Ein Autohersteller meint, allein mit Videosystemen den Autopiloten für den Straßenverkehr realisieren zu können. Die meisten anderen Hersteller hingegen trauen der Sache nicht, setzen beim autonomen Fahrer auf Stufe 3 und höher auf eine Vielzahl von Sensoren. Außer mit hochauflösenden Kameras wird die nähere und fernere Umgebung des Fahrzeugs mit Radar- und Laserstrahlen sowie mit Ultraschall abgetastet – auf dass möglichst kein Hinternis, kein Auto oder Lebewesen auf und neben der Fahrbahn übersehen wird. Selbst dann nicht, wenn das Auto mit höheren Geschwindigkeiten unterwegs ist oder sich Nebel auf die Landschaft gelegt hat.

Die Vielzahl der Systeme kostet nicht nur Geld, sondern fordert auch die Designer und Ingenieure heraus: Wohin mit der ganzen Sensortechnik? Das Elektroauto NIO ET7 beispielsweise – freigegeben derzeit nur für das teilautomatisierte Fahren auf Level 2 – verfügt über 33 leistungsstarke Sensoreinheiten: elf Kameras, zwölf Ultraschallsensoren, fünf 5-Millimeterwellen-Radare sowie ein hochauflösendes Lidar-System. Beim Drive-Pilot-System von Mercedes – das einen Mercedes EQS bereits zum Fahren auf Lebel 3 befähigt – sind ebenfalls über 30 Sensoren verbaut, unter anderem auch eines zur Feststellung der Fahrbahnnässe.

15 Sensorsysteme unter einer Plastikhaube

„Der technologische Fortschritt im Bereich des autonomen Fahrens ist beeindruckend – bisher waren die Lösungen aber optisch einfach nicht ansprechend”, findet Jan Henning Mehlfeldt, der beim Autozulieferer Webasto für das globale Dachgeschäft verantwortlich ist. „Mit unserer jahrzehntelangen Kompetenz haben wir ein schlankes Dachsystem entwickelt, das Raum für verschiedene Technologien bietet und sich dennoch ästhetisch in die Fahrzeugarchitektur einfügt.“

Das Ergebnis zeigt Webasto in Kürze auf der IAA Mobility in München: den Prototypen eines „Sensor-Dachmoduls“ („Roof Sensor Mudule“). Mit Panoramadächern kennt sich der Weltmarktführer für Dachsysteme aus Oberbayern aus. Mit der Unterstützung von Partnersystemen kriegen diese nun eine Zusatzfunktion. Denn als höchster Punkt auf dem Auto bietet das Dach ideale Voraussetzung zur Positionierung der Sensorik.

Dachwarzen
NIO rüstet seine Elektroautos mit einer Vielzahl von Sensoren für das automatiserte Fahren aus. Ein Teil davon sitzt im Dach des Autos und ragt aus der Fläche heraus. Foto: NIO
Dachwarzen
NIO rüstet seine Elektroautos mit einer Vielzahl von Sensoren für das automatiserte Fahren aus. Ein Teil davon sitzt im Dach des Autos und ragt aus der Fläche heraus. Foto: NIO

Insgesamt 15 Kamera- und Lidar-Sensoren sind in das Dachsystem integriert. Fünf Lidar-Sensoren messen zusammen mit Stereo-Kameras die Entfernung und Geschwindigkeit bewegter Objekte wie Autos, Lkws oder Radfahrer. Zehn Kameras erkennen Objekte und Farben – damit der Bordcomputer beispielsweise Straßenschilder und Ampelstände identifizieren und diese Informationen Fahrbefehlen zuordnen zu können. Zu jeder Tages- und Nachzeit, unter allen Witterungsbedingungen. Dazu wurde das gesamte Sensorset samt Antennen unter eine Abdeckung aus Polycarbonat gepackt – aber auch, um das Technikpaket optisch und aerodynamisch besser ins Fahrzeug integrieren zu können.

Erste Anwendung beim Lotus Eletre

Ein Thermomangement sorgt dafür, dass sich Optik und Sensorik immer im technischen Wohlfühlbereich befindet, ein Reinigungssystem spült die Haube gegebenfalls mit Wasser ab. Eis wird im Winter durch leichte Erwärmung der Oberfläche weggetaut. Und wenn der Fahrer seine Hände längere Zeit vom Lenkrad nimmt, gehen auf dem Dach die Lichter an.

Mit smartem Solardach von Webasto 
Das neue Elektroauto Eletre von Lotus kann gegen Aufpreis nicht nur mit einem smarten Solardach, sondern auch mit einem "Autobahn-Assistent-Paket" aufgerüstet werden, um mit Hilfe von LiDAR, Millimeterwellenradar und hochauflösende Kameras die Umgebung des Eletre in Echtzeit zu analysieren. Foto: Lotus
Mit smartem Solardach von Webasto
Das neue Elektroauto Eletre von Lotus kann gegen Aufpreis nicht nur mit einem smarten Solardach, sondern auch mit einem „Autobahn-Assistent-Paket“ aufgerüstet werden, um mit Hilfe von LiDAR, Millimeterwellenradar und hochauflösende Kameras die Umgebung des Eletre in Echtzeit zu analysieren. Foto: Lotus

Entwickelt hat Webasto das Dachmodul mit einer Reihe von Spezialisten aus anderen Unternehmen. Die Lidar-Technik kommt von Luminar, Hesai und Innoviz, die Kameras kommen von Bosch. Das Reinigungssystemen hat dlhBowles entwickelt, die Techniken zum De-icing und De-fogging stammen von Canatu und beim Thermomanagement arbeiten die Stockdorfer mit Delta Electronics zusammen.

Beim neuen Lotus Eletre kommt bereits ein (vereinfachtes) mit Sensoren gespicktes Dachmodul von Webasto zum Einsatz. Von der IAA Mobility erhoffen sich Mehlfeld und seine Kollegen nun neue Aufträge aus der Autoindustrie.


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