Bequemer als per Plug & Charge kann man derzeit kein Elektroauto an öffentlichen Ladesäulen mit Strom versorgen. Weder ist eine Ladekarte nötig, noch muss der Ladepunkt mit einer Smartphone-App freigeschaltet werden. Einfach das Kabel mit dem Auto verbinden – und schon fließen die Elektronen. Die Vertragsdaten sind im Fahrzeug hinterlegt, der Ladevorgang wird automatisch und ohne weiteres Zutun des Fahrers abgerechnet.
Eine ähnliche Lösung hat das Münchner FinTech-Unternehmen Ryd 2014 für konventionell angetriebene Autos entwickelt, um Tankvorgänge zu verkürzen. Um keine Zeit beim Schlange stehen vor der Tankstellen-Kasse zu vertrödeln, ersann der Gründer damals noch unter dem Namen Tank-Taler eine Smartphone-App, mit der Nutzer ihren Sprit direkt und digital an der Zapfsäule bezahlen können. Anfangs musste noch ein Dongle in die OBD-Schnittstelle im Fahrzeug zur Positionsbestimmung gesteckt werden – das hat sich im Januar erledigt. Heute läuft Fuel & Pay über die App – entweder auf dem Smartphone, bei Mercedes, Skoda und BMW wie bei Plug & Charge auch schon über den Touchscreen im Auto. Eingeben müssen sie dort lediglich die Nummer der Zapfsäule.
Eine „mittlere sechsstellige Zahl von Autofahrern“ in neun Ländern Europas hat Ryd inzwischen für die Lösung gewinnen können, darunter viele Flottenkunden. Aber die Zeit der Verbrenner neigt sich in den Firmenflotten rapide und insgesamt allmählich dem Ende entgegen. Deshalb wird Ryd nun ab Ende September auch für Elektroautos eine „Tank“- bzw. Ladelösung anbieten, die Plug & Charge sehr nahe kommt, kündigt Ryd-CEO Uli Kiendl im Gespräch mit EDISON an. „Wir wollen auch mit der Zeit gehen“ Über die Ryd-App können dann bald europaweit rund 600.000 Ladepunkte aktiviert werden. Kiendl: „Wir nutzen dafür einen bekannten Aggregator, der bereits vertraglich Zugriff auf das Ladenetz hat.“ Den Namen des Unternehmens mochte er allerdings noch nicht nennen. Ebenso wenig wie die Konditionen des neuen Angebots. „Uns ist es erst einmal wichtig, mit Breite in den Markt zu gehen.“
BMW, Mercedes und Skoda als Partner
„Den Service werden wir auch unseren Partnern BMW, Mercedes, Skoda und Miles anbieten.“ Ob die auch zugreifen werden, sei allerdings noch offen: Zumindest die Autohersteller haben eigene Ladedienste im Angebot und möchten sich wahrscheinlich keine Konkurrenz an Bord holen. Zumal Ryd seinen Kunden beim Thema Tanken gelegentlich Rabatte auf den Spritpreis einräumt.
Besser sind die Chancen, mit dem neuen Service im B2B-Geschäft zu punkten, bei Flottenkunden und Leasinggesellschaften. „Es gibt inzwischen viele Mischflotten mit konventionell angetriebenen Autos, aber auch Hybrid- und Elektroautos. Denen wollen wir ein Angebot machen, ihnen eine Schnittstelle für das Tanken und Laden bieten.“
Interessanter könnte da für die Autokonzerne – und ihre Kunden – an anderer Service sein: Die digitale Bezahlung von Waschvorgängen an Tankstellen. In der App wird der Waschvorgang bezahlt und daraufhin ein vierstelliger Code ausgespielt, der bei der Einfahrt in die Waschstraße nur noch eingegeben oder einem Servicemitarbeiter in der Zufahrt zugerufen werden muss.
„Die ersten Stationen in Europa, die mitmachen, sind jetzt schon in der App zu sehen“, verrät Kiendl. „Im nächsten Jahr wollen wir das Angebot auf über 5000 Waschstationen in Europa ausweitenb.“ Derzeit würden die dafür nötigen Verträge mit den Betreibern geschlossen, unter anderem mit Ryd-Partner Aral sowie mit Esso, Repsol in Spanien und Q8 in Belgien. Als Zielkundschaft sieht er unter anderem Taxifahrer, die ihre Fahrzeuge über die Ryd-App tanken, laden und waschen sollen. Eine Kooperation mit dem Mobilitätsanbieter Bolt soll den Zugang zu den Fahrern ebnen. Auch mit Uber würde das Unternehmen gerne zusammenarbeiten.
Schwieriger Markt für Ladedienste
Der ehemalige Payback-Manager Kiendl sieht sogenannten In-Car-Payment – der Bezahlung von Dienstleitungen aus dem Auto heraus – noch große Potenziale. Auch an der Integration von Parkdiensten und Mautservices arbeiten er und sein Team. „Wir wollen auf dem Gebiet europaweit die Nummer Eins sein.“ Der Lademarkt sei zwar ausgesprochen schwierig, aber auch da wolle Ryd mitmischen. Die native Integration in den Onboard-Service bei BMW, Mercedes („Fuelandpay“) und Skoda (Pay to Fuel) habe die Geschäfte spürbar belebt. Darum werde man sich auch bemühen, in diesem Jahr „zwei bis drei“ weitere Autohersteller für die In-car-Payment-Lösung von Ryd zu gewinnen. Einer der Wunschpartner wäre für Kiendl die Volkswagen-Gruppe: „Wir wollen uns da gerne weiter ausbreiten.“
„Das kann noch ein riesengroßes Business werden – für die Autohersteller wie für uns auch.“ Insbesondere, wenn man den Kreis größer ziehe und etwa an das vollautonome Fahren denke. „Wenn der Fahrer nicht mehr auf den Verkehr achten muss, werden sie etwa anderes machen.“ Zeitunglesen, Hotelaufenthalte buchen, Käufe tätigen und Filme streamen. Kiendl: „Wir sehen uns als die, die das Geschäft mit autonahen Services hochziehen.“
Das würde sich dann auch im Geschäftsbericht niederschlagen. Für dieses Jahr peilt Ryd einen Umsatz im dreistelligen Millionenbereich an, in dem engmargigen Geschäft ist ryd auf dem Weg zur Profitabilität.