Am 13. Januar 2023 ging ein leichtes Beben durch die Autowelt. Denn Tesla hatte über Nacht die Preise sowohl für sein Modell Y als auch für sein Modell 3 kräftig gesenkt – nachdem kurz zuvor fast alle anderen Hersteller die Preise erhöht hatten. Das Tesla Model 3 verbilligte sich in der Basisausführung um 6000 Euro auf 44.970 Euro, das Model Y sogar um 9.100 Euro auf 45.870 Euro.

Das verunsichert nicht nur Autokäufer. Auch auf die übrigen Anbieter von Elektroautos dürfte die Preissenkung Auswirkungen haben. Während Polestar noch versichert, am eigenen Preisgefüge festhalten zu wollen, hat Ford bereits reagiert: Der Autobauer will in den USA den Preis für den vollelektrischen Mustang Mach-E um bis zu 5900 US-Dollar senken, um wettbewerbsfähig zu bleiben. „Wir werden keinen Boden preisgeben. Wir produzieren mehr Elektroautos, um die Wartezeiten für unsere Kunden zu verkürzen, wir bieten wettbewerbsfähige Preise und arbeiten daran, ein unvergleichliches Fahrerlebnis zu schaffen“, kündigte Marin Gjaja, der für die Elektroautos von Ford verantwortliche Chief Customer Officer in einer Pressemitteilung des US-Autobauers an. 

Zeichnet sich da ein Preiskrieg ab? Dennis Hagemann, der Gründer und Geschäftsführer von LUDEGO aus Troisdorf bei Bonn, macht sich darüber so seine Gedanken. Sein Unternehmen hat sich auf den Handel mit Elektroautos spezialisiert. Er bietet seit vielen Jahren Informationen, Beratungen und Fahrzeugbeschaffungen für private und gewerbliche Kunden sowie für öffentliche Institutionen an. Hier schildert er aus seiner Sicht, welche Autohersteller und Modelle durch die Preissenkung von Tesla besonders unter Druck geraten

Kategorie1: Nichts ändert sich

Fein raus sind die Anbieter von Elektroautos im unteren Preissegment. Das sind hauptsächlich die Marken und E-Mobile der Stellantis-Gruppe, also der Opel Corsa-e und Opel Mokka-e, Citroen mit dem C4-e und C4x-e, Fiat mit dem 500e, die Peugeot-Modell e-208 und e-2008 sowie der neue Jeep Avenger. Bei Renault betrifft es die beiden Einstiegsmodell ZOE und Twingo. Hier betragen die Verkaufspreise in der Regel knapp 36.000 Euro nach Abzug von Umweltbonus und Innovationsprämie. Allerdings müssen die Anbieter aufpassen, mit den topausgestatteten Fahrzeugen nicht in Tesla- Reichweite zu kommen – wie Renault etwa beim neuen Mégane E-TECH Electric. Aber in Summe sollte Tesla ihnen nicht gefährlich werden. Zumindest solange Tesla kein Fahrzeug unterhalb des Model 3 anbietet.

Kategorie 2: Geliehene Zeit

Hier befinden sich die Modelle, deren Preis zwar noch unter den 40.470 Euro für die Basisausführung des Model 3 liegen. Lange Lieferzeiten und neuen Richtlinien für die Vergabe des Umweltbonus könnten aber auch ihnen zum Verhängnis werden: Zum 1. September fällt der Umweltbonus für Elektroautos weg, wenn diese auf Gewerbetreibende und Unternehmen zugelassen werden. Und bei Lieferzeiten von zwölf Monaten und mehr könnten sich einige Firmen umorientieren und zu Tesla wechseln, da der US-Autobauer deutlich schneller liefern kann – aktuell innerhalb weniger Wochen. Einige Autohändler nehmen mit Blick auf die langen Lieferzeiten für ihre Elektroautos den Herstelleranteil am Umweltbonus bereits heraus – oder behalten sich vor, diesen zu kürzen oder zurückzufordern, sollte der Fördertopf des Bundes vor Auslieferung des Fahrzeugs schon geleert sein.

Tesla Model Y 
Mit seiner aggressiven Preispolitik setzt der US-Autobauer die Anbieter anderer Elektroautos mächtig unter Druck. Foto: Tesla
Tesla Model Y
Mit seiner aggressiven Preispolitik setzt der US-Autobauer die Anbieter anderer Elektroautos mächtig unter Druck. Foto: Tesla

In diese Kategorie fallen die folgenden Fahrzeuge: Die Modelle aus dem Volkswagen-Konzern auf der MEB-Plattform, also vom VW ID.3 bis zum ID.5, der Audi Q4 e-ton und der Skoda Enyaq. Dazu zählen ferner der Smart #1 und der Honda e, der Hyundai IONIQ 5 (mit 58 kWh-Akku) 2WD, der Hyundai IONIQ 6 (53 kWh) 2WD, der Renault Mégane E-Tech Electric, der Lexus UX 300e sowie der BYD Atto 3 EV und der ORA Funky Cat 400 (63 kWh). Bei den Herstellern aus China scheint es wenigstens aktuell noch eine gute Verfügbarkeit (bei Lieferzeiten zwischen 3 und 6 Monaten) zu geben. Aber spätestens im Sommer könnte es für alle Modelle aus dieser Aufzählung eng werden.

Kategorie 3: Der heiße Stuhl

Ordentlich unter Druck kommen schon jetzt die Fahrzeuge, die aktuell teurer sind als die Standard-Ausführungen des Tesla Model 3 und Tesla Model Y – und die ähnliche oder sogar schlechtere Leistungsdaten haben.

Dazu zählen aus meiner Sicht die folgenden Modelle: KIA e-Soul (64 kWh), KIA Niro EV (64,8 kWh), KIA EV6 (58 kWh), MG Marvel R Electric, höhere Varianten des Renault Megane E-Tech Electric, Nissan Ariya (63 kWh) (OBC 7,4 kW), Toyota bZ4X, Volvo C40 Recharge Pure Electric Single Motor, Volvo XC40 Recharge Pure Electric Single Motor. Die Modelle IONIQ 5 und 6 von Hyundai und der KIA EV6 (allesamt mit 77,4 kWh Akku) sind zwar auch teurer als die Standard-Versionen von Tesla. Aber alle drei Modelle aufgrund auch der hohen Ladeleistungen sind gute Alternativen zu den Fahrzeugen von Tesla. Aber auch ihnen könnten die langen Lieferzeiten zum Verhängnis werden. Das gilt insbesondere für den Kia EV6.

Stichwort: Bafa-Grenze

Für 51.490 bzw. 54.490 Euro gibt es das Tesla Model 3 und das Model Y in der so genannten Long-Range-Version. Ab hier wird es dann wirklich eng für die Konkurrenz, da sie bei den Reichweiten und auch anderen Leistungsdaten kaum mithalten können. Es sei denn, sie bieten Optionen, die Tesla nicht bieten kann. In der Klasse liegen die folgenden Modelle: BMW i4 eDrive35 und eDrive40, VW ID.3 Pro S (4-Sitzer), Nissan Ariya (87 kWh) (OBC 22 kW), Polestar 2 Long Range Single und Dual Motor (78 kWh). Bei einigen Modellen ist zu befürchten, dass sie aufgrund der langen Lieferzeiten und der ab September (für Gewerbetreibende) und ab Januar 2024 (wegen des dann nochmals geringeren Umweltbonus) unterm Strich deutlich werden als die Konkurrenten von Tesla.

Kategorie 4: Die Todeszone

Für 57.490 Euro gibt es (nach Abzug der Förderung das Tesla Model 3 in der allradgetriebenen und 377 kW (513 PS) starken Performance-Version. Von der Leistung ist die Rangfolge in dem Bereich klar. Manche Modelle anderer Hersteller bieten dafür andere Qualitäten. Allerdings gibt es aus meiner Sicht drei Modelle, die da nur schwer mithalten können. Das sind der Ford Mustang Mach-E in der Ausführung Standard Range, der BMW iX3 sowie der Jaguar I-Pace EV400 AWD.

Mustang Mach-E GT 
In den USA hat die Ford Motor Company den Preis für das Topmodell der Baureihe bereits um 5.900 Dollar auf umgerechnet 59.654 Euro gesenkt. Hierzulande kostet der allradgetriebene Sport-Stromer nach wie vor stolze 86.200 Euro. Foto: Ford
Mustang Mach-E GT
In den USA hat die Ford Motor Company den Preis für das Topmodell der Baureihe bereits um 5.900 Dollar auf umgerechnet 59.654 Euro gesenkt. Hierzulande kostet der allradgetriebene Sport-Stromer nach wie vor stolze 86.200 Euro. Foto: Ford

Damit wird auch schnell klar, warum Ford als erster die Preise gesenkt hat. Denn ohne die Preisanpassung wäre den Kunden nur schwer zu erklären, welche Vorteile der vollelektrische Mustang gegenüber dem Tesla hat. Beim BYD Han EV, VinFast VF 8 Eco AWD und NIO ET5 (75 kWh, inkl. Batterie) fehlt noch etwas die Erfahrung. Aber diese Modelle können immerhin mit anderen Attributen abseits der reinen Performance punkten.

Leasingraten gehen durch die Decke

Die Zinsmaßnahmen der Europäischen Zentralbank im Kampf geben die Inflation haben dazu geführt, dass sich die Leasingkonditionen in den vergangenen Monaten deutlich verschlechtert haben. Traumhafte Leasingraten von unter 50 Euro im Monat sind wie noch vor zwei Jahren sind inzwischen nicht mehr zu finden. Stattdessen beginnt das Leasing von Elektroautos aktuell bei Monatsraten um die 200 Euro bei einer Vertragslaufzeit von 48 Monate und einer Jahresfahrleistung von 10.000 Kilometern. Hier ruft Tesla aktuell 412 Euro pro Monat für die Modell 3 und 423 Euro für das Model Y auf und stellt damit die Konkurrenz zum Teil deutlich in den Schatten. Ein Ford Mustang Mach-E kostet in der Basisversion aktuell 485 Euro im Monat. Beim VW ID.4 beginnen die günstigen Angebote bei über 500 Euro. Und beim Mercedes EQE werden monatlich sogar über 700 Euro fällig.

Stunde der Wahrheit im Herbst

Es mag nicht jeder einen Tesla fahren wollen. Aber mit Blick auf die Lieferzeiten anderer Hersteller fehlen oft die Alternativen. Spannend wird es vor allem, wenn Kunden anfangen, ihre Bestellungen zu stornieren, weil die Händler keinen Zeitpunkt für die Auslieferung nennen können. Dann wird es auch für diejenigen Hersteller problematisch, die sich aktuell noch auf dem hohen Betand an Bestellungen ausruhen. Werden sie dann ebenfalls mit Preissenkungen reagieren, vielleicht sogar reagieren müssen? Manche Autohersteller stehen finanziell schon jetzt mit dem Rücken zur Wand, aber können aufgrund der Wettbewerbssituation kaum mehr Preisanhebungen durchsetzen. Spätestens im dritten Quartal kommt dann die Stunde der Wahrheit für alle Beteiligten.

Noch ein Satz zu meiner Methodik: Es wurden die Listenpreise mit Herstelleranteil, Förderung und rund 1000€ Überführung genommen, um eine realistisches Bild zu zeichnen. Zwar räumen einige Hersteller noch Rabatte ein, aber die sind aufgrund auch der hohen Nachfrage sehr klein geworden. Am Ende dürfte die Verfügbarkeit der Fahrzeuge über den Kauf entscheiden.

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