Die übermächtig in Szene gesetzte ID-Familie hat Erfolgsmodelle wie den VW Golf in der breiten Öffentlichkeit kurzzeitig nahezu vergessen gemacht. Doch die neue Realität sieht anders aus, denn der Bestseller schlägt zurück wie einst das Imperium. Die jüngste Modellpflege des Golf mag recht dünn geraten sein, doch der hybride GTE bietet Fahrspaß ohne Reue.
Die vollelektrische ID-Familie hat in den vergangenen Jahren im Konzern nahezu alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Selbst um das nun illuminierte VW-Logo wurde einiges Bohei gemacht. Langjährige Erfolgsmodelle wie Passat, Tiguan, Polo oder T-Roc wurden kurzerhand in die zweite Reihe verbannt. Das traf selbst den allgegenwärtigen Bestseller VW Golf, der mittlerweile in der achten Generation angeboten wird.
Teilzeitstromer macht viel mehr Spaß
Der schlägt jedoch nun mit seiner jüngsten Modellpflege kraftvoll zurück. Die Überarbeitungen innen wie außen könnten größer sein – sie fallen nur auf den zweiten Blick auf. Doch gerade der neu aufgelegte Teilzeitstromer Golf GTE bietet nunmehr erstmals ernsthaften Fahrspaß bei niedrigen Benzinverbräuchen – wenn an einer Wallbox regelmäßig geladen wird.
Okay, nach wie vor ist der stärkste der hybriden Gölfe nur mit einem 1,5 Liter großen Vierzylinder-Aggregat unterwegs. Und geht es um das subjektive Empfinden, dann hängt der Golf GTI mit seinen zwei Litern Hubraum und ähnlicher Motorleistung bissiger am Gas. Allerdings macht der Plug-in Hybrid in der jüngsten Version deutlich mehr Laune als vorher. Wer meint, der Golf GTE sei nur eine sportlich angehauchte Ökonummer, eine nur hübsch aufgebrezelte automobile Verzichtserklärung, der irrt gewaltig.
Mehr Pferdestärken als ein GTI
Denn der 1,5 Liter große Turbomotor mit einer Leistung von 130 kW oder 177 PS wird von einem 85 kW starken Elektromotor unterstützt, der die Spitzenleistung des Antriebsstrangs auf stattliche 200 kW oder 272 PS hievt. Damit stehen dem Fahrer im wohl konturierten Sportsitz des Golf GTE nicht nur ein paar Pferdestärken mehr zur Verfügung als im GTI (265 PS), sondern vor allem 400 Newtonmeter mehr Drehmoment.
Der neue Tatendrang macht sich bei unserer Testfahrt überaus angenehm bemerkbar, denn der 4,29 Meter lange Golf GTE ist bei zurückhaltender Fahrweise und mit vollständig geladenem Akkupaket ungewöhnlich lang rein elektrisch unterwegs – der Hersteller verspricht im Stadtverkehr bis zu 132 Kilometer. Der Verbrenner springt nur per Kickdown an oder wenn der Fahrer in den Sportmodus wechselt. Dann ist der flüsterleise surrende Elektro-Golf auf einmal ein allemal knackiger Sportler – mit angestrengtem Klang. Aus dem Stand ist die 100 km-/-Marke in 6,6 Sekunden zu knacken und die Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h lässt die ID-Elektromodelle schamhaft auf der rechten Spur zurück.
Schnelles Laden mit bis zu 40 kW
Zugegeben, der GTE ist ein kein Golf GTI. Denn dazu braucht es mehr als Pferdestärken und ein ähnliches Drehmoment. Doch wer im Alltag Kraftstoff einsparen und dem Klima helfen will, mit einem kompakten Auto auch einmal auf längere Strecken zurücklegen will – und das elektrische Fahren ohne lange Ladepausen liebt, der könnte am neuen VW Golf GTE seine helle Freude haben. Das vor der Hinterachse verbaute, 19,7 kWh große Akkupaket (brutto 25,7 kWh mit 96 Zellmodulen) sorgt dank eines Norm-Verbrauchs von 15,9 kWh rein rechnerisch für eine elektrische Reichweite von 124 Kilometern. Über 100 Kilometer sollten aber auch im Alltagsverkehr immer drin sein. Zur Erinnerung: Der 13 kWh große Akku des Vorgängers war für maximal 62 Kilometer gut.
Das dürfte für die meisten Kunden völlig reichen, um die Woche über zum Arbeitsplatz und wieder zurück nach Hause zu pendeln, ohne den Verbrenner anschmeißen zu müssen. Und es dürfte für manche auch reichen, den Akku nur alle paar Tage zu laden, daheim, beim Arbeitgeber oder an einer öffentlichen Ladestelle vor dem Supermarkt. Und im Unterschied zum Vorgängermodell geschieht das nicht nur mit maximal elf Kilowatt am mit Wechselstrom betriebenen „Schnarchlader“ – der neue Golf GTE kann an einer Schnellladesäule Gleichstrom mit immerhin bis zu 40 kW aufnehmen.
Preise ab 47.895 Euro
Ansonsten ist der „neue“ VW Golf der exzellente Kompaktwagen, der er schon immer war. Die Bedienprobleme gehört inzwischen weitgehend der Vergangenheit an. Und über den 12,9 Zoll großen Touchscreen lassen sich dank neuer Software und Prozessoren alle Funktionen schnell und einfach steuern – auf Wunsch auch per Sprachbefehl und mit ChatGPT. Ansonsten sind die Neuerungen, die das Facelift mit sich bringt bis auf ein paar neue Lichtdetails und ein paar Ergänzungen bei den Fahrerassistenzsystemen, wirklich überschaubar.
Die Aufwertung und die größere elektrische Reichweite haben allerdings ihren Preis. Denn mit einem Basispreis von 47.895 Euro ist der VW Golf GTE alles andere als ein günstiges Vergnügen – selbst der 265 PS starke Golf GTI ist über 2.000 Euro günstiger zu haben. Doch Teilzeitstromer sind derzeit wieder schwer gefragt und weiterhin steuerlich bevorteilt. Vor allem bei Dienstwagenfahrer dürfte der GTE deshalb auf großes Interesse stoßen.