Die neue Zeit hat an der Aral-Tankstelle Wittener Straße in Bochum längst begonnen: Zwei der sechs Säulen, an denen Diesel und Benzin in unterschiedlichen Qualitäten gezapft werden kann, sind bereits gegen Ultraschnell-Ladesäulen für Elektroautos ausgetauscht, ein weiter Wechsel von Zapf- zu Ladesäulen wird gerde vorbereitet. Kaum sind wir an dem neuen „Energy Hub“ eingetroffen, rollt mit einem VW ID.3 auch schon derjenige vor, der die Transformation treibt und mit dem wir uns zu einem „Ladetalk verabredet haben: Alexander Junge, Aral-Vorstand für für Elektromobilität.
Hallo Herr Junge, der ID.3 ist ganz schön bunt beklebt. Das ist nicht Ihr Privatwagen, vermute ich mal?
Nein, das ist das Elektroauto, das mein Team hier in Bochum nutzt, wenn es mal wieder gilt, eine neue Ladestation in Betrieb zu nehmen oder unser Ladeangebot Aral pulse bekannter zu machen. Ich bin gestern mit dem Zug aus Hamburg, wo ich wohne, hierhergekommen und nutze das Auto nur übergangsweise.
Was fahren Sie normalerweise?
Ein Tesla Model 3. Daneben nutzt die Familie für Langstrecken noch einen Volvo mit wiederaufladbarem Hybridantrieb. Den haben wir seit 2019. Damit habe ich erste Erfahrungen mit der Elektromobilität gesammelt.
Und dabei auch schon Reichweitenangst erlebt?
Das letzte Mal, dass ich Reichweitenangst erlebt habe, liegt bestimmt schon zwei, drei Jahre zurück. Da war unser Ladenetz und das unserer Wettbewerber noch nicht so gut ausgebaut. Heutzutage muss sich darüber eigentlich keiner mehr Sorgen machen: Man findet immer eine funktionierende Ladesäule, wenn man sie braucht.
Sie kommen aus dem klassischen Mineralölgeschäft von BP/Aral. Was hat dafür gesorgt, dass Sie sich beruflich von Benzin und Diesel lösten?
Ich fand die Herausforderung ganz toll, ein komplett neues Geschäft rund um die Elektromobilität aufbauen zu können. bp und Aral kommen aus dem Öl- und Gasgeschäft, investieren jetzt aber große Summen in neue CO2-arme Geschäftsfelder. Bis 2030 wollen wir 25 Prozent weniger Öl und Gas fördern als im Jahr 2019. Auf der anderen Seite investieren wir in E-Autoladesäulen, Solar- und Windstromproduktion, aber auch Wasserstoff.
Die Transformation des Geschäfts zeigt sich hier an dieser Tankstelle sehr deutlich: Es gibt zwar immer noch Zapfsäulen für Benzin und Diesel, an zwei Stellen sind sie aber auch schon gegen Schnellladesäulen ausgetauscht worden.
Das ist der Weg. Wir werden in den kommenden Jahren einen immer stärkeren Mix verschiedener Antriebsarten auf deutschen Straßen sehen. Wir müssen diesen neuen Mix deshalb auch an den Tankstellen abbilden, denn der Anteil der Elektroautos wird stetig wachsen.
Die Tankstelle wird nach und nach zur großen Ladestation?
Das Laden von Elektroautos an unseren Tankstellen wird immer wichtiger werden. Aber auch die Rolle der Tankstelle wird sich ganz sicher wandeln. Wir bauen mit Partnern wie REWE das Shopangebot aus, wir haben bereits rund 850 REWE To Go-Shops in Aral-Tankstellen. So werden wir Autofahrern weiterhin ein attraktives Angebot machen können.
Das macht Sinn: Der Ladevorgang eines Elektroautos dauert bis zu einer halben Stunde – die dann zum Einkauf genutzt werden kann.
Oder auch zum Kaffeetrinken. Wir hören immer wieder von unseren Kunden, dass sie diesen zusätzlichen Service sehr schätzen. Wir betreiben nicht nur Ladesäulen, sondern bieten ein Rundum-Angebot. Wir suchen unsere Standorte für die Ladesäulen ganz gezielt danach aus. Auch eine Toilette sollte da in der Nähe sein. Und wir schulen unsere Mitarbeiter, damit sie in der Lage sind, Fragen zur Funktionalität der Ladesäule beantworten zu können.
Das heißt, an den Tankstellen will Aral schon festhalten? Total Energies verkauft seine Tankstellen in Deutschland und den Niederlangen an ein Einzelhandelsunternehmen.
Wir glauben fest an die Zukunft der Tankstelle und halten an unseren fest. Der Bedarf an Unterwegs-Versorgung wird eher steigen als sinken, auch die Zahl der gefahrenen Kilometer. Wir bauen deshalb unsere Tankstellen zu Energy Hubs um.
Mit rund 2400 Stationen verfügt Aral über das größte nationale Tankstellennetz. Aber nicht alle sind in Ihrem Besitz.
Das stimmt. Einige sind in unserem Eigentum und werden mit Pächtern betrieben. Es gibt auch Tankstellen im Eigentum von Partnern.
Und alle sind begeistert über die Transformation, den Umbau ihrer Stationen?
Wir müssen unsere Partner natürlich mitnehmen auf die Reise. Aber die Resonanz auf unsere Pläne ist ausgesprochen positiv. Die Tankstellen-Betreiber sehen ja auch, dass die Welt sich ändert. Und sie möchten ihren Teil dazu beitragen.
Wann wird denn hier und an allen anderen Aral-Standorten die letzte Tanksäule abgeräumt werden?
Puh. Das ist unmöglich zu prognostizieren. Klar ist nur, dass es in Deutschland jedes Jahr immer mehr Elektroautos geben wird. Aber es wird wohl noch Jahrzehnte Verbrenner auf den Straßen geben.
Welche Ladekarte haben Sie eigentlich zum Aktivieren der Ladesäule hier genutzt?
Unsere Aral Fuel & Charge-Karte.
Mit der sich sowohl Strom wie Sprit beziehen lässt.
Ja, das ist ein hochinteressantes Angebot für unsere Flottenkunden. Denn unsere Gewerbekunden werden noch viele Jahre gemischte Flotten betreiben, mit Verbrennern wie mit Elektrofahrzeugen. Über unseren Service bekommt der Flottenmanager dann die Abrechnungen über sämtliche Tank- und Ladevorgänge.
Eine Ladekarte für Privatleute…
…haben wir derzeit noch nicht. Für sie machen wir das Laden eines Elektroautos super easy: Er kann den Strom mit seiner Bank- und Kreditkarte zahlen, per Paypal, im Webshop oder per App – er hat die volle Auswahl und muss sich nirgendwo registrieren, wenn er das nicht möchte. Das unterscheidet uns von etlichen anderen Anbietern.
Die eigene Ladekarten oder -Apps herausgeben. Sie wollen das nicht?
Wir werden bald auch eine eigene Ladekarte für Privatkunden herausgeben. Aber es ist uns wichtig, unseren Kunden weiterhin die freie Wahl zu lassen. Kreditkartenzahlung wird ohnehin verpflichtend werden. Für uns war das selbstverständlich – noch ehe die Politik das zum Thema machte.
Wann kommt die neue Ladekarte?
Gegen Ende des Jahres. Sie würde die Karte für Flottenkunden ergänzen. Über Roamingverträge werden wir sicherstellen, dass damit über 99 Prozent aller Ladepunkte in Europa freigeschaltet werden können.
Zu welchen Konditionen? Ich lade mein Elektroauto gerade hier über die Ladekarte eines Wettbewerbers zu 60 Cent pro Kilowattstunde. Was wird mich der Strom mit der neuen Aral-Karte kosten?
Wir werden verschiedene Tarife anbieten, für das Ad-hoc-Laden, aber auch mit einer monatlichen Grundgebühr und einem reduzierten Kilowattstunden-Preis.
Für wie viel Cent?
Die Details des neuen Preismodells haben wir noch nicht festgelegt, wir beobachten gerade den Markt. Bis zum Jahresende ist ja noch eine Weile hin.
Derzeit sind die Strompreise am Schnellader recht hoch, bis zu einem Euro werden da aufgerufen. Ist das fair?
Bei der Kalkulation der Betriebskosten eines Elektroautos sollte man im Kopf haben, dass die Wartungskosten deutlich geringer sind. Auch sollte man bedenken, dass man beim Laden an der heimischen Wallbox über Nacht sehr viel günstigere Strompreise bekommt, als wenn man ultraschnell in unserem Netz lädt. Dafür lädt man bei uns bis zu 15-mal so schnell wie an einer Wallbox. Diesen Komfort muss man bezahlen. In Summe ist das für jeden Fahrer eines Elektroautos eine Mischkalkulation. Insgesamt wird er aber günstiger mit einem Stromer fahren als mit einem Verbrenner.
Sie setzen allein auf Schnelllade-Stationen?
Ja, denn wir sind davon überzeugt, dass Ultraschnell-Laden die Zukunft ist. Und wir sind davon überzeugt, dass das Ultraschnell-Laden die Voraussetzung ist für den Durchbruch der Elektromobilität. Denn die Menschen werden nur dann in großer Zahl auf Elektroautos umsteigen, wenn sie den Akku ähnlich schnell laden wie sie heute den Tank ihres Verbrenners füllen. Entsprechende Technik im Fahrzeug vorausgesetzt, können Sie hier am 350 kW-Lader Strom für 300 Kilometer in zehn Minuten nachladen. Ein Tankvorgang dauert nach unseren Feststellungen inklusive Gang zur Kasse achteinhalb Minuten – da liegen wir nicht mehr weit auseinander.
Fastned wird ab dem Sommer seine Ladestation mit neuen Highpower-Chargern ausstatten, die sogar Ladeleistungen von bis 400 kW darstellen können.
Auch wir werden in Kürze damit anfangen, neue Ladesäulen mit der Ladeleistung zu installieren. Wir wissen aus den Gesprächen mit Autoherstellern, das Elektroautos in Zukunft wesentlich höhere Ladeleistungen ermöglichen werden als heute. Darauf müssen wir uns vorbereiten.
Ist auch das so genannte Megawatt-Laden von elektrischen Lastzügen ein Thema?
Ja, wir haben im Januar auf 600 Kilometern entlang des Rheins den ersten Ladekorridor für Elektro-Lkw ausgerüstet, um der Antriebswende auch in diesem Bereich Vorschub zu leisten. Und wir werden weitere Lkw-Ladestationen bauen und, wenn das Megawatt-Charging zur Verfügung steht, dieses an unseren Stationen auf Aral-Autohöfen zugänglich machen.
Das ist also noch Zukunftsmusik. Zurück in die Gegenwart, zu den Pkw. Wie wird Ihr Ladenetz hier angenommen?
Sehr gut. Wir haben im zweiten Halbjahr 2022 bereits doppelt so viele Kilowattstunden verkauft wie im ersten Halbjahr. Seit dem Start konnten wir mehr als 1 Millionen Ladevorgänge an unseren Säulen verzeichnen.
Und unter dem Strich bleibt auch etwas hängen?
Wir investieren hier in die Zukunft und gehen davon aus, dass sich das Geschäft in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts selbst tragen wird. Denn bis dahin wird der Bestand an Elektroautos deutlich gewachsen sein.
Der Bestand an Lademöglichkeiten hoffentlich auch. Die Politik will die Betreiber von Tankstellen deshalb gesetzlich verpflichten, an jedem Standort eine Ladesäule zu errichten.
Wir wollen ja bauen und werden auch weiterhin bauen. An Supermärkten, an Fastfood-Restaurants, aber auch an allen Tankstellen, an denen das aufgrund des Platzangebots und der technischen Gegebenheiten möglich, aber auch aufgrund der Nachfrage sinnvoll ist. Aber es wird immer Standorte geben, wo das weder sinnvoll noch machbar ist. Wir würden uns wünschen, dass die Bundesregierung den Ausbau der Ladeinfrastruktur fördert. Etwa durch den Verzicht auf die Bauantragspflicht für Transformatoren. Das kostet im Schnitt sechs Monate Zeit. Und dann kommen bei einem Schnellladeanschluss noch bis zu zwei Jahre hinzu, bis der Anschluss ans Mittelspannungsnetz hergestellt ist. Der Abbau von Bürokratie würde der Sache mehr dienen als ein planwirtschaftliches Mittel einer Versorgungsauflage.
Ihr Ziel, bis zum Jahresende 3000 Schnellladepunkte zu errichten, steht also unter einem gewissen Vorbehalt.
Wir sind durchaus optimistisch, dass wir das schaffen werden, und haben gut geplant.
Der Aral-Tankstelle – oder anderen – könnte auch noch eine Wasserstoff-Tankstelle gut zu Gesicht stehen. 1997 hatte Aral am Münchner Flughafen die erste öffentliche Wasserstoff-Tankstelle eröffnet. Ist das Thema für das Unternehmen abgehakt?
Wir sind überzeugt, dass Wasserstoff in industriellen Anwendungen sehr wichtig werden wird. Deshalb werden wir beispielsweise ThyssenKrupp helfen, die Stahlproduktion mit Wasserstoff zu dekarbonisieren. Wir werden auch die weiteren Entwicklungen in der Mobilität beobachten und Wasserstoff dann anbieten, wenn unsere Kunden dies wünschen.
Und E-Fuels?
Die werden sicher wichtig in schwer zu elektrifizierenden Verkehrssektoren, in der Luftfahrt und in der Langstrecken-Schifffahrt. Da kann ich mir E-Fuels sehr gut vorstellen. Im Straßenverkehr ist aktuell der elektrische Antrieb effizienter.
Der Akku Ihres ID.3, sehe ich, ist inzwischen zu 100 Prozent gefüllt. Sie sind inzwischen ja schon eine Reihe von Batterieautos gefahren. Was würden sie sich als Autofahrer von den Herstellern noch an Verbesserungen wünschen?
Als nach wie vor begeisterter Autofahrer und Vater eines Kleinkindes mit beschränkter Ausdauer beim Ladevorgang wünsche ich mir eine schnellstmögliche Steigerung der Reichweiten und der Ladegeschwindigkeit. Die Strecke Hamburg-Bochum schaffe ich mit dem Tesla heute schon in einem Rutsch. Schön wäre es, mit einer Akkuladung auch den Rückweg bewältigen zu können. Ich bin nach allem, was ich aus der Autoindustrie höre, zuversichtlich, dass dies schon bald möglich sein wird.