Groß geworden ist die tschechische Automobilmarke Skoda – hervorgegangen vor bald 100 Jahren aus der Fusion des gleichnamigen Maschinenbau- und Rüstungskonzerns mit dem Mobilitäts-Startup Laurin & Klement – mit preiswerten wie robusten Kleinwagen wie dem Popular, dem Felicia, Favorit und Fabia. Gewiss, in der Frühzeit produzierte das Unternehmen aus Mlada Boleslav auch Modelle, die man für die damaligen Verhältnisse durchaus luxuriös nennen konnte. Und seit der Übernahme des Unternehmens durch den Volkswagen-Konzern im Jahr 1991 etablierte sich die Marke mit den Modellen Oktavia und Superb, aber auch dem vollelektrischen Enyaq in der gehobenen Mittelklasse. Doch mehr ließ die Konzernleitung in Wolfsburg zum Schutz von Audi und auch VW (Phaeton) nicht zu.
Vorstoß in die Oberklasse
Doch die Zeiten ändern sich. Autokäufer sind offen für neue Markenerlebnisse. Und mit der Topversion des Superb namens Laurin & Klement (ab 45.850 Euro) sowie dem Enyaq Coupe RS (ab 61.960 Euro) gewinnt die Marke längst auch Kunden, die früher auf Dienstwagen von Mercedes-Benz und BMW abonniert waren. Warum also nicht nach Höherem streben, das nächste Level anstreben? Warum soll man die Kunden nicht mehr erfahren lassen als nur einfach clevere Lösungen?
Und so präsentiert die Studie „Vision 7S“, die der neue Skoda-Chef Klaus Zellmer nun in Prag enthüllte, nicht nur die neue, nochmals geschärfte Designsprache der Traditionsmarke. Das Elektroauto kündet auch vom Ehrgeiz des Unternehmens, in neue Dimensionen vorzustoßen – größentechnisch, platzmäßig, aber auch bei der Positionierung auf dem Automobilmarkt.
So gibt die angeblich seriennahe Studie einen schon sehr konkreten Ausblick auf das neue Topmodell von Skoda – einen vollelektrischen, gut fünf Meter langen und 1,89 Meter hohen Siebensitzer, der nicht nur von den Abmessungen her der Mittelklasse längs entwachsen ist. Es ist eines von insgesamt drei komplett neuen Elektroautos, die Skoda bis Ende 2026 auf den Markt bringen will – die Rede ist auch noch von einem kompakten SUV (Arbeitstitel: „El-Roq“) sowie einem vollelektrischen Octavia.
„Vision 7S“ ist mehr als eine Studie
„Wir geben mit der Konzeptstudie Vision 7S einen konkreten Ausblick auf ein völlig neues Skoda-Modell, mit dem wir unser Produktportfolio und unsere Kundenbasis nach oben hin abrunden werden“, verriet in Prag der neue Skoda-CEO Klaus Zellmer. „Wir stellen uns damit für das Jahrzehnt der Transformation noch stärker auf.“ Wie er ankündigte, werde Skoda in den kommenden fünf Jahren insgesamt 5,6 Milliarden Euro in die Elektromobilität investieren und weitere 700 Millionen Euro in die Digitalisierung, um die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens und der Arbeitsplätze zu sichern.
Der Vision 7S basiert wie die anderen Elektromodelle der Marke auf dem Modularen Elektro-Baukasten (MEB) des Konzerns, mit dem schon der Enyaq realisiert wurde. Mit einem 89 kWh großen Akkupaket im Fahrzeugboden soll das Modell Reichweiten von bis zu 600 Kilometern ermöglichen, wenn es 2025 auf den Markt kommt. Aber auch an der Ladesäulen soll der neue Stromer glänzen, mit Ladeleistungen von bis zu 200 Kilowatt. Derzeit liegt die maximale Ladeleistung der Konzernfahrzeuge auf der MEB-Plattform bei 170 kW. Das Leistungsspektrum dürfte weitgehend dem der aktuellen Modelle entsprechen. Die Motorleistungen dürften sich somit zwischen 150 kW ( 204 PS) und 265 kW (360 PS) bewegen und sowohl mit Heck- und Allradantrieb kombinierbar sein.
Skoda verliert den Federschmuck
Vor allem aber zeigt der mattgrüne Vision 7S die nächste Evolutionsstufe des Skoda-Designs, für das Oliver Stefani verantwortlich zeichnet. Da sich der Kühlergrill mit dem Elektroantrieb überlebt hat, kann die Fahrzeugfront – das Markengesicht – komplett neu gestaltet werden, mit Hilfe von Lichtbögen, die sich um das gläserne „Tech-Deck Face“ ( hinter dem sich die Sensorik der Assistenzsysteme versteckt) herumziehen. Die Luftführung erfolgt über den mächtigen Stoßfänger, der aus dem Gummi geschredderter Altreifen geformt ist.
Für den geflügelten Skoda-Pfeil, der manchen (fälschlicherweise) an den Kopfschmuck nordamerikanischer Stammeshäuptlinge erinnerte, ist an Front und Heck künftig kein Platz mehr: Statt der alten Feder-Pfeil-Auge-Symbolik prangt auf den Fahrzeugen von Skoda künftig nur noch der Skoda-Schriftzug in moderner Typografie. Allein in das neue Markenlogo haben Designer, Grafiker und Marketingstrategen fast ein Jahr an Arbeitszeit investiert. Der geflügelte Pfeil wird künftig nur noch in den Radnaben aufscheinen.
Auch im Innenraum Innen geht es sehr puristisch und politisch korrekt zu. Die verwendeten Materialien sind selbstverständlich vegan und stammen größtenteils aus nachhaltigen Quellen. Der Boden der Konzeptstudie im Noppen-Look wurde zum Beispiel aus geschredderten Altreifen gefertigt. Und die eingesetzten Stoffe bestehen aus recycelten Polyestergarnen, die unter anderem aus ausrangierten Fischernetzen gewonnen wurden.
Hochvariabler Innenraum
Die Fahrzeugfunktionen werden über Sprachbefehle, wenige Direktwahltasten oder einen 14,6 Zoll großen Touchscreen in der Mitte der Armaturentafel bedient, der sich etwa zum Betrachten von Videos während der Pausen um 90 Grad drehen lässt – die Spielerei kennen wir schon von Tesla und BYD. Der Fahrer blickt über ein abgeflachtes Zweispeichenlenkrad hinweg auf animierte 8,8-Zoll-Instrumente und ein großes Head-Up-Display.
Für längere Lade- oder Ruhepausen kann per Knopfdruck ein Relaxmodus aktiviert werden, bei dem sich Lenkrad und Instrumententafel nach vorn schieben, um den Insassen mehr Bewegungsfreiheit zu geben. Die Vordersitze lassen sich zudem drehen, die Lehnen der Sitze in der zweiten Reihe auf Knopfdruck zurückfahren – sofern niemand in der dritten Reihe hockt.
Praktisch: Passagiere in der zweiten oder dritten Sitzreihe können zudem ihr eigenes Mobilgerät magnetisch an der Rücklehne des Vordersitzes befestigen. Die Türverkleidungen beinhalten interaktive Flächen, bei denen farbiges Licht durch den Stoff scheint. Ein orangenfarbenes Licht weist auf die im unteren Teil der Verkleidung verborgenen Türöffner hin, während ein blaues oder rotes Licht Temperaturänderungen der Klimatisierung visualisiert.
Kindersitz auf der Mittelkonsole
Kreativ: Man kann sogar mit dem Finger auf einige Stoffflächen schreiben – zum Beispiel für kurze Nachrichten oder um Kinder unterwegs kleine Bilder malen zu lassen. Der optionale Kindersitz befindet sich entgegen der Fahrtrichtung auf der verlängerten Mittelkonsole. Eine Innenraumkamera im hinteren Dachbereich kann auch ein Videobild des Kindes auf das zentrale Infotainment-Display übertragen Skoda soll schließlich auch in Zukunft die Bedürfnisse von Familien mit Kindern bedienen.
Mal schauen, was es von der Studie bis in die Serie schafft. Und wie VW auf die neue Herausforderung aus Tschechien reagiert: Gegen den Skoda Vision 7S sieht ein VW ID.4 schon jetzt irgendwie alt aus.
(Mit Ergänzungen von Franz W. Rother)
Nichts wird so heiß produziert, wie es angekündigt wird – in diesem Fall leider schade.
»7 Sitze« als Verkaufsargument: wie hoch ist der Anteil der SUV-Käufer, die dieses Feature interessiert?
»Die Tor macht weit«: den benötigten Platz findet man heute nur längs am Straßenrand und auf Behinderten-Parkraum – das Argument wirkt nicht alltagstauglich.