Er ist der neue Star an Chinas Steckdosen. Denn seit der Smartphone-Gigant Xiaomi kurz vor dem Jahreswechsel sein erstes Elektroauto präsentiert hat, spricht in Shanghai oder Shenzhen kein Autokäufer mehr von etwas anderem als von dem SU7. Und selbst auf der mit ganz neuen Autos prall gepackten Motorshow in Peking bilden sich auch Wochen nach der Premiere noch lange Schlangen am Stand des Quereinsteigers, während die Publikumsströme bei Porsche, Mercedes oder Audi nach der Enthüllung des Macan Electric, des Mercedes G580 EQ oder des Audi Q6 e-tron in der Langversion schnell wieder ab ebben.

Auf den ersten Blick wirkt  dieser Hype – 28 Tage nach der Markteinführung waren angeblich bereits 75.723 Kaufverträge gezeichnet – ein wenig überhitzt. Denn so elegant die knapp fünf Meter lange Flunder auch aussieht, ist der SU7 (die beiden Buchstaben stehen für „Speed Ultra“) doch nicht viel mehr als ein Kondensat aus Porsche Taycan und Tesla Model S. Aber erstens waren Xiaomis erste Telefone auch nur iPhone-Imitate. Und zweitens – und damit wird die Sache dann plötzlich doch interessant – kostet der SU7 nicht einmal halb so viel kostet wie seine Vorbilder.

Eine Nummer größer 
Der Xiaomi SU7 kostet in China etwa so viel wie das Model 3 von Tesla in der Long Range-Version. Die Limousine des Smartphone-Herstellers bietet aber mehr Platz und schon in der Basisversion mehr Leistung. Autor Thomas Geiger war durchaus angetan von dem Stromer aus China, der bei BAIC in Peking gebaut wird.
Eine Nummer größer
Der Xiaomi SU7 kostet in China etwa so viel wie das Model 3 von Tesla in der Long Range-Version. Die Limousine des Smartphone-Herstellers bietet aber mehr Platz und schon in der Basisversion mehr Leistung. Autor Thomas Geiger war durchaus angetan von dem Stromer aus China, der bei BAIC in Peking gebaut wird.

Während die Porsche-Preisliste in China bei 1.038.000 Yuan (umgerechnet 136.255 Euro) beginnt und Elon Musk den volatilen Tesla-Preis für das Model S in China aktuell bei 684.900 Yuan ( 89.905 Euro) einloggt hat, startet der Xiaomi SU7 bei 215.900 und kostet selbst in der Topversion nur 299.990 Yuan. Das sind ungerechnet zwischen rund 28.000 und keine 40.000 Euro – und in etwa so viel, wie Tesla in China für ein Model 3 verlangt. Selbst ein VW ID.7 (ab 237.700 Yuan bzw. 30.600 Euro) ist da etwas teurer.

Bis zu 860 Kilometer Reichweite

Dabei ist der SU7 alles andere als Sparbrötchen. Schließlich fährt das Basismodell mit einem 220 kW-Motor an der Hinterachse, beschleunigt in 5,3 Sekunden auf Tempo 100, fährt 210 km/h schnell und mit einem 400-Volt-Akku von BYD mit einer Kapazität von 74 kWh bis zu 668 (chinesische) Norm-Kilometer weit. Alternativ gibt es den Hecktriebler auch mit einem 94kWh großen Qilin-Akku von CATL, der auf 800 Volt-Basis arbeitet und rund 860 Kilometer schafft.

Und wer den SU7 Max bestellt, bekommt zumindest fahrdynamisch Porsche-Feeling satt: Dann gibt’s zwei Motoren mit zusammen 495 kW Leistung und 838 Nm Drehmoment. Der Sprintwert schmilzt auf 2,8 Sekunden, das Spitzentempo steigt auf 265 km/h. Und mit 101 kWh Akkukapazität sollen noch immer rund 800 Kilometer drin sein. Tempo macht der Taycan-Konkurrent danach auch an der Steckdose: In nur 15 Minuten lädt der Xiaomi im besten Fall Strom für rund 550 Kilometer Fahrstrecke nach. 

Fastback 
Der Xiaomi SU7 sieht ohne Zweifel schnittig. Der Spoiler auf der Heckklappe hebt sich bei höheren Geschwindigkeiten automatisch - oder auf Knopfdruck. Drei Meter Radstand sorgen dafür, dass in dem Viertürer niemand Platzangst leidet. Hilfestellung bei der Gestaltung der Karosse leistete übrigens der frühere BMW-Designer Chris Bangle.
Fastback
Der Xiaomi SU7 sieht ohne Zweifel schnittig. Der Spoiler auf der Heckklappe hebt sich bei höheren Geschwindigkeiten automatisch – oder auf Knopfdruck. Drei Meter Radstand sorgen dafür, dass in dem Viertürer niemand Platzangst leidet. Hilfestellung bei der Gestaltung der Karosse leistete übrigens der frühere BMW-Designer Chris Bangle.

Neben dem Preis ist  zweite Grund für den Hype um das Auto das Prestige der Marke und deren Verbreitung im digitalen Alltag der Chinesen. Denn seit Selfmade-Mann Lei Jun vor elf Jahren sein erstes Smartphone präsentiert hat, wurden mittlerweile über 150 Millionen Handys gebaut – im Jahr. Zudem ist Xiaomi noch tiefer als Apple in den Alltag der 1,4 Milliarden Chinesen eingedrungen. In eigenen Stores verkauft das Unternehmen Gadgets und Gerätschaften für praktisch alle Lebensbereiche – von der Spielzeugdrohne bis hin zum Saugroboter. Und sie alle sollen sich mit dem SU7 und dessen prallen App-Store vernetzen lassen. „Menschen und Autos werden eins“, wirbt das Unternehmen dafür in China. 

Digital auf der Höhe der Zeit

Wenn das tatsächlich klappt und das Auto ein so elementares Bestandteil der digitalen Lebenswelt wird, ist das natürlich ein unschätzbarer Vorteil, den Mercedes & Co so nie bieten können. Allerdings ist das auch die einzige Eigenheit einer ansonsten eher konventionellen Elektronik-Welt. Denn ausgerechnet das erste Auto eines Smartphone-Giganten kommt während des Fahrens nicht sonderlich smart rüber, wie wir bei unserer ersten Testfahrt mit dem SU7 in China schnell merken.  

Im Stil der Zeit 
Das erste Elektroauto des Smartphone-Riesen kommt auf den ersten Blick eher konventionell daher. Immerhin wird nicht alles über das Zentraldisplay gesteuert. Und wer mehr Schaltknöpfe für eine direkte Steuerung bestimmter Funktionen wünscht, kann eine Tastenleiste an den Monitor anklipsen. Weniger originell sind die Drehknöpfe am Lenkrad. Und einen ähnlichen Zündschlüssel in Autoform gibt es auch für den Porsche Taycan.
Im Stil der Zeit
Das erste Elektroauto des Smartphone-Riesen kommt auf den ersten Blick eher konventionell daher. Immerhin wird nicht alles über das Zentraldisplay gesteuert. Und wer mehr Schaltknöpfe für eine direkte Steuerung bestimmter Funktionen wünscht, kann eine Tastenleiste an den Monitor anklipsen. Weniger originell sind die Drehknöpfe am Lenkrad. Und einen ähnlichen Zündschlüssel in Autoform gibt es auch für den Porsche Taycan.

Ja, das Head-up-Display ist ein bisschen größer als üblich, hinter dem Lenkrad findet sich zudem ein witziges Display, das sich erst beim Anlassen ins Blickfeld dreht. Es gibt für fast alles eine Sprachsteuerung  und der obligatorischen Touchscreen vor dem Armaturenbrett liefert brillante Bilder und faszinierende Grafiken. Aber weder bietet Xiaomi besonders tolle oder überraschende Features beim Infotainment, noch haben sie zum Beispiel wie Nio einen Avatar, der den Fahrer durch den Verkehr begleitet. Hinten müssen die Passagiere sogar ihre eigenen Tablets mitbringen, wenn sie sich im Stau nicht langweilen wollen. Aber immerhin gibt es dafür spezielle Steckplätze. Und wenn sie von Xiaomi sind, werden sie auch schnell ins System eingebunden.

Autopilot wird schnell nervös

Auch der Autopilot, dem in Dauerstau der chinesischen Millionen-Metropolen viel mehr Bedeutung zukommst als bei uns, ist allenfalls Mittelklasse. Während Konkurrent Huawei das zusammen mit Geely gebaute Robo-Auto JiYue 1 bereits freihändig durchs dichtesteVerkehrsgewühl schickt, folgt der Xiaomi selbst auf einer Ausfallstraßen in Peking nur widerwillig der Fahrspur und quittiert bereits den Dienst, wenn die Linien mal kurz fehlen. Automatische Spurwechsel dauern eine gefühlte Ewigkeit. Und ein paar Radler reichen schon, um ihn ganz aus der Ruhe zu bringen. 

Kopf hoch 
Ein Head-up-Display wie im Xiaomi SU7 ist bis heute im Tesla nicht für Geld und gute Worte zu bekommen. Und das Display hinter dem Lenkrad ist volldigital und kann an die Vorlieben des Fahrers angepasst werden. Foto: Xiaomi
Kopf hoch
Ein 56 Zoll großes Head-up-Display wie im Xiaomi SU7 ist bis heute im Tesla nicht für Geld und gute Worte zu bekommen. Und das Display hinter dem Lenkrad ist volldigital und kann an die Vorlieben des Fahrers angepasst werden. Foto: Xiaomi

Dafür punktet der Xiaomi in einer Disziplin, die bis dato eher unterentwickelt war bei China-Autos: Er ist fahrdynamisch ganz vorn. Während Nio, Zeekr oder XPeng es eher gemütlich angehen lassen, wirkt der SU7 engagiert und leidenschaftlich. Er vermittelt ein gutes Gefühl für die  Fahrbahn, federt die kleinen Unebenheiten sauber weg und hält präzise den Kurs. Selbst die Bremsen haben Biss. Da jedenfalls haben sie beim Wettbewerber Porsche ganz genau hingeschaut. Schade nur, dass die Chinesen das kaum zu würdigen werden wissen. Denn erstens ist ihnen der Komfort wichtiger als die Fahrfreude. Zweitens stehen sie ohnehin die meiste Zeit im Stau und drittens ist spätestens bei 120 km/h auf der Autobahn das gesetzliche Limit erreicht. 

Hochgesteckte Ziele

Aber auf Dauer wird der Xiaomi ja wohl nicht in China bleiben. Spätestens wenn der erste Hype im Mutterland einmal vorbei ist und man nicht mehr ein halbes Jahr auf sein Auto warten muss, wird Mr. Lei seinen elektrischen Erstling sicher auch ins Ausland führen. Weil er den Wettbewerb sucht mit seinen Vorbildern und auch, weil er noch viel vor hat in der Autowelt: Xiaomi soll binnen zwei Jahrzehnten zu den Top 5 der Autohersteller weltweit zählen. Ohne Exporte nach Nordamerika und Europa sowie nur mit einem Modell wird das kaum gelingen. 

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