Es ist mittlerweile fast 20 Jahre her, dass ein Opel Zafira als Familienauto in unserer Garage stand. Noch während des Verkaufsgesprächs im Autohaus hatten unsere damals noch kleinen Kinder die Flexibilität des Vans entdeckt. Vor allem die beiden Einzelsitze, die sich mit ein paar Handgriffen aus dem Boden des Kofferraums hervorzaubern ließen, hatten es ihnen angetan. Dort saßen sie später dann am liebsten, selbst wenn wir nur zu viert unterwegs waren und kein Reisegepäck – oder keine Spielkameraden – an Bord hatten. Und auch die Erwachsenen hatten ihren Spaß: Der 4,30 Meter lange Siebensitzer bot für ein Fahrzeug der Kompaktklasse einerseits viel Platz, war andererseits aber auch schön wendig und mit dem 108 kW (147 PS) starken Benziner an Bord zudem ordentlich motorisiert: Nach etwa zehn Sekunden war Tempo 100 erreicht und auf freier Strecke zeigte der Tachometer auch schon mal 200 km/h an. Mit einem Wort: Der Opel Zafira A war für uns das perfekte Reiseauto.
Kürzlich saß ich wieder einmal in einem Opel Zafira. Einem nagelneuen Zafira der dritten Modellgeneration. Wieder in einem Siebensitzer. Aber mit unserer Familienkutsche hatte der außer dem Opel-Blitz in der Lenkradnabe so gut wie nichts mehr gemein. Eher mit dem Lieferwagen vom Typ Sprinter, den ich zu studentischen Zeiten für ein Bonner Modehaus durchs Rheinland kutschierte. Hochaufragend, knapp fünf Meter lang, mit Klapptüren am Heck und einer Schiebetür auf der rechten Seite zum schnellen Ausladen der Ware. Tatsächlich ist der Zafira der neuesten Generation ein Schwestermodell des Vivaro Cargo, den es in der Nutzfahrzeugabteilung als Kastenwagen und auch mit Doppelkabine gibt – mit identischen Abmessungen, aber einer deutlich spartanischeren Ausstattung und jede Menge Hartplastik, wohin man schaut und mit den Händen greift.
Plaste ohne Elaste gibt es auch im Zafira Life reichlich. Aber auch ein paar Chromelemente, die ein wenig Abwechslung vom Arbeitsalltag bringen sollen. Im Testwagen waren die Sitze sogar mit Lederhäuten bezogen – und sogar beheizbar. Das war dann schon eher Business Class als Touristenklasse. Benziner gibt es aus klimapolitischen Gründen für den Zafira nicht mehr, dafür vier sparsame Dieselmotoren mit aufwändiger Abgasnachbehandlung. Und – jetzt wird es für uns wirklich spannend – für einen Aufpreis um die 7000 Euro (je nach Ausführung) erstmals auch mit einem reinen Elektroantrieb. Es ist der gleiche Antriebsstrang wie im Opel Corsa-e und im Opel Mokka-e, mit 100 kW (136 PS) Leistung und 260 Newtonmeter Drehmoment – die neu formierte Stellantis-Group elektrifiziert damit gerade fast seine ganze Modellpalette.
Bis zu 3,1 Tonnen Gesamtgewicht
Immerhin gibt es beim batterieelektrischen Ampera-e – wie auch beim baugleichen Opel Vivaro-e – zwei Akkupacks mit 50 und 75 Kilowattstunden (kWh) Speicherkapazität zur Auswahl. Na klar, so ein vollbepackter Kastenwagen wiegt schließlich einiges mehr als ein vollelektrischer Kleinwagen: Unter zwei Tonnen Leergewicht geht da gar nichts. Und der Zafira-e ist je nach Ausführung immerhin bis zu einem Gesamtgewicht von 3,1 Tonnen zugelassen. Trotzdem sollen damit Reichweiten von über 300 Kilometer möglich sein. Man glaubt es kaum – und will es selbst einmal erfahren.
Und Opel ist mutig: Zu Testfahrten mit dem neuen Zafira-e Life luden die Rüsselsheimer jetzt zu einem „Gipfeltreffen“ in die Alpen ein. In das Gebiet zwischen Innsbruck in Österreich (574 Meter über dem Meeresspiegel) und Brixen in Südtirol (559 Meter ü.M.). Genau: Dazwischen liegt auf 1370 Metern Höhe der Brennerpass. Gut, die Autobahnen und Landstraßen zwischen den beiden Regionen sind mit zahlreichen Tempolimits und diversen Baustellen gespickt – schneller als mit Tempo 130 geht es da nirgendwo voran. Das immerhin kommt dem Zafira-e sehr entgegen: Schneller als 130 km/h fährt der Vollstromer ohnehin nicht. Allenfalls im Leerlauf bergab. Aber dann würde sich der Fahrer auch die Chance entgehen lassen, zumindest einen Teil der bei der Bergfahrt aufgewandten Energie durch Rekuperation wieder zurück zu gewinnen.
Um es kurz zu machen: Beim Start war beim Autor eine gewisse Skepsis vorhanden, ob der Zafira-e die Alpenüberquerung meistern würde. Zumal der Bordcomputer beim Start einen Durchschnittsverbrauch von 29 kWh/100 km auswies – da hatte den Kastenwagen auf der Fahrt nach Innsbruck wohl jemand sehr stark gefordert. Doch unterwegs sanken die Verbrauchswerte erstaunlich schnell – obwohl es zügig bergauf ging: Vorausschauendes Fahren, auch der eine oder andere Stau vor einer Bau- oder Mautstelle halfen dabei. Am Ende der rund 150 Kilometer langen Fahrt stand so laut Bordcomputer ein Durchschnittsverbrauch von 23 kWh/100km bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 50 km/h. Und der Bordcomputer traute dem Stromer sogar noch eine Reichweite von weiteren 100 Kilometern zu.
Ladeleistung von 100 Kilowatt am Schnelllader
Reichweitenangst kommt da so schnell keine auf. Zumal einige der Raststätten entlang der vielbefahrenen Brennerautobahn inzwischen über Schnellladestationen für Elektroautos verfügen und auch die Hoteliers in Südtirol ordentlich in Ladestationen investiert haben. Zudem kann der Zafira-e nicht nur eine ganze Menge Gepäck (Ladevolumen 4,9 Kubikmeter) laden. Auch die Ladeleistung am Stromanschluss ist ganz ordentlich: An AC-Säulen liegen serienmäßig bis zu 11 kW an, an öffentlichen DC-Ladern bis zu 100 kW. Damit lässt sich arbeiten und eine längere Tour auch ganz gut planen.
Und auch sonst ist der Fahrtkomfort über jeden Zweifel erhaben: Trotz der engen Verwandtschaft mit einem leichten Nutzfahrzeug lässt sich der Zafira-e ausgesprochen entspannt bewegen. Sogar ein Head-up-Display war in der getesteten Topversion „Tourer“ an Bord – neben Lederpolsterung, elektrischen Schiebetüren, einer Panorama-Rückfahrkamera sowie einem zweigeteilten Panoramadach, das es in ähnlicher Ausführung schon im Zafira B von 2005 gab.
Trotzdem hat der Zafira-e mit dem ursprünglichen Konzept außer dem Namen nicht mehr viel zu tun. Das gilt erst recht beim Blick in die Preisliste: Für unseren kompakten Zafira hatten wir, wenn ich mich recht entsinne, seinerzeit um die 20.000 Euro bezahlt. Für einen (dieselbetriebenen) Zafira Life der neuesten Generation sind nun wenigstens 45.330 Euro auf den Tisch zu legen. Und der Vollstromer steht in der günstigsten Version „Edition“ (50 kWh-Akku) mit 57.350 Euro in der Preisliste. Für unseren siebensitzigen Testwagen in „Tourer“-Ausführung und mit großem Akku und Panorama-Dach wären es sogar 68.500 Euro. Obwohl davon noch Umweltbonus und Innovationsprämie in Höhe von 7.900 Euro abgehen, bliebe doch noch eine beträchtliche Summe, die zu finanzieren wäre.
Ganz anders sieht die Rechnung natürlich aus, wenn der Zafira-e nicht als Familienautos, sondern als Großraum-Transporter im gewerblichen Shuttle-Service eingesetzt würde. In einer Taxiflotte – oder in einem Gasthof: Der Hotelier am Zielort in Bruneck zeigte jedenfalls auffällig starkes Interesse an dem Stromer.