An gut 85.000 öffentlichen Ladepunkten in Deutschland konnten nach dem aktuellen „Charging Radar“ von CIRRANTiC und TheonDATA , Ende September Elektroautos mit Strom versorgt werden. Das waren vier Prozent mehr als im Vormonat oder, wenn man den Bogen weiter spannt, fast doppelt so viele wie Ende September vergangenen Jahres. Es geht also voran mit dem Ausbau der Ladeinfrastruktur. Nur dass die Zahl der Elektroautos hierzulande schneller wächst als die Zahl der Ladepunkte. Rein rechnerisch müssen sich derzeit 18 E-Autos – Batterieautos wie Plug-in Hybride – einen Ladepunkt teilen – als ideal gilt eine Relation von 10:1.

Mit dem jetzt vom Bundeskabinett verabschiedete Masterplan Ladeinfrastruktur II soll der bislang fast ausschließlich privatwirtschaftlich betriebene Ausbau neuen Schwung gewinnen. Ziel der Bundesregierung sind insgesamt eine Million öffentlich zugängliche Ladepunkte in Deutschland im Jahr 2030 – für einen Bestand von dann 15 Millionen Elektroautos. So sah es jedenfalls der Koalitionsvertrag der Ampel aus SPD, Grünen und FDP vor. Realistischer erscheint den meisten Experten eher eine Größenordnung zwischen acht und zehn Millionen Stromern. Immerhin läuft die Förderung von Plug-in Hybriden Ende des Jahres aus und der Umweltbonus für Batterieautos wird deutlich reduziert.

Schnellladepunkte an der Aral-Tankstelle 
Die Mineralölindustrie bereitet sich bereits intensiv auf die Antriebswende vor, kriegt jetzt aber trotzdem Druck aus der Politik.
Schnellladepunkte an der Aral-Tankstelle
Die Mineralölindustrie bereitet sich bereits intensiv auf die Antriebswende vor, kriegt jetzt aber trotzdem Druck aus der Politik.

Mit 68 Einzelmaßnahmen und Steuermitteln in einem Umfang von insgesamt 6,3 Milliarden Euro will Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) bis 2025 insbesondere den Aufbau von Ladepunkten in Wohnvierteln oder an Tankstellen vorantrieben. „Die Welt schaut auf uns“, sagte Wissing auf einer Pressekonferenz in Berlin. „Alle rechnen damit, dass Deutschland Leitmarkt für die Elektromobilität werden wird. Wir sind nicht irgendein Automobilstandort, sondern ein führender in der Welt.“ Ziel müsse es sein, den Ladeprozess zu vereinfachen um den Umstieg der Menschen auf die Elektromobilität zu erleichtern. Der wiederum sei nötig, um die Klimaziele auch im Verkehr zu erreichen.  

Ladepunkte an der Tankstelle werden Pflicht

Der Masterplan sieht unter anderem vor, dass bis zum Ende dieses Jahres 25 Prozent der Tankstellen in Deutschland mindestens einen Schnellladepunkt mit mehr als 150 kW Leistung bereithalten. Ende 2024 sollen es 50 Prozent, Ende 2026 sogar 75 Prozent sein. Zudem sollen Antrags- und Bewilligungsverfahren vereinfacht und endlich auch die Ausschreibung für das so genannte „Deutschlandnetz“ in Angriff genommen werden – das staatlich finanzierte Netz von Schnellladestationen in den Ballungszentren und entlang der Schnellstraßen. Auch sollen alle Bundesbehörden bis Ende 2023 prüfen, wie möglichst 25 Prozent der eigenen Stellplätze mit Lademöglichkeiten für Mitarbeiter und Gäste ausgestattet werden können. Untersucht werden soll auch, welche Möglichkeiten es gibt, um Ladepunkte vorab zu reservieren und sie auch barrierefrei zu gestalten.

Schnellladepark von EnBW in Kamen 
Die Energiewirtschaft hat massiv in den Ausbau des Ladenetzes für Elektroautos investiert. Viele Projekte verzögerten sich allerdings aufgrund von bürokratischen Hemmnissen. Ob der Masterplan daran etwas ändert, bleibt abzuwarten. Foto: EnBW/Endre Dulic
Schnellladepark von EnBW in Kamen
Die Energiewirtschaft hat massiv in den Ausbau des Ladenetzes für Elektroautos investiert. Viele Projekte verzögerten sich allerdings aufgrund von bürokratischen Hemmnissen. Ob der Masterplan daran etwas ändert, bleibt abzuwarten. Foto: EnBW/Endre Dulic

Es soll eine einheitliche Beschilderung geben – und eine neue Arbeitsgruppe namens „Backcasting“ – für den Aufbau einer Ladeinfrastruktur auch für schwere Nutzfahrzeuge. Kurzum: Es ist ein Sammelsurium an Ideen und Initiativen, meist ohne schnell greifbaren Nutzen. Kein Wunder: Eine Vielzahl von Akteuren und Interessengruppen waren an der Ausarbeitung des Papiers beteiligt, neben Ländern und Kommunen auch zahlreiche Verbände und Unternehmen.

BDEW: „Teure Schaufensterpolitik“

Doch so richtig zufrieden ist mit Wissings Masterplan Ladeinfrastruktur II niemand. Kritik kam unter anderem von der Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung beim Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Kerstin Andreae. Der Masterplan „verpasst nach einem dreiviertel Jahr Arbeit mit seinen 68 Einzelmaßnahmen die Chance, gezielt die Bremsklötze zu beseitigen, die schon viel zu lange aufseiten der öffentlichen Hand den schnelleren Ladesäulenausbau erschweren“, beklagte sie. Der Maßnahmenkatalog führe zu mehr staatlicher Planung und Steuerung und sei „leider eine teure Schaufensterpolitik“.

Auch Adrian Willig, Hauptgeschäftsführer beim en2x – Wirtschaftsverband Fuels und Energie, kritisiert die planwirtschaftlichen Vorgaben. Die gesetzten Ziele kämen für seinen Verband sehr überraschend, da die Mineralölbranche bereits in eigener Initiative Lademöglichkeiten für Elektroautos schaffe. Anstatt „immer höhere Ziele zu formulieren“, wäre es die konkrete Umsetzung beim Ausbau der Ladeinfrastruktur zu beschleunigen, so Willig.

Tankstellenbetreiber beklagen Planwirtschaft

Er beklagte nach wie vor „hohe administrative Hürden bei Ausschreibungen von Flächen, fehlende Netzanschlüsse, langwierige Genehmigungsprozesse sowie viel zu umständliche Förderprogramme“, so Willig. Notwendig seien beim Ausbau der Ladeinfrastruktur mehr Wettbewerb und keine Planwirtschaft.

Auch vom Verband der Automobilindustrie setzte es Kritik – nur wurde die diplomatischer verpackt. VDA-Präsidentin Hildegard Müller begrüßte den „Masterplan“ als wichtigen Schritt, mahnte aber eine rasche und konsequente Umsetzung der „richtigen Maßnahmen“ an. Der Ausbau des Stromnetzes spiele eine Schlüsselrolle. deshalb bräuchte es „verbindliche Fristen“ beim Netzanschluss. Auch forderte sie ein staatliches Förderprogramm für bidirektionales Laden und die Abschaffung von Doppelbelastungen auf den zwischengespeicherten Strom. Die größte Herausforderung bleibe allerdings die Bereitstellung von Flächen für die geplanten Ladeparks. Hier seien der Bund, aber auch die Länder und Kommunen gefordert.

Mit einem Wort: Ein „Masterplan“ ist gut – jetzt kommt es auf eine schnelle Umsetzung an. Wie sagte Wissing: „Die Welt schaut auf Deutschland“.

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1 Kommentar

  1. Jürgen Baumann

    Gut, gibt es überhaupt einen Plan.

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