Carlo van de Weijer leitet an der Technischen Universität von Eindhoven das neugegründete „Eindhoven Artificial Intelligence Systems Institute (EAISI), das sich unter anderem mit dem Autonomen Fahren und den Möglichkeiten beschäftigt, den Verkehr und unseren Alltag mithilfe Künstlicher Intelligenz zu optimieren. Der Maschinenbauingenieur war früher unter anderem für Siemens und TomTom tätig. Heute berät der 55-Jährige Ministerien und Industrieunternehmen auf der ganzen Welt in Fragen zur Zukunft der Mobilität – und meldet sich in Kolumnen wie dieser regelmäßig zu solchen Themen zu Wort. Zusammen mit seinem Kollegen, Professor Maarten Steinbuch von der TU Eindhoven hat er zudem ein Buch über die Zukunft der Mobilität verfasst.

Carlo van de Weijer
Carlo van de Weijer
Der Ingenieur ist Direktor des Eindhoven Artificial Intelligence Systems Institute (EAISI). Foto: Privat

Die Kernenergie ist in der gesellschaftlichen Debatte wieder angekommen. Die neue niederländische Regierungskoalition zieht den Neubau von zwei neuen Kernkraftwerken in Betracht, um die Klimaziele des Landes zu erreichen. Und die EU hat vorgeschlagen, die Kernenergie als nachhaltige Energie einzustufen. Dadurch sollen Investitionen in die Technologie erleichtert und auch Subventionen dafür möglich werden.

In der öffentlichen Meinung wird die Kernenergie von nicht wenigen als die einfachste Lösung für alle unsere Klimaprobleme angesehen. Dies ist meiner Meinung nach eine sehr optimistische Sichtweise. Was die Kosten pro Kilowattstunde (kWh) angeht, so wird in den kommenden Jahrzehnten nichts die Arbeitspferde der Energiewende schlagen: die Solar- und Windenergie. Deren Preis wird sich in Richtung einiger weniger Cent pro kWh bewegen.

Folgen des Wrightschen Gesetzes

Dies ist eine Folge des Wrightschen Gesetzes. Dieses Gesetz besagt, dass bei einer Verdoppelung der Produktionsmenge der Selbstkostenpreis aufgrund von Optimierungs- und Lerneffekten um fünf bis 25 Prozent sinkt. Dieses Gesetz gilt jedoch nur für Produkte, die industriell und in großen Stückzahlen hergestellt werden können – nicht aber für ein klassisches Kernkraftwerk. Die Kosten von Kernkraftwerken pro gelieferter kWh sind in den letzten Jahren eher gestiegen als gesunken.

Ford Nucleon 
Beim Konzeptauto, das nur in kleinem Maßstab gebaut wurde, saß der Atomreaktor über der Hinterachse. Die Passagiere saßen weit vorn, noch vor der Vorderachse - aus Sicherheitsgründen und zum Schutz vor der Strahlung. Foto: Ford Archiv
Ford Nucleon
Beim Konzeptauto, das nur in kleinem Maßstab gebaut wurde, saß der Atomreaktor über der Hinterachse. Die Passagiere saßen weit vorn, noch vor der Vorderachse – aus Sicherheitsgründen und zum Schutz vor der Strahlung. Foto: Ford Archiv

Nur wenn man die industrielle Produktion auf die Kernenergie übertragen würde, könnte auch dort eine deutliche Kostensenkung erzielt werden. Beispielsweise durch eine Verkleinerung der Komponenten und Module und eine Serienproduktion davon. Das ist die Idee hinter den so genannten kleinen modularen Reaktoren (Small Modular Reactors, SMR) – effizienten Miniatur-Kernkraftwerken mit einer Leistung zwischen 10 bis 300 Megawatt. Diese könnten dann die Stromversorgung in Zeiten ohne Wind und Sonne sicherstellen.

Wenn wir diesen Trend zur Miniaturisierung weiterdenken – könnten wir dann nicht auch ein Mini-Reaktoren bauen, das Elektroautos antreibt? So ganz neu ist die Idee nicht. Das Konzept zur Erzeugung elektrischer Energie ist in entlegenen Gebieten wie der Arktis, auf Militärbasen oder auch in Raumschiffen und Satelliten bereits umgesetzt worden. Und atombetriebene U-Boote und Eisbrecher sind bereits seit Jahrzehnten im Einsatz.

Ford Nucleon blieb ein Modellauto

Ein Mini-Reaktor im Auto klingt vielleicht etwas seltsam. Aber auch hier wurde das Antriebskonzept schon mehrfach ausprobiert. Im Jahr 1957 stellte Ford das Konzeptauto „Nucleon“ vor – ein atomgetriebenes Elektroauto mit einer Reichweite von bis zu 10 000 Kilometern. Die im Heck verbaute Reaktor trieb hier eine Dampfturbine an. Unter anderem wegen ungelöster Kosten- und Abfallprobleme, aber auch Sicherheitsbedenken kam der Ford Nucleon nie über ein maßstabsgetreues Modell hinaus.

Simca Fulgur 
Das Elektroauto mit Atomantrieb sollte 6000 Kilometer weit ohne Ladestopp fahren können. Es blieb Theorie: Gefahren ist es nie.
Simca Fulgur
Das Elektroauto mit Atomantrieb sollte 6000 Kilometer weit ohne Ladestopp fahren können. Es blieb Theorie: Gefahren ist es nie.

Aber es war beileibe nicht der einzige Versuch, ein Atomauto zu bauen. Ein Jahr später zeigte Simca auf dem Genfer Autosalon den „Fulgur“ – einen vollelektrischen, atomgetriebenen Traumwagen für die Zukunft mit „sechs Akkumulatoren für einatomige, freie Energiespeicherung“ und einen Aktionsradius von 5000 Kilometer, wie es damals im Pressetext hieß.

Und im Jahr 2009 stellte Cadillac das „World Thorium Fueled Concept Car“ vor, das mit nur acht Gramm Thorium sogar mehr als hundert Jahre lang ohne Lade- oder Tankstopp fahren können sollte. Aber auch das blieb nur ein Konzeptfahrzeug – es ist nie nur einen Meter gefahren. Und es gab bei General Motors auch keine Folgeprojekte.

Mit Sicherheit wird dies aber nicht der letzte Versuch gewesen sein. Vielleicht können wir tatsächlich eines fernen Tages mit einem Mini-Reaktor unter der Haube eine Million Kilometer fahren. Aber vielleicht können wir uns bis dahin auch noch schneller, kostengünstiger und einfacher an unser Ziel teleportieren. Wer weiß?

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2 Kommentare

  1. Marc Mertens

    Ich wäre sehr gespannt, wie sich solche Fahrzeuge bei den Unfallcrashtest verhalten würden?

    Die Feuerwehr ist heute schon nicht mehr zu beneiden, wenn man an die „normalen“ E-Autos und komplexen Werkstoffe in den konventionellen Autos denkt. 😉

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  2. Jürgen Baumann

    Wie würde das versichert?

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