Sie sehen ein wenig aus wie der Twizy von Renault oder der i-Road von Toyota. Sie bieten zwei Personen Platz, sind elektrisch angetrieben, fahren zwar nur maximal 28 km/h schnell, aber finden dafür überall einen Parkplatz: Die kleinen vierrädrigen Kabinenroller des Schweizer Startup Enuu. Seit wenigen Wochen hat das Unternehmen 50 Fahrzeuge über die Berliner Innenstadt und über die Stadtteile Kreuzberg und Neukölln verteilt, um die Mobilität in der möglicherweise bald autofreien Innenstadt um einen neuen Sharing-Service zu bereichern. Für 19 Cent pro Minute könnten die von einem kleinen Lithium-Ionen-Akku angetriebenen Elektro-„Autos“ mit einer Reichweite von 40 Kilometern ausgeliehen und über Straßen und auch Radwege bewegt werden – ohne dass ein Führerschein notwendig wäre.

Und die beiden Gründer von Enuu, die Jung-Ingenieure Luca Placi und Yoann Loetscher haben noch großes vor – nicht nur in der Hauptstadt. Ihr Ziel ist es, in Berlin bis zum Frühjahr kommenden Jahres insgesamt 500 Kabinenroller in den Verkehr zu bringen. Und im nächsten Schritt soll das Sharing-System auch in anderen deutschen Städten aufgebaut werden – so wie jetzt schon im Schweizer Biel, Basel, Bern, Lugano, Zürich und Genf. Die ehemaligen Leiter des Formula Student Teams an der Universität Bern und ehemaligen Mitarbeiter von Porsche und Mercedes in Stuttgart haben dafür über eine Million Dollar an Risikokapital eingesammelt.

Im Interview erklärt Luca Placi, was das Jungunternehmen nach Berlin gebracht hat, welche Probleme es mit dem neuen Service in der Hauptstadt noch gibt – und wie nachhaltig die Technik ist.

Herr Placi, warum ist die Entscheidung für den Marktstart in Deutschland ausgerechnet auf Berlin gefallen?

Berlin war von Anfang an unser Ziel. Die Schweiz war quasi ein Weg, unser Angebot zu verfeinern. Seit 2018 sind wir in der Schweiz, Deutschland ist unsere erste Expansion ins Ausland. Durch die Vielzahl an Angeboten sind die Einwohner Berlins grundsätzlich sehr offen für neue Mobilitätslösungen. Wir sind
Ende Mai mit 35 Fahrzeugen in der Stadt gestartet, jetzt haben wir die Zahl bereits auf 55 erhöht. Im Moment beschränkt sich unser Einsatzgebiet auf die Bezirke Kreuzberg und Mitte. Bisher haben wir in Berlin rund 2.000 registrierte Nutzer. Unsere Erfahrung aus der Schweiz hat uns aber gezeigt, dass es besser ist, nicht direkt mit einer hohen Zahl an Fahrzeugen zu starten. Wir hatten in der Vergangenheit nämlich bereits Konflikte, vor allem was das Parken und Fahren an richtiger Stelle angeht. Diese
zeichnen sich in der Anfangsphase jetzt ebenfalls in Berlin ab. Das Parken unserer Fahrzeuge ist dort nur auf Auto- oder Motorradparkplätzen erlaubt. Das müssen wir den Nutzern erstmal klarstellen. Wir kooperieren auch mit der Polizei und dem Ordnungsamt, damit wir falsch geparkte Fahrzeuge schnell entfernen können.

Ist es in Berlin durch die Vielzahl an Angeboten überhaupt noch möglich, sich auf dem Markt der Mobilitätsanbieter zu behaupten?

Je mehr Provider, desto mehr Möglichkeiten für Menschen, alternative Mobilität zu nutzen. Und mit dem steigenden Angebot werden die Menschen affiner, solche Lösungen zu nutzen. Mit Enuu wollten wir eine Kombination aus Fahrrad und Auto schaffen: Auf der einen Seite leicht und umweltfreundlich, auf der anderen Seite mit mehr Komfort und Schutz vor schlechtem Wetter. Das spiegelt sich in unserem Nutzerprofil wider. Es nutzen nicht nur junge Menschen das Angebot, der älteste Nutzer in der Schweiz ist 88 Jahre alt. Bis Anfang 2022 wollen wir unsere Flotte in Berlin auf 500 Fahrzeuge vergrößern und auch in anderen Bezirken am Start sein. Danach wollen wir die Fahrzeuge zusätzlich in Hamburg anbieten.

Welche Rolle spielt das Thema Nachhaltigkeit bei den Fahrzeugen?

Wege, die wir beispielsweise für Batterietausch oder Sicherheitskontrolle der Kabinenroller zurücklegen müssen, legen wir in unseren eigenen Fahrzeugen zurück – und sind damit auch im Betrieb vollelektrisch unterwegs. Unsere Roller sind zudem komplett recyclebar. Außerdem geben wir älteren Fahrzeugen ein zweites Leben, indem wir sie an Privatpersonen verkaufen. Dort können sie dann noch einige Jahre zum Einsatz kommen, was ihre insgesamt verlängert. Wir verwenden Lithium-Ionen-Batterien, die rund 1.600
Ladezyklen durchmachen können. Insgesamt sind unsere Batterien drei bis vier Jahre im Einsatz, bis sie recycelt werden.

In Kooperation mit dem Branchendienst energate.

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