Die Klimabilanz der Elektromobilität ist abhängig von der Qualität des geladenen Stroms. In einem Pilotprojekt wollen die Partner Lichtblick, Decarbon1ze und Granular Energy nun transparent machen, aus welcher Erneuerbaren-Anlage der geladene Strom kommt. Außerdem stellen sie Herkunftsnachweise für die Qualität des Ladestroms für Elektroautos auf Viertelstundenbasis aus. Corine Veithen, Senior Manager Projects & Campaigns bei Lichtblick, erklärt, was es mit dem Projekt auf sich hat.
Frau Veithen, das Projekt soll die Stromherkunft an Ladesäulen nachvollziehbar machen. Wie wollen Sie das umsetzen?
Der E-Fahrer lädt dank virtueller Bilanzierung von Decarbon1ze an der Ladesäule Strom von Lichtblick. Die 15-minütigen Lastgangdaten der Ladesäule werden dann von den Messstellenbetreibern anhand der Marktlokation bezogen. Das Energy Track & Trace (ETT)-Register bezieht die Lastgangdaten von den Messstellenbetreibern und stellt entsprechend den verbrauchten Volumina granulare Zertifikate aus. Parallel passiert dies auch mit den Daten der Erzeugung: Anhand der Marktlokationen von EE-Anlagen von Lichtblick werden bei ETT granulare Zertifikate für die Erzeugung ausgestellt. Um das Matching der granularen Zertifikate im ETT-Register zu vereinfachen, nutzt Lichtblick die Plattform von Granular Energy. Hier sieht der Versorger seine Erzeugung und seinen Verbrauch und kann das optimal matchen. Granular Energy automatisiert diesen Prozess und schickt die Resultate an das ETT-Register, wo das Matching beziehungsweise die Entwertung der Verbrauchs- und Erzeugungszertifikate stattfindet.
Birgt diese Vorgehensweise nicht die Gefahr doppelter Zählungen?
Um doppelte Zählungen auszuschließen, werden die Herkunftsnachweise (HKN) aus dem Herkunftsnachweisregister in Höhe der entwerteten granularen Zertifikate aus genau den angegebenen Anlagen entwertet. Damit der Fahrer diese Transparenz erhält, bekommt der Ladesäulenbetreiber regelmäßig von Lichtblick einen Report pro Ladesäule, wann der Strom aus welcher Anlage bezogen wurde. Diese Auswertung kann der Betreiber an den Fahrer weitergeben oder für jede Säule hinterlegen.
Herkunftsnachweise stehen mitunter in der Kritik, da manche darin eine Form des „Greenwashings“ sehen. Schließlich muss der Strom nicht wirklich grün sein, sondern nur das gekaufte Zertifikat. Was entgegnen Sie?
Herkunftsnachweise sind keine Form des Greenwashings. Greenwashing definiert sich durch das Nutzen unspezifischer Umweltclaims, die ein Produkt oder eine Leistung grüner erscheinen lassen, als sie tatsächlich ist, oder die aufgrund von nicht festgelegten Methodiken erstellt werden. Die Nutzung von HKNs zum Verkauf von Grünstrom ist jedoch gesetzlich geregelt: in § 19 der RED II auf EU-Ebene und im Artikel 42 EnWG. Um Ökostrom oder Grünstrom verkaufen zu dürfen, müssen Energieversorger Strom und Herkunftsnachweise beschaffen und die HKN dann bei der Stromlieferung im HKN-Register des Umweltbundesamtes entwerten. Lichtblick lässt sich die jeweiligen Mengen jährlich vom TÜV prüfen. Damit ist Ökostrom auf Basis von HKNs kein unspezifischer Umweltclaim und damit auch kein Greenwashing.
Dennoch existieren Vorbehalte gegenüber Herkunftsnachweisen. Muss die Glaubwürdigkeit gesteigert werden?
In der Tat müsste das System aus unserer Sicht weiter entwickelt werden, da HKNs – Stand heute – auf jährlicher Basis gekauft, gehandelt und entwertet werden. Eine zeitlich kleinere Granularität – wie in diesem Projekt – wäre glaubwürdiger und würde HKNs, die zu Zeiten generiert werden, in denen wenig Grünstrom im System ist, auch einen höheren Wert geben. Auch eine Eingrenzung der geografischen Bezugsmöglichkeiten wäre denkbar. In einem Beitrag auf dem Symposium der Hochschule Pforzheim zum Thema Klimaneutralität und Kompensation habe ich mich eingehender zu dem Thema geäußert.
Kann der Endkunde über die Art des Stroms an der Ladesäule entscheiden?
Derzeit gibt es keine Transparenz über die Stromqualität an öffentlichen Ladesäulen. Betreiber sind zwar verpflichtet, Grünstrom zu liefern, falls sie eine Förderung für den Aufbau erhalten haben. Allerdings ist dieser Prozess für Roaming-Kunden nicht nachvollziehbar. Sie laden zwar an der Säule eines bestimmten Betreibers, bekommen von diesem aber keine Rechnung. Diese erhalten sie von ihrem Roaming-Anbieter, der von den Betreibern wiederum lediglich die jeweiligen Tankkosten erhält. Die Qualität des Stroms wird in diesem Prozess nicht abgebildet.
Wie ließe sich dieses System verbessern?
Lichtblick setzt sich schon lange für eine Durchleitung an öffentlichen Ladesäulen ein, wie sie jetzt für das E-LKW-Ladenetz beschlossen wurde. Damit wird der Anbieter einer Ladelösung auch der Stromlieferant. Auf der Rechnung wäre dann die Stromqualität nachvollziehbar. Unser jetziges Projekt geht einen Schritt weiter, nämlich die Stromqualität über Herkunftsnachweise nicht nur jährlich, sondern stündlich nachvollziehbar zu machen und damit Produktion und Verbrauch auch bezüglich der Qualität zeitlich näher zu koppeln.
E-Mobilität ist für das Erreichen der Klimaziele ein zentraler Faktor. Können Sie abschätzen, wie „grün“ der Strom an Ladesäulen derzeitig ist?
Der Markt ist divers, es gibt Ladesäulen in privaten Häusern, an Unternehmensstandorten, in halböffentlichen Räumen wie Parkplätzen von Supermärkten oder im öffentlichen Raum. Es gibt daher keine Erkenntnis darüber, wie viel Prozent des Stroms in diesem Markt tatsächlich Grünstrom ist.