Die Ampel-Koalition aus SPD, FDP und Grünen hatte sich viel vorgenommen, auch im Verkehr: „Wir machen Deutschland zum Leitmarkt für Elektromobilität, zum Innovationsstandort für autonomes Fahren und beschleunigen massiv den Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur“, heißt es in dem Koalitionsvertrag. Ziel der neuen Regierung seien „mindestens 15 Millionen vollelektrische Pkw bis 2030.“ Doch davon ist Deutschland noch weit entfernt. Von den 48,7 Millionen Personenwagen, die hierzulande aktuell zugelassen sind, werden gerademal 1,2 Fahrzeuge allein von einer Batterie angetrieben. Um das große Ziel von 15 Millionen BEVs (batterie electric vehicle = Elektrofahrzeuge) noch zu erreichen, müssten sich die Zulassungen der Stromer nach Hochrechnungen des Berliner Thinktanks Agora Verkehrswende in den kommenden Monaten aut den Berlinern massiv erhöhen – auf 5000 Elektroautos am Tag. Im April waren es nach Berechnungen der Denkfabrik, die von der Mercator-Stiftung finanziert wird, lediglich 991 Stromer pro Tag.

Infografik der Agora Verkehrswende zu den Neuzulassungen von E-Pkw in Deutschland
Soll und haben
Im Jahr 2020 kamen täglich rund 500 BEVs auf deutsche Straßen, im Jahr 2022 weit über 1.000. Für das erklärte Ziel der Regierung müsste dieser Wert seit Januar diesen Jahres jedoch bei 5.000 liegen. (Agora Verkehrswende)

Und die aktuellen Zahlen lassen nicht erwarten, dass sich das so schnell ändert. Denn die Autoindustrie kann aufgrund von Lieferproblemen bei Schlüsselkompomponenten immer noch nicht so viele BEVs liefern, wie nötig wären. Zum anderen fällt bis Ende kommenden Jahres Schritt für Schritt die staatliche Förderung weg, sodass die Kaufbereitschaft eher sinken als steigen dürfte. Vom „Deutschlandtempo“ sind wir demnach weit entfernt, mahnen die Experten von Agora Verkehrswende.

Auftragseingang im Handel lahmt

Weiterhin hohe Neuwagenpreise bei einer gleichzeitigen Kürzung der Förderung – ab September gibt es weder Umweltbonus noch Innovationsprämie, wenn das Elektroauto auf ein Gewerbeunternehmen zugelassen wird – sind die Hauptgründe für den sinkenden Auftragseingang, von dem aktuell viele Autohändler, aber auch der Verband der Automobilindustrie (VDA) berichten. Neben manchen persönlichen Vorbehalten gegen die Stromer bremst auch die Wohnsituation vieler Menschen (Siedlungen ohne ausreichende Ladeinfrastruktur) die Bereitschaft, sich ein Elektroauto zuzulegen.

Graph des Kraftfahrt-Bundesamtes zum Anteil von BEVs an den gesamten Neuzulassungen von Pkw in Deutschland.
Viel Info, eine rote Linie:
Rund ein Siebtel der Neuzulassungen entfällt auf reine Stromer. Alternative Antriebe ingesamt knacken jedoch immer wieder die 50%-Marke des Gesamtmarktes. (Kraftfahrt-Bundesamt, Neuzulassungen von Personenkraftwagen (Pkw) im Jahresverlauf 2023 nach Marken und alternativen Antrieben)

Die aktuellen Zahlen verschleiern die angespannte Situation auf dem Automarkt ein wenig. Zwar wächst nach den Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes bei den Neuzulassungen immer noch der Anteil der Fahrzeuge mit alternativen Antrieben. Ende April lag deren Anteil bei mittlerweile 44 Prozent. Mitgezählt wurden neben den Batterieautos allerdings auch solche mit Hybrid- und Brennstoffzellenantrieb sowie gasbetriebene Fahrzeuge. Der Anteil der Stromer an den Neuzulassungen betrug lediglich 14,3 Prozent – Tendenz fallend. Denn ein nicht geringer Teil der Fahrzeuge sind verspätete Auslieferungen, die bereits im vergangenen Jahr geordert worden waren.

Kaufanreize durch Steuerreform und Straßenmaut

Zudem haben sich die Neuzulassungen von Plug-in Hybriden halbiert, nachdem die Förderung dieser Antriebstechnik zum Jahreswechsel komplett eingestellt wurde. „15 Millionen BEV bis 2030 sind so nicht zu erreichen“, mahnt Agora Verkehrswende.

Um die Nachfrage nach Elektroautos und damit die Antriebswende neu zu beleben, schlagen die Experten eine Reform der Kfz- und Dienstwagenbesteuerung vor. Die Höhe der Steuer würde sich anschließend vor allem nach dem CO2-Ausstoß und zusätzlich nach dem Gewicht eines Fahrzeugs bemssen. Auch sollte der Tarifverlauf progressiv sein, sodass auf besonders schwere und emissionsintensive Pkw hohe Steuersätze anfallen. Vorgeschlagen wird zudem, die  private Nutzung von Dienstwagen bei der steuerlichen Bewertung des geldwerten Vorteils neu zu gewichten. Auch eine fahrleistungsabhängige Pkw-Maut schlagen die Experten vor.

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