, muss allerdings noch geklärt werden.

Zudem wurden Mechanismen identifiziert, die die Ladekapazität von Lithium-Ionen-Batterien reduzieren. Forscher entdeckten, dass Wasserstoff-Ionen die Bindeplätze für Lithium-Ionen blockieren, was die Leistung der Batterie beeinträchtigt. Diese Erkenntnis könnte zu technologischen Fortschritten führen, welche die Reichweite von Elektroautos in Zukunft noch erhöhen könnten. Nicht nur, aber auch in der kalten Jahreszeit.

Schneller laden 
Der Akku eines Elektroautos fühlt sich - wie der Mensch - bei Temperaturen um die 20 Grad besonders wohl. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt können sich dann Ladevorgänge deutlich länger hinziehen. Dagegen hilft die Vorkonditionierung des Akkus schon während der Fahrt. Bei den meisten Elektroautos ist dies über den Ladeplaner möglich - bei manchen auch per Knopfdruck. Foto: Kia
Schneller laden
Der Akku eines Elektroautos fühlt sich – wie der Mensch – bei Temperaturen um die 20 Grad besonders wohl. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt können sich dann Ladevorgänge deutlich länger hinziehen. Dagegen hilft die Vorkonditionierung des Akkus schon während der Fahrt. Bei den meisten Elektroautos ist dies über den Ladeplaner möglich – bei manchen auch per Knopfdruck. Foto: Kia

Fünf Tipps für mehr E-Reichweite im Winter

1. Vor dem Start vorheizen

Nutzen Sie, wenn möglich, die Standheizung Ihres Elektroautos, während es noch am Stromnetz hängt. So bleibt der Akku geschont. Und der Innenraum ist bereits warm, ohne dass dafür Energie aus der Batterie aufgewendet werden muss.

2. Reichweite durch Wärmepumpe optimal nutzen

Falls Ihr Fahrzeug über eine Wärmepumpe verfügt, aktivieren Sie diese. Sie arbeitet deutlich effizienter als herkömmliche Heizsysteme und reduziert den Energieverbrauch für die Innenraumbeheizung spürbar.

3. Eco-Modus einschalten

Viele Elektroautos bieten einen Eco-Modus, der den Energieverbrauch des Fahrzeugs senkt, indem die Leistung des Motors und die Energiezufuhr für Heizung oder Klimaanlage optimiert werden.

4. Reifendruck regelmäßig prüfen

Ein zu niedriger Reifendruck erhöht prinzipiell immer den Rollwiderstand und damit den Energieverbrauch. Im Winter kommt hinzu, dass niedrige Außentemperaturen den Reifendruck automatisch minimieren: um 0,07 und 0,14 bar oder 1 bis 2 Pfund pro Quadratzoll (PSI) bei einem Temperatursturz um zehn Grad Celsius. Eine regelmäßige Kontrolle des Reifendrucks ist also im Winter besonders wichtig.

5. Vorausschauend fahren

Vermeiden Sie abrupte Beschleunigungen und Bremsmanöver. Eine gleichmäßige Fahrweise reduziert den Energieverbrauch des Elektroautos und schont zusätzlich dessen Batterie. Auch empfiehlt es sich, eine möglichst geringe Rekuperation (Bremsenergie-Rückgewinnung) einzustellen -E-Fahrzeuge mit Heckantrieb neigen auf glatten Fahrbahnen dazu, übers Heck auszubrechen.

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