Wie viele Ladestationen für Elektroautos braucht Deutschland – und wie schnell? Haben wir vielleicht sogar bereits mehr genug? Die These stellte kürzlich der Bundesverband für Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) in der zweiten Ausgabe des „BDEW-Elektromobilitätsmonitors“ auf – verbunden mit der Forderung, sich stärker auf die Frage zu konzentrieren, wie man die Nachfrage nach Elektroautos stimulieren könnte, um bis zum Jahr 2035 wie von der Bundesregierung geplant 15 Millionen Stromer auf die Straße zu bringen. Hat der Verband recht?

Auf der IAA Mobility in München führten wir dazu ein Gespräch mit der EnBW-Vorstandsfrau Colette Rückert-Hennen und Volker Rimpler, der als Vice President E-Mobility Construction & Rollout für den bundesweiten Ausbau der Schnellladeinfrastruktur bei der EnBW verantwortlich ist. Die EnBW betreibt betreibt das größte Schnellladenetz in Deutschland – und expandiert weiter. Unter anderem mit dem Bau von fünf weiteren überdachten Schnellladeparks, in Posthausen bei Bremen, in Bielefeld, nahe Nürnberg sowie am Dreieck Nahetal und in Gau-Bickelheim in Rheinland-Pfalz. Die neuen Stationen sollen noch in diesem Jahr in Betrieb gehen.

Frau Rückert-Hennen, der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft hat kürzlich geäußert, dass es in Deutschland eher zu viele als zu wenige Ladesäulen für Elektroautos gibt. Haben Sie Ihre Planungen für neue Ladeparks nun auf Eis gelegt?

Rückert-Hennen: Nein, im Gegenteil. Wir investieren als Unternehmen in Geschäftsmodelle rund um die Ladeinfrastruktur und schaffen die Grundlage für ein erfolgreiches Wachstum, gerade in dieser Markthochlaufphase. Wir bauen deshalb mit Voraussicht über den aktuellen Bedarf hinaus aus und damit die benötigten Kapazitäten für die Zukunft auf. Wenn wir damit warten würden bis 2030, dann wären die besten Standorte auch bereits weg.

"Wir bauen mit Voraussicht über den aktuellen Bedarf hinaus aus"
Colette Rückert-Hennen, 62, ist seit 2019 Personalvorständin und Arbeitsdirektorin der EnBW. Zuvor war die Juristin aus Leverkusen unter anderem für das Bonner Solarunternehmen Solarworld und den Tourismuskonzern Thomas Cook tätig. Foto: EnBW
„Wir bauen mit Voraussicht über den aktuellen Bedarf hinaus aus“
Colette Rückert-Hennen, 62, ist seit 2019 Personalvorständin und Arbeitsdirektorin der EnBW. Zuvor war die Juristin aus Leverkusen unter anderem für das Bonner Solarunternehmen Solarworld und den Tourismuskonzern Thomas Cook tätig. Foto: EnBW

Sie investieren heute in die Zukunft der Elektromobilität?

Genau. Wir sind nicht umsonst Marktführer bei der Schnellladeinfrastruktur, sondern weil wir als First Mover konsequent in den Aufbau unseres Angebots investiert haben. Richtig ist schon, dass sich in der Anfangsphase einige da draußen an den Kopf gefasst haben. Aber wir hatten als EnBW eine Vision – und haben zu einem Zeitpunkt mit der Umsetzung angefangen, als andere noch auf Fördermittel warteten oder noch diskutierten, ob Elektroautos eine Chance hätten.

Also hat der BDEW durchaus recht – es gibt mehr Ladesäulen als mit Blick auf den Bestand an Elektroautos nötig wäre?

Das, was wir heute an Lademöglichkeiten im öffentlichen Raum zur Verfügung haben, ist mehr, als für den Fahrzeugbestand aktuell nötig wäre. Aber wenn wir berücksichtigen, dass Elektroautos massentauglich sind und alle Autohersteller in Europa mehr oder minder auf das Antriebskonzept setzen, dann werden wir bis 2030 eine zweistellige Zahl von E-Autos allein in Deutschland haben. Mit dem jetzigen Ausbau schaffen wir die Basis für diesen Hochlauf.

Die Hoffnung haben Sie noch? Manche meinen, eine solche Größenordnung wäre illusorisch.

Ja, die haben wir. Ob es 2030 nun bereits 14,5 oder 11,7 Millionen Elektroautos werden, ist nicht die entscheidende Frage.

Manche Experten prognostizieren wegen der verschlechterten Rahmenbedingungen nur noch eine Größenordnung von sieben Millionen.

Ich glaube nicht, dass wir uns das leisten können. Wir müssen den Klimawandel stoppen und die Elektrifizierung des Verkehrs ist dabei ein wichtiger Ansatzpunkt.

„Ich glaube nicht, dass wir uns das leisten können. Wir müssen den Klimawandel stoppen und die Elektrifizierung des Verkehrs ist dabei ein wichtiger Ansatzpunkt.“

Rückert-Hennen zur Diskussion, das Ziel aufzugeben, den Bestand an Elektroautos in Deutschland bis 2035 auf 15 Millionen zu vergrößern

Wegen Inflation, hoher Strompreise und auch mit Blick auf die Pläne der Bundesregierung zur Wärmewende verschieben derzeit viele Deutsche den Autokauf, lässt das Interesse an Elektroautos derzeit etwas nach.

Volker Rimpler: Ich bin derzeit noch ganz optimistisch. Die Zahlen aus dem ersten Halbjahr deuten in keiner Weise auf eine Abschwächung des Hochlaufs. Und im August wurden hierzulande 170 Prozent mehr Batterieautos neu zugelassen als im Vorjahresmonat. Und die zahlreichen neuen Elektroautos aus China, Vietnam und anderen Ländern werden sicher nicht nur neue Anreize setzen, sondern auch dafür sorgen, dass die Preise allmählich sinken.

Das wäre eine gute Entwicklung. Aber hoffentlich sind die hohen Neuzulassungen aktuell nicht nur ein Strohfeuer, ausgelöst durch den Endspurt um den Umweltbonus. Für Gewerbekunden gibt es hierzulande bereits keine Förderung mehr.

Es wird in der Tat interessant sein zu sehen, wie sich nun das Flottengeschäft weiterentwickelt. Das ist insofern wichtig, weil es mit zwei oder dreijähriger Verzögerung den Gebrauchtwagenmarkt bedient.

Im Großen wie im Kleinen 
Volker Rimpler (links) mit EnBW-Markenbotschafter Nico Rosberg und Miniatur-Wunderland-Gründer Gerrit Braun bei der Eröffnung von fünf Schnellladestationen für Elektroautos im Maßstab 1:87 auf der Modellbahnanlage in Hamburg. Foto: EnBW/Julian Felix Lorenz
Im Großen wie im Kleinen
Volker Rimpler (links) mit EnBW-Markenbotschafter Nico Rosberg und Miniatur-Wunderland-Gründer Gerrit Braun bei der Eröffnung von fünf Schnellladestationen für Elektroautos im Maßstab 1:87 auf der Modellbahnanlage in Hamburg. Foto: EnBW/Julian Felix Lorenz

Aber noch einmal einen Schritt zurück zur Aussage des BDEW. Der Verband argumentiert mit der Gesamtladeleistung von über 4,5 Gigawatt in Deutschland. Ist das nicht der falsche Ansatz? Was nützt einem Elektromobilisten, sagen wir mal in Mecklenburg-Vorpommern, ein großer Ladepark mit hoher Kapazität wie der von EnBW in Kamen?

Das ist etwas vereinfacht und bildet einen Durchschnitt ab. Wir haben aber inzwischen eine gewisse Flächendeckung erreicht und fangen jetzt sogar an, das Netz punktuell nachzuverdichten. Dabei legen wir ein besonderes Augenmerk auf die Standorte, bei denen ohnehin das Fahrzeug steht – etwa beim Einzelhandel, an Baumärkten von Bauhaus und Einkaufsmärkten von Rewe und Penny, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Das werden wir fortsetzen.

Rückert-Hennen: Die Kundenzentrierung ist hier extrem wichtig und die Grundlage für unsere Ausbaustrategie. Wir haben heute ein sehr differenziertes Standort-Portfolio. Zu 15 Prozent stehen unsere Schnellladesäulen an der Autobahn, zu 41 Prozent bei Einzelhändlern – dort können die Menschen das Laden ihres Elektroautos ganz einfach in ihren Alltag integrieren.

Rimpler: Baumärkte liegen in der Regel auch in Gewerbegebieten, die meist auch attraktiv nahe einer Autobahn-Ausfahrt liegen – solche Standorte haben viele Vorteile.

Rückert-Hennen: Wir wissen inzwischen, wie man Ladeinfrastruktur aufbaut. Das gilt aber auch für digitale Angebote: Wir hatten über unsere App von Anfang an einen guten Zugang zu unseren Kunden. Darüber haben wir eine Menge Feedback bekommen und auch erfahren, was die sich wünschen und was sie sich wünschen.

Eine hohe Verfügbarkeit, schätze ich mal.

In der Tat. Wir haben eine technische Verfügbarkeit, die nahezu 100 Prozent liegt. Das hat keiner außer uns.

„Wir bieten unseren Kunden eine hohe Qualität und das aktuelle Angebot kommt gut bei ihnen an. Insofern gibt es keinen Grund, noch mal an der Preisschraube zu drehen.“

Rückert-Hennen über mögliche senkungen des Ladestrompreises

Rimpler: Das ist ein wichtiges Qualitätsmerkmal für uns. Wir haben dafür ein starkes Team von Technikern, die auch in den Regionen sitzen und schnell zur Stelle sind, wenn es einmal Probleme gibt. Wir wollen unseren Kunden eine möglichst kurze Reaktionszeit bieten.

Wie hoch ist denn aktuell die Auslastung ihrer Ladestationen?

Rückert-Hennen: Das ist leider eine wettbewerbsrelevante Information, die wir so nicht teilen. Laut BDEW beträgt die Auslastung des Ladenetzes derzeit bei durchschnittlich 11,6 Prozent.

Rimpler: Die ist natürlich noch ausbaufähig. Aber wir haben ja auch eher den Blick auf 2030.

Rückert-Hennen: Der Aufbau von Infrastruktur ist eine langfristige Investition. Das gilt auch für das Ladenetz und ist eine Kernkompetenz von uns als Energieunternehmen. Selbstverständlich ist es unser Ziel, hier perspektivisch profitabel zu sein. Bei den großen Ladeparks, das kann ich Ihnen sagen, die sind heute schon wirtschaftlich. Bei Hellweg bauen wir gerade unsere Ladestationen aus, weil da einen guten Zuspruch sehen und wir einen weiteren Zulauf antizipieren. Statt vier wird es dort künftig acht Ladepunkte geben.

Ionity hat kürzlich die Ladestrompreise gesenkt. Werden sie darauf reagieren?

Rückert-Hennen: Nein. Wir haben im Januar eine neue Tarifstruktur eingeführt und mit unserem Preisniveau liegen wir im Wettbewerbsvergleich nun im Mittelfeld. Wir haben im Kontext der Energiekrise sehr lange mit einer Preisanpassung gewartet. Dadurch waren wir  lange auf einem Niveau, das nicht auf Dauer tragbar war. Insofern mussten wir da etwas tun. Wir bieten unseren Kunden eine hohe Qualität und das aktuelle Angebot kommt gut bei ihnen an. Insofern gibt es keinen Grund, noch mal an der Preisschraube zu drehen.

Sie haben im August den 500.000 Ladepunkt im europäischen „Hypernetz“ gefeiert. Welche Ziele peilen Sie für dieses Jahr noch an?

Rimpler: Hier steht unsere eigene Ladeinfrastruktur im Fokus: Wir haben in Deutschland aktuell 3400 Schnellladepunkte und wollen bis 2030 auf rund 30.000 kommen.

In Wechselstrom-Stationen, in die sogenannten „Schnarchlader“ investieren Sie nicht mehr?

Rückert-Hennen: Nein, unser Geschäftsmodell setzt klar auf das Schnellladen. Im öffentlichen Raum ist das aus unserer Sicht das Modell, das am besten zu den Bedürfnissen der Kunden passt. Andere Akteure setzen da vielleicht weiter auf das Normalladen. Das ist bei uns nicht der Fall.

"Das Laden des Elektroautos in den Alltag integrieren"
41 Prozent der EnBW-Schnellladesäulen stehen inzwischen bei Einzelhändlern wie Rewe und Penny. Foto: Rother
„Das Laden des Elektroautos in den Alltag integrieren“
41 Prozent der EnBW-Schnellladesäulen stehen inzwischen bei Einzelhändlern wie Rewe und Penny. Foto: Rother

Spiel ist das geplante „Deutschlandnetz“ der Bundesregierung in Ihrer strategischen Planung noch eine Rolle?

Rimpler: Offen gesprochen: Nein. Das entwickelt sich viel zu langsam. Die Standorte werden EU-weit ausgeschrieben und auch Preisobergrenzen sollen gelten. Wir fokussieren uns lieber auf unseren eigenen Ausbau.  

Rückert-Hennen: Wir haben uns durchaus damit beschäftigt, ein ganzes Team war hiermit beschäftigt. Wir stehen auch mit der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur im regelmäßigen Austausch. Aber bis hier eine Genehmigung erteilt ist, haben wir schon drei neue Ladeparks realisiert.

„Es treibt uns die Tränen in die Augen, wenn unsere Stationen fertig sind, aber wir noch monatelang auf den Stromanschluss warten müssen.“

Rimpler über die größten Probleme beim Ausbau der Ladeinfrrastruktur

Was würden Sie sich von der Politik wünschen?

Rimpler: Schnellere Genehmigungsverfahren, mehr Geschwindigkeit auch in den kommunalen Tiefbauämtern, wenn es darum geht, eine Stromleitung über die Straße zu legen. Es treibt uns manchmal die Tränen in die Augen, wenn unsere Stationen fertig sind, aber wir noch monatelang auf den Stromanschluss warten müssen.

Rückert-Hennen: Wir müssen insgesamt jetzt mal endlich schneller werden. Und wünschen würde ich auch weniger Regulatorik. Wir investieren in den Markt, in dem das Angebot der Unternehmen und die Bedürfnisse der Kunden selbst den wesentlichen Rahmen bilden. So setzt sich das durch, was wirklich benötigt wird. Wenn ich mit einer App den Ladepark finden kann, auch den Strom bezahlen kann – warum soll ich dann noch extra eine Kreditkarte aus dem Portemonnaie holen, an deren PIN-Nummer ich mich dann erinnern muss? Ich halte das aus Kundensicht für den falschen Weg und wir sehen auch, dass diese Funktion kaum genutzt wird. Die Ressourcen sollten wir besser einsetzen als für die Ausrüstung aller Ladesäulen mit Kreditkartenlesegeräten.

Ich danke für das Gespräch.

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1 Kommentar

  1. Jürgen Baumann

    Obwohl ich in der Schweiz wohne, habe ich bisher 36% aller Energie, die ich auf den letzten 120´000 km an öffentlichen Ladesäulen bezogen habe, bei oder mit EnBW geladen. Die machen viel richtig. Das grosse Dach erleichtert bei der Anfahrt das Finden. Bei ungünstigen Wetterbedingungen muss ich nicht im Freien herumturnen, ich stecke ein und das Möbel lädt. Mit bis zu 238 kW. Da sind wir schneller wieder startklar als uns das manchmal lieb ist, weil die Elektronen schon wieder aus der Ladebuchse quellen. 😎

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